Andernach in Rheinland-Pfalz: Ein malerisches Städtchen am Rhein mit Fachwerk und Resten einer Stadtmauer. Auf die steuert Lutz Kosack zielstrebig zu, bleibt oberhalb des alten Mauergrabens stehen und zeigt hinunter. Dort scharren ein paar Hühner:
"Es gibt einen weißen Hahn. Der heißt Erwin. Wo Erwin jetzt gerade ist, weiß ich nicht, wahrscheinlich unter der Brücke, denn das ist eine faule Socke."
Erwin und seine acht Hühner kommen gut an bei den Andernachern, auch weil sie die Eier in einem kleinen Laden in der Innenstadt kaufen können. Ein hübscher Nebeneffekt, sagt Geoökologe Lutz Kosack, denn eigentlich sind die Hühner nur Teil einer viel größeren Idee. Entstanden ist die 2010:
"2010 war das Jahr der Biodiversität. Die Bundesanstalt für Naturschutz hat die Kommunen aufgerufen, etwas für Biodiversität in der Stadt zu tun. Und wir dachten, Mensch, versuchen wir es doch mit Nutzpflanzen und haben 101 verschiedene Tomatensorten an die Stadtmauer gepflanzt. Und nachdem das bei der Bevölkerung sehr schön angekommen ist, haben wir an dem Punkt weiter gemacht. Und so ist in den letzten Jahren die essbare Stadt entstanden."
Die Stadt pflanzt, die Bürger dürfen ernten
Die essbare Stadt. Kosack, der bei der Stadt Andernach arbeitet, hat die Idee maßgeblich mitentwickelt. Das Konzept ist einfach: Auf öffentlichen Grünflächen, vor allem entlang der Stadtmauer, wachsen Obst und Gemüse. Für jeden zugänglich, denn das ist die Kernidee: Die Stadt pflanzt, die Bürger dürfen ernten.
"Erdbeeren, Zucchini, Mangold, verschiedene Kohlsorten, Kartoffeln, Rote Bete, Sellerie. Also, die ganzen Sachen, die man zuhause aus dem Garten kennt. Und dazu eine Vielzahl an Gehölzen. Wobei wir hier aufgrund des schönen warmen Klimas in Andernach auch sehr wärmeliebende Gehölze nehmen konnten wie Granatapfel und Khaki, die wachsen jetzt hier."
Insgesamt einen Hektar hat die Stadt so bepflanzt. Das reicht natürlich längst nicht, um alle Bürger mit Obst und Gemüse zu versorgen, das weiß auch Kosack. Da helfen auch die zusätzlichen 14 Hektar vor den Toren der Stadt nicht. Was dort geerntet wird, geht zu einem großen Teil in eine Sozialküche, damit auch ärmere Bürger gesund und ökologisch essen können. Beim Konzept der "essbaren Stadt" geht es vielmehr darum, ein Bewusstsein zu schaffen für den öffentlichen Raum. Für die Frage: Wem gehört die Stadt? Aber auch: Wie ernährt man eine Stadt?
Regional statt global
Äpfel aus Neuseeland, Honig aus Lateinamerika, Nüsse aus den USA: Dank Schiff und Flugzeug ist die Auswahl im Supermarkt groß. Die Regale und Frischetheken sind voll - zu jeder Jahreszeit. Geht etwas zur Neige, kommt der Nachschub "just in time". Ein bewährtes System. Und doch hat es einen Schwachpunkt:
"Weil die Städte so gut wie keine Reserven haben."
Erklärt Wilfried Bommert:
"Städte wie Berlin zum Beispiel oder London oder Paris haben höchstens für drei Tage Nahrungsmittelreserven. Wenn drei Tage lang der Nachschub ausfällt oder schwächer wird, sind plötzlich Millionen von Haushalten betroffen."
Bommert ist Buchautor und Vorstand des Instituts für Welternährung in Berlin. Eine kleine Denkfabrik, die sich für eine neue, ökologisch-nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft starkmacht. Regional statt global, lautet die Devise. Bommert, der sich mit diesem Thema schon viele Jahre beschäftigt, spürt rund um den Globus den großen und kleinen Initiativen nach, die ihre Nahrung wieder nah bei sich produzieren wollen. Er erkennt ein grundsätzliches Umdenken:
"Das ist nicht mehr die Globalisierungsdiskussion, die wir vor 15 Jahren geführt haben, wo alles global nur verstanden werden konnte. Wir werden regional wirtschaften, aber wir werden uns global austauschen über unsere Erfahrungen."
