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Sächsische Staatskapelle auf China-Tournee
Mozart und Strauss im Reich der Mitte

Die musikalische Infrastruktur in China wächst. Doch um die neuen Häuser zu bespielen, gibt es noch nicht genügend Sinfonieorchester im Land. Deswegen werden deutsche Orchester eingeladen - unter anderem die Sächsische Staatskapelle.

Von Claus Fischer |
    Reise-Equipment der Sächsischen Staatskapelle
    Eine Woche lang waren die Musiker der Sächsischen Staatskapelle in China unterwegs (Deutschlandradio/Claus Fischer)
    "Die Dresdner Staatskapelle hat eine sehr lange und große Tradition mit Richard Strauss und Richard Wagner und Robert Schumann. Also mit diesem Repertoire kommen wir natürlich immer sehr gut an."
    Jiatong Wu, um die 50, untersetzt, im geschmackvollen Businness-Anzug. Der Chinese betreibt eine Künstleragentur, die im Auftrag des Staates Sinfonieorchester aus Deutschland für China-Tourneen engagiert, darunter auch die Berliner Philharmoniker, sowie das WDR-Sinfonieorchester. Die Sächsische Staatskapelle verpflichtete er aber seit 2011 als einziges Orchester jährlich.
    "Da war am Anfang natürlich die Diskussion: Ja, kann das Publikum also jedes Jahr Karten kaufen usw. Aber es war ein Riesenerfolg, also hintereinander von 2011 bis jetzt, das sind sechs Tourneen und wir machen weiter!"
    "Es begann im Grunde genommen mit einem Besuch von Herrn Wu in Dresden, der erklärte, dass er gern in das Topsegment der Orchester kommen möchte", erzählt Jan Nast, Orchesterdirektor der Sächsischen Staatskapelle auf dem Flug von Dresden nach Shanghai.
    "Und ich hab ihm die Chance gegeben, und er hat sie fantastisch genutzt."
    Konzerte als eine Art Aufbauhilfe
    "Am liebsten bin ich zuhause, aber es ist wahrlich keine Schande, mit der Kapelle zu reisen", sagt Geigerin Barbara Meining mit Augenzwinkern.
    Ihr Kollege Andreas Schreiber, Solobratscher in der Sächsischen Staatskapelle, ist sich bewusst, dass die anstehenden Konzerte auch eine Art Aufbauhilfe sind.
    "Die haben sehr, sehr viele Orchester schon, aber das dauert natürlich auch über Jahre so etwas aufzubauen, dieses Kulturleben, sagen wir mal nach dem westlichen Vorbild. Das sieht man in Japan, wie lange das gedauert hat. Japan hat sich ja viel eher geöffnet als China, China ist ja erst in den 80er-Jahren dazugekommen."
    "Ich habe gemerkt, dass das Publikum sich entwickelt hat", sagte der amerikanische Gastdirigent der Sächsischen Staatskapelle Alan Gilbert nach dem ersten Konzert, das in Shanghai stattgefunden hat. Er war Anfang der 2000er-Jahre zum letzten Mal in China.
    "Es kommt mir vor, als ob die Leute mehr Hintergrundwissen, mehr Erfahrung haben. Die Rückmeldung ist insgesamt enthusiastischer, wärmer."
    Das lag vielleicht auch daran, dass der Solist in allen vier Konzerten der Staatskapelle in China ein Megastar ist, der Pianist Yundi. Im Jahr 2000 hat er unter seinem damaligen Namen Yundi Li als erster Chinese den renommierten Chopin-Wettbewerb in Warschau gewonnen. Heute ist er vor allem als Entertainer aktiv, hat im ersten chinesischen Fernsehen eine Show, bei der er in leicht verdaulichen Häppchen klassische Musik vorstellt und mit der er ein Millionenpublikum erreicht. Der Anteil chinesischer Teenagerinnen im Publikum der vier Konzerte war demzufolge frappierend.
    "Große Namen helfen natürlich, also man braucht immer große Stars", betont Jiatong Wu, der die Tournee organisiert hat.
    Die pianistischen Leistungen von Yundi waren allerdings nicht mit denen von Anfang der 2000er-Jahre zu vergleichen. Erst beim letzten der vier Abende demonstrierte er in Mozarts A-Dur-Klavierkonzert KV 488 die nötige Präzision und Musikalität in annehmbarer Weise.
    Unterschiedliche Säle und unterschiedliches Publikum
    Das Grand Theatre in Shanghai, in dem das erste Konzert stattfand, ist ein futuristischer Bau mit viel Glas, überspannt von einem bogenförmigen Dach – eine Reminiszenz an die klassische chinesische Pagode. Innen ist es ebenfalls traditionell gehalten, die Sitze mit rotem Samtbezug, die Ränge mit Holzgeländern im chinesischen Stil. Die Akustik ist mit der Berliner Philharmonie oder des Leipziger Gewandhauses vergleichbar. Weniger gut klingt der neue Konzertsaal in der Provinzstadt Hangzhou, etwa 100 Kilometer von Shanghai entfernt, meint Dirigent Alan Gilbert.
    "Er war sehr hallig, ich bin mit ihm auch nicht gut klargekommen. Es ist natürlich auch nicht leicht, mit nur 30 Minuten Anspielprobe alle Probleme zu lösen."
    Auffallend war, dass sich das Publikum in Hangzhou wesentlich unruhiger verhielt als in Shanghai oder später in Peking. Viele Besucher saßen mit ihren Handys im Konzert - und die wurden auch nicht eingepackt, als das Orchester spielte. Jiatong Wu, der Organisator der Tournee, kennt die Ursache.
    "Hangzhou ist natürlich eine kleine Stadt. Also die Entwicklung braucht immer Zeit, und auch die Erziehung des Publikums, also wie man sich in einem Konzert benimmt, wie man klassische Musik anhört – das braucht ein bisschen Zeit!"
    Das kann auch Uwe Günther nachvollziehen. Der Ingenieur aus Leipzig arbeitet zurzeit in Südchina und freute sich, ein Orchester aus seiner sächsischen Heimat zu hören.
    "Also vor zehn Jahren, da hatte hier noch niemand ein Auto. Diese Veränderungen sind halt extrem schnell hier. Es ist gut, dass sich die Leute damit beschäftigen. Man sieht halt sehr normale Leute hierherkommen und sich die Kultur halt anschauen."
    Ziel und Endpunkt der diesjährigen China-Tournee der Sächsischen Staatskapelle war die Hauptstadt Peking. Man gastierte im Nationalen Zentrum der Darstellenden Künste, gelegen zwischen dem Tienanmen, dem Platz des Himmlischen Friedens, und den Kaiserpalästen der Verbotenen Stadt. Einem riesigen Bau mit filigraner Glasfassade, der wie ein halbes liegendes Ei aus der Erde herausragt, in einem Wasserbecken schwimmt und in puncto Akustik mit der Berliner Philharmonie vergleichbar ist.
    Kulturaustausch auf musikalischer und sportlicher Ebene
    Einige Musiker der sächsischen Staatskapelle besuchten aber auch noch einen anderen Saal, nämlich den des Nationalen Chinesischen Traditionsorchesters. Dessen Repertoire, so betont Tournee-Organisator Jiatong Wu, speist sich aus zwei jahrtausendealten Quellen.
    "Einmal vom Kaiserhof. Das ist also diese Hochkultