Thielko Grieß: Bei uns geht es nun um das geplante Versammlungsverbot in Heidenau in Sachsen, erlassen vom Landratsamt Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, gültig von heute Nachmittag an bis Montag früh. Das ist der Stand der Dinge (Anm. der Red.: Das Interview wurde geführt, bevor das Dresdner Oberlandesgericht das Versammlungsverbot für rechtswidrig erklärte). Und die sächsische Polizei sucht - das war die Aussage des Kollegen aus Dresden - nun noch nach Verstärkung, um vielleicht doch noch einmal darüber nachzudenken, ob das Versammlungsverbot sinnvoll ist oder nicht.
Das tun wir jetzt auch, und zwar gemeinsam mit Dirk Panter, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Herr Panter, guten Tag!
Dirk Panter: Schönen guten Tag!
Grieß: Der Freistaat ist nicht in der Lage, ganz offenkundig, ein Grundrecht nach Artikel acht Grundgesetz - das ist die Versammlungsfreiheit - durchzusetzen. Ist das haltbar?
Panter: Aus unserer Sicht ist das nicht haltbar. Das ist ein Unding und wir sind auch gerade dran, da in der Regierung, auf der Regierungsebene zu arbeiten als SPD, dass wir dieses Versammlungsverbot noch mal kippen können, weil wir das nicht für richtig halten.
Grieß: Sie sind der Koalitionspartner in der schwarz-roten Koalition in Sachsen, der kleinere Koalitionspartner. Was haben Sie denn für einen Eindruck, wenn Sie das Gespräch suchen? Wohin geht die Tendenz?
Panter: Momentan bekomme ich mit, dass da intensiv gearbeitet wird. Martin Dulig war ja im Beitrag eben auch schon zu hören. Der ist da auch auf Regierungsebene als stellvertretender Ministerpräsident intensiv dran und ich will guter Hoffnung sein, möchten wir es mal so ausdrücken, dass wir das Versammlungsverbot noch mal abwenden können, weil das darf nicht sein.
Grieß: Sollte sich das Landratsamt jetzt doch noch mal anders entscheiden und womöglich das Versammlungsverbot wieder kippen, was ist das für eine Situation, was ist das für ein Signal? Weiß man es nicht besser? Weiß man nicht, was man tut?
Panter: An sich ist das ein ziemliches Chaos und das freut uns natürlich wenig. Wir wollen gerne da mehr Klarheit haben. Wir haben wichtige Aufgaben hier im Freistaat zu absolvieren, in der ganzen Bundesrepublik. Gerade auf Sachsen wird ja intensiv geschaut nach den letzten Wochen, nach Heidenau vom letzten Wochenende. Deshalb müssen wir uns hier jetzt eigentlich wirklich erst mal auf die Hausaufgaben konzentrieren, die wir zu machen haben, und müssen sicherstellen, dass wir hier auch wirklich eine Willkommenskultur leben, dass wir die Flüchtlinge hier gut willkommen heißen, die Sicherheit gewährleisten und endlich mal in ordentliche Bahnen kommen. Das ist unser Ansinnen als SPD.
"Wir dürfen hier kein Chaos produzieren"
Grieß: Auf die Hausaufgaben oder auch die Aufgaben, die Sie in Sachsen, auch in Heidenau sehen, auf die komme ich gleich noch zu sprechen und da würde ich auch gerne noch fragen. Aber lassen Sie mich kurz noch fragen nach dem Verantwortlichen. Für die Polizei ist verantwortlich der Innenminister, der ist von der CDU, Markus Ulbig. Sie sehen das so, dass er die Sache nicht im Griff hat?
Panter: Ich denke, es geht da nicht um eine einzelne Person. Das war ein Landratsamt, das hier gehandelt hat, und das ist nicht direkt der Innenminister gewesen. Deshalb sind auch diese virtuellen Rücktrittsforderungen etc., glaube ich, nicht hilfreich.
Wir müssen schauen, dass wir alle gemeinsam zusammenstehen und diese Probleme lösen, und solche Dinge nicht noch mal passieren lassen, dass wir hier nicht Chaos produzieren.
Wir müssen schauen, dass wir alle gemeinsam zusammenstehen und diese Probleme lösen, und solche Dinge nicht noch mal passieren lassen, dass wir hier nicht Chaos produzieren.
"Wir müssen kurzfristig handeln"
Grieß: Allerdings hat es in den vergangenen Monaten immer wieder ähnliche Vorfälle gegeben. Wir erinnern uns an eine Demonstration von Legida - das ist der Ableger von Pegida in Leipzig -, die abgesagt worden ist in Leipzig. Begründung dieselbe wie heute: Es stünden nicht genügend Polizeikräfte zur Verfügung.
Panter: Ja. Deshalb versuchen wir ja auch - damit wären wir vielleicht auch bei den Hausaufgaben trotzdem schon -, wir versuchen, da ja gerade dran zu arbeiten, Konzepte vorzulegen, und zwar nicht auf der langen Bank, sondern ganz kurzfristig wie zum Beispiel das Thema Wachpolizei, um die sächsische Polizei zu entlasten, weil offensichtlich ist, dass wir mit den Polizeikräften, die wir haben, momentan nicht auskommen und da müssen wir dann kurzfristig handeln.
Grieß: Was ist das für ein Konzept, die Wachpolizei? Erklären Sie uns das kurz bitte.