Doch auch wenn sich Landwirtschaft in Stadtnähe und Direktvermarktung wegen des gestiegenen ökologischen Bewusstseins oft wieder lohnen - oder auch junge Städter den Schrebergarten wiederentdecken - in der Politik ist das Thema "Ernährung der Städte" noch nicht recht angekommen. Eine Ausnahme sind die Niederlande. Dort diskutiert man, wie es möglich sein kann, dass sich eine Stadt vollkommen autonom versorgt. Amsterdam etwa hat bereits ein Selbstversorgungskonzept entwickelt.
Grünraumbewirtschaftung: schmückendes Beiwerk statt Pflichtaufgabe
In Deutschland sehen zumindest viele Lokalpolitiker das Thema Grünraumbewirtschaftung noch immer eher als schmückendes Beiwerk statt als kommunale Pflichtaufgabe, sagt Lutz Kosack von der Stadt Andernach:
"Dafür sind wir noch zu gut mit Lebensmitteln versorgt. Dafür gibt es zu viele andere Interessen, die im Mittelpunkt stehen. Ich persönlich halte das für immens wichtig, dass die Städte prinzipiell für diese Aspekte mehr Verantwortung übernehmen."
"Das ist etwas, worüber man stärker drüber nachdenken könnte, inwieweit sich eine Kommune ein Nahversorgungskonzept soweit ausrichtet, dass eben auch landwirtschaftliche Flächen eine Rolle spielen."
Erklärt Stephanie Bock vom Deutschen Institut für Urbanistik.
"Das heißt aber, dass die Stadtentwicklung und -planung ihren Fokus wieder etwas weiten müssen. Und die landwirtschaftliche Fläche nicht so als Restfläche zu betrachten, sondern als zukunftsweisende Flächen."
Das geschehe langsam, sagt Bock. Die natürliche Fruchtfolge in Stadtnähe ende nicht mehr automatisch damit, dass der Bauer das Land verkaufe, damit ein Haus darauf gebaut werden könne:
"Weil der Wert landwirtschaftlicher Flächen gestiegen ist. Die Lebensmittelpreise sind gestiegen. Und die Diskussion um erneuerbare Energien und um Biogasanlagen hat auch für Landwirte die landwirtschaftliche Nutzung wieder wesentlich attraktiver gemacht."
Einfuhr von Lebensmitteln stark gestiegen
Weil viele Lebensmittel schnell verderben und die Transportkosten hoch sind, ist der Lebensmittelmarkt zwar weniger stark globalisiert als andere Märkte und viele frische Waren kommen aus heimischem Anbau oder den Nachbarländern. Doch insgesamt hat sich dieDeutschland exportiert zwar viel, gehört aber auch zu den größten Nettoimporteuren der Welt.
Von Dürren, Überschwemmungen und politischen Konflikten mögen Deutschland und auch Europa zwar weitgehend verschont bleiben. Und doch sind sie mittelbar davon betroffen. Denn drei Viertel der Agrarimporte in die EU kommen aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Auch der wachsende Fleischhunger aufsteigender Staaten wie China und eine rasant wachsende Weltbevölkerung machen ein Umdenken notwendig, argumentiert Autor Wilfried Bommert.
Während die Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch immer besseren Dünger und ertragreichere Sorten auf ständiges Wachstum ausgerichtet war, offenbarten sich jetzt die Schwächen dieses Systems:
"Die Schwächen zeigen sich darin, dass es keine zusätzlichen Erträge mehr gibt. Das Wachstum der Erträge liegt bei ungefähr ein Prozent jetzt in der Landwirtschaft. Früher hatten wir drei Prozent. Das Wachstum des Bedarfs liegt aber bei 1,8 Prozent. Die Menschen wollen mehr Getreide, wollen mehr Fleisch und unter Umständen auch Biosprit. Und der Acker, in dem System wie wir es führen, kann es nicht mehr leisten."
Lebensmittel selbst anbauen in Entwicklungsländern
Heute wird rund ein Drittel der weltweiten Landfläche für Ackerbau und Viehzucht genutzt. Wiederum etwa ein Drittel der Weltgetreideernte landet zur Tiermast im Futtertrog. Zeit also, sich Gedanken zu machen, wie die Lebensmittelversorgung der Zukunft aussehen könnte, sagt Bommert. Das gilt besonders für die Städte.
Geht es dabei für die Städte in den reichen Ländern des Westens oft zunächst einmal nur um den Lebensstandard, so ist es für die rasant wachsenden Städte Asiens und Afrikas eine Frage des Überlebens. Im Jahr 2030 werden sieben von zehn Menschen in Städten leben, insgesamt fünf Milliarden. Auf der Südhalbkugel wachsen alle 12 Monate fünf neue Städte heran, die so groß sind wie Peking. Das schafft viele Probleme. Und eines der herausragenden Probleme steht bislang selten auf der politischen Agenda vor Ort, sagt Wilfried Bommert: der Hunger:
"Diese Städte haben kein Ernährungskonzept. Das wären alle x-Millionenstädte, bei denen der größte Teil der Bevölkerung arm ist."
Deshalb wäre gerade in den dicht bewohnten Slums der Entwicklungs- und Schwellenländer viel gewonnen, wenn mehr Menschen ihre Lebensmittel selbst anbauen und ernten könnten. Ideen und Projekte gibt es bereits, zum Beispiel die Sackgärten in Kenias Hauptstadt Nairobi. Erikana Momanyi lockert die Erde für neues Saatgut. In dem schmalen Beet am Rande von Kibera zieht er Setzlinge, die später in Nairobis größtem Slum Früchte tragen sollen:
"Wir haben hier ein Projekt, in dem wir Tomaten pflanzen, Zuckerrohr, Bananen und ganz allgemein Gemüse."
In das frisch gehackte Beet sät der Familienvater Sukuma Wiki. Eine Art blätteriger Kohl, der nicht als Kopf wächst, sondern eher wie Spinat aussieht. Zusammen mit Ugali, dem traditionellen Maisbrei, ist er das Grundnahrungsmittel in Kenia. Die Setzlinge sind für einen ganz besonderen Zweck gedacht, erklärt Edmonto Mugita:
"Was wir hier machen, wird urban farming genannt. Das heißt, das Gemüse wird in Plastiksäcken gepflanzt, nicht direkt in den Boden. Man tut die Erde in den Sack und setzt die Pflanzen dort hinein."
Ein Sackgarten ernährt eine dreiköpfige Familie
In Kibera lebt eine knappe Million Menschen dicht gedrängt auf einer Fläche, die gerade einmal halb so groß ist wie der Central Park in New York. Zwischen die wackeligen Hütten aus Lehm oder Wellblech passen gerade ein paar enge Fußwege, mehr nicht.
"Wir haben nicht genug Platz, die Häuser stehen dicht an dicht. Und der Boden ist nicht sehr fruchtbar. Also haben wir gedacht: Statt zwischen den Steinen etwas anzubauen, beschaffen wir uns Gartenerde und ziehen darin gesunde Pflanzen."
Ursprünglich hat die französische Hilfsorganisation Solidarités das Projekt in Kibera gestartet, die kleine Gärtnerei angelegt und Setzlinge kostenlos verteilt. 2008 war das, kurz nach den Gewaltausbrüchen nach den Wahlen im Jahr zuvor.
"Die Lebensmittelpreise waren sehr hoch, und es waren nicht genug Nahrungsmittel auf dem Markt. Die Leute haben darunter sehr gelitten."
Musa Juma Musa lebt selbst in Kibera und hat geholfen, die Sackgärten in seiner Nachbarschaft populär zu machen. Sein eigenes Exemplar ist beeindruckend: Vor seiner Hütte steht eine drei Meter hohe Sukuma Wiki-Pflanze. In kleinen Plastik-Containern zwischen den Zweigen wachsen Tomaten, Spinat, Avocados und ein paar Erdbeeren. Zum Ernten braucht er eine Leiter.