Panter: Die Wachpolizei ist ein Konzept, das schon mal vor 10, 12 Jahren aufgelegt wurde. Das bedeutet, dass wir versuchen wollen, durch eine kurze Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten in Bereichen, in denen es nicht so kompliziert ist, eben im Wachschutzbereich, die Polizei, die länger ausgebildet ist, für komplexere Aufgaben freizumachen, einfach mehr Personal zu haben, um das dann an den richtigen Orten einzusetzen. Dieses Konzept existiert schon, es ist schon mal praktiziert worden im Freistaat vor etwas mehr als zehn Jahren, und das wollen wir jetzt kurzfristig wieder aufleben lassen. Wir sind da im Gespräch auch mit dem Koalitionspartner.
Grieß: Also eine Art Hilfspolizei. - Aber warum nicht gleich mehr richtige ausgewachsene Stellen für die sächsische Polizei?
Panter: Das haben wir schon im Rahmen der Haushaltsverhandlungen gemacht. Das war eine wichtige Forderung von uns auch letztes Jahr, als wir an die Regierung gekommen sind. Eine "richtige Polizei" bedeutet ja auch eine längere Ausbildung. Da haben wir einen höheren Einstellungskorridor. Das dauert aber in der Regel auch drei Jahre, bis die dann wirklich auf der Straße sind, diese Polizistinnen und Polizisten. Deshalb müssen wir jetzt aber kurzfristig handeln, um die Situation, auch was den Sicherheitsbereich angeht, in den Griff zu kriegen.
"Wir müssen die Situation in Sachsen in den Griff bekommen"
Grieß: Das ist der Sicherheitsbereich. Jetzt schauen wir auf den Ort Heidenau zum Beispiel. Es gibt andere Orte, Freital und noch andere mehr. Der Kollege Cornelius Pollmer von der "Süddeutschen Zeitung" hat das vor einigen Tagen so formuliert in einer großen Reportage, die er geschrieben hat: Es gäbe verschiedene Phasen. Es gäbe erst mal die Schockphase und dann gäbe es am Ende eine Aufräumphase, wie bei einer Flut zum Beispiel, wenn die Elbe durch Heidenau geschwappt ist. Jetzt geht es irgendwann um das Aufräumen. Wie können Sie von der SPD in Sachsen dieses Aufräumen unterstützen?
Panter: Wir sind ja schon seit Wochen dran, immer wieder auch quasi die Triebfeder zu sein für konkrete Handlungen. Wir haben einen Kabinettsbeschluss auch maßgeblich mit initiiert, wo ganz konkrete Maßnahmen unternommen werden im Bereich Kapazität, im Bereich Integration. Da geht es um Dinge wie Deutsch als Zweitsprache, ein Freiwilliges Soziales Jahr Asyl etc. Da gibt es ganz viele verschiedene Maßnahmen, die wir jetzt kurzfristig angehen müssen, und da sind wir eine absolute Triebfeder als SPD und versuchen, da zu handeln. Und das meinte ich auch vorhin mit Hausaufgaben.
Wir können natürlich jetzt viel Polemik immer hören. Das geht durch die gesamte Presse. Aber das bringt uns ja nicht voran. Wenn Cornelius Pollmer das als Aufräumen bezeichnet, ich würde es lieber als Arbeiten bezeichnen. Wir müssen jetzt wirklich arbeiten daran, dass wir die Situation in Sachsen in den Griff bekommen.
"Dieser Rassismus ist für uns nicht tragbar"
Grieß: Aufräumen ist natürlich auch eine Menge Arbeit, Schwerstarbeit, wenn Sie sich das anschauen, wie oft schon aufgeräumt worden ist in Sachsen. - Jetzt sind Sie als SPD in der Fläche nicht sehr stark. Sie sind dort nicht sehr gut verankert. Wenn Sie jetzt an Ortsbeiräte, an Landräte und so weiter herangehen, da kommt es auf Ihre Kollegen an von der CDU. Können die das?
Panter: Wenn ich jetzt mal als Beispiel den Bürgermeister Opitz von Heidenau nehme, dann ist das ein ganz hervorragendes Beispiel, wie auch ein Kollege von der CDU da als Speerspitze vorne dran steht. Das kann ich nur unterstützen. Das ist vielleicht nicht immer so, aber da müssen wir auch weiter für werben, dass das auch alle tun und alle Demokraten auch zusammenhalten, weil das, was in Sachsen passiert, was letztes Wochenende passiert ist, dieser Rassismus, diese Neonazi-Übergriffe, die organisiert waren, das ist für uns nicht tragbar und da müssen wir ganz klar dagegenstehen.
Grieß: Letzte Frage, Herr Panter. Sind Sie froh an diesem Wochenende, dass Sachsen keine Erstliga-Fußballvereine hat? Das wäre ja auch noch eine zusätzliche Belastung für die Polizei.
Panter: Nein. Ich hätte gerne einen Erstliga-Fußballverein in Sachsen. Und davon abgesehen bin ich grundsätzlich der Meinung, dass ein Staat nicht den polizeilichen Notstand ausrufen sollte, sondern daran arbeiten sollte, dass man genug Polizistinnen und Polizisten hat, um alle Gefahrenlagen zu bewältigen.
Grieß: Sollte oder darf?
Panter: Er muss es haben. Das ist unsere Aufgabe, Punkt!
Grieß: Punkt! - Danke schön, Dirk Panter, der Fraktionsvorsitzende der SPD im sächsischen Landtag, für Ihre Zeit heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk.
Panter: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.