"Zuerst habe ich nur für mich selbst gepflanzt. Aber weil das jetzt so viel Gemüse ist, teile ich mit meinen Nachbarn. Ich verkaufe es nicht, ich verteile es kostenlos."
Das Prinzip ist simpel: Ein 90-Kilo-Plastiksack wird mit Erde gefüllt. In die Mitte kommen Steine, damit sich das Wasser beim Gießen gleichmäßig verteilt. Dann bohrt man jede Menge kleine Löcher in die Seitenwände. In die und in die Öffnung oben werden die Setzlinge gesteckt.
Bis zu 60 Pflanzen sprießen aus einem Sack
"Dafür braucht man nicht viel Platz. Nur einen Quadratmeter pro Sack. Die Ernte reicht für eine Familie von drei Personen."
50 bis 60 Pflanzen sprießen aus einem Sack. Schon nach ein bis zwei Monaten kann man das erste Mal ernten. Mit ein bisschen Pflege wächst das Gemüse bis zu vier Jahre lang, bevor neue Setzlinge gebraucht werden.
"Bevor wir dieses Projekt hatten, mussten wir viel Geld für Gemüse ausgeben. Wir konnten Gemüse kaufen, aber oft war das nicht genug, sodass wir den Kindern sagen mussten: Esst nicht so viel Gemüse, bis ihr wirklich satt seid."
Jetzt erntet Rachel Kerubo so viel, dass sie einen Teil ihres Gemüses auf dem lokalen Markt verkaufen kann. Zu einem guten Preis, weil sie keine Transportkosten hat. Die meisten frischen Lebensmittel für die Vier-Millionen-Stadt Nairobi haben einen weiten Weg hinter sich, sagt Marktfrau Rachel Kemunto Ongeri:
"Die Preise sind stark gestiegen. Das Benzin ist teurer geworden und damit auch die Transportkosten. Die Geschäfte gehen schlecht. Wir machen weniger Gewinn."
Die lokalen Sackgärtner haben dieses Problem nicht. Knapp fünf Euro zusätzliches Einkommen erzielen sie im Schnitt pro Woche. In Kibera ist das viel Geld. Rachel Kerubo:
"Mein Mann ist sehr stolz auf mich. Eines unserer Kinder geht auf die Universität. Der Garten hilft uns wirklich."
Sackgärten bewässern mit Abwasser
Solidarités hat das Hilfsprojekt aus Geldmangel eingestellt. Edmonto Mugita:
"Wir haben ein paar Probleme, aber wir tun unser Bestes. Das Erste ist, das Saatgut zu kaufen. Das Zweite ist das Wasser zum Gießen, weil wir keinen Wassertank haben."
Viele Sackgärtner in Nairobis Slums nutzen Abwasser für ihre Sackgärten. Das ist frei zugänglich, kostenlos und liefert zusätzlich Dünger. Aber es ist auch schwer belastet mit Schwermetallen aus den anliegenden Betrieben und mit Bakterien aller Art.
Im Projekt von Musa Juma Musa kommt das nicht in Frage. Die Gärtner dort produzieren organisch: Sie düngen mit Kompost. Das Frischwasser liefern lokale Wasserverkäufer.
"Wenn alle Einwohner Nairobis Sackgärten anlegen, gibt es genug Gemüse. Alle könnten frisches und gesundes Gemüse aus dem eigenen Garten essen."
Anbau in Baulücken oder auf Dächern
Frisches Gemüse aus eigenem Anbau - das wünschen sich auch viele Menschen in den wohlhabenden Ländern. Sie ziehen Tomaten auf dem Balkon oder fahren an den Stadtrand, um dort ein angemietetes Stückchen Feld zu beackern. Vielerorts ist das heute möglich. Auch Schrebergärten gelten längst nicht mehr als spießig. Es sind Lösungen im kleinen Maßstab.
Auch im größeren Maßstab könnten die Lebensmittel zukünftig direkt in den Städten wachsen: in Baulücken, auf Dächern. Die Flächen würden reichen, wenn nicht horizontal angebaut wird, sondern vertikal. Übereinander.
Nicolas Leschke steht in einem Berliner Industriegebiet in einem winzigen Gewächshaus, zu dem eine steile Treppe hinaufführt, zwischen Tomatenpflanzen und Zucchini. Es ist warm, die Bewässerungsanlage läuft.
"Das Gewächshaus ist auf einem ausrangierten Schiffscontainer aufgesetzt. Hier befindet sich die Hydroponic. Also die Pflanzen. Das Ganze funktioniert so. Im unteren Teil, dem Container, befindet sich das Fischbecken. Zwei Filter. Da wird das Wasser aufbereitet. Das ist eine klassische Kreislaufanlage."
Aquaponic verbindet Fischzucht und Pflanzenanbau
Die Pflanzen wachsen nicht in der Erde, sondern die Wurzeln liegen direkt im fließenden Wasser. So werden sie mit Nährstoffen versorgt. Die kommen aus dem Fischtank im Untergeschoss. Aquaponic heißt das System. Und ist ideal für den ressourcenschonenden Pflanzenanbau, sagt Leschke. Zum Beispiel in der Stadt.
"Das heißt, man nutzt die Ausscheidungen der Fische und das Abwasser der Fische als Zuwasser für die Pflanzen. Das Gute ist, es enthält schon die Nährstoffe, die die Pflanzen brauchen. Und die Pflanzen verwerten diese Nähstoffe und wachsen dadurch hervorragend."
Auf einer Fläche, nicht weit von der kleinen, zweigeschossigen Testanlage, entsteht gerade ein Neubau. Zukünftig sollen hier auf 1000 Quadratmetern Fische und Gemüse gezogen werden. Verkauft werden soll an Restaurants, aber auch an Privatpersonen. Die Gemüsekiste aus dem Industriegebiet.
"Also, es richtet sich ganz bewusst an bewusst lebenden Städter, die wissen wollen, wo ihre Produkte herkommen, wie sie angebaut worden sind, dass sie höchste Qualität haben, höchste Frische haben und das ist ein wachsender Markt."
Die Gemüsekiste aus dem Industriegebiet
Denn auch dieser Aspekt gehört zur Lebensmittelversorgung in der Stadt aus der Stadt. Es ist ein Geschäft. Erst wenn sich damit wirklich Geld verdienen lässt, wird diese Form der urbanen Landwirtschaft sich verbreiten. Mehrgeschossige Farmen: in Industriegebieten, auf Dächern, integriert in Neubauten.
Das energiesparende Farmhochhaus: Das klingt gut, hat aber einen Haken, monieren Kritiker wie der Buchautor und Umweltjournalist Wilfried Bommert. Die Investitionen sind so hoch, dass es sich nur die Städter in den reichen Ländern werden leisten können. Gerade für die, die das Ernährungsproblem am härtesten treffen wird, wird die Tomate aus der hochtechnisierten Hochhausfarm unerschwinglich bleiben. Nicolas Leschke aber widerspricht:
"Eines unserer großen Ziele ist es, eine Farm zu entwickeln, die absolut light weight, low cost ist, für communities in Entwicklungsländern. Da geht es um Ernährungssouveränität und vor allem Qualität. Dass man sich seine eigene Nahrung herstellt."
Autonome Selbstversorgung in Städten: Utopisch?
Ob aber das Urban Farming allein, also die Landwirtschaft in der Stadt, in Zukunft die Ernährung der Städte sichern kann, daran hat auch Stephanie Bock vom Deutschen Institut für Urbanistik ihre Zweifel:
"Man hat natürlich in der Landwirtschaft das große Problem von Emissionen - auch von Lärm - also, wenn man sich schon alleine spezialisierte Schweinezuchtbetriebe anschaut, dann wird schnell klar, das ist eine Produktionsform, die kann man schlecht in einem hochverdichteten Stadtteil ansiedeln."
Das wäre nur möglich, wenn man hoch industrialisierte Anlagen baute. Komplett abgeschlossen nach außen, hoch effizient nach innen. Agro-Industrie - das Gegenteil der bäuerlichen Landwirtschaft. Auch deshalb sei wohl eher die stadtnahe Landwirtschaft mit immer noch relativ kurzen Wegen zu bevorzugen, sagt Stephanie Bock:
"Dass sich eine Stadt ganz autonom selbst versorgen kann, das halte ich für utopisch. Und vielleicht auch nicht ganz den richtigen Weg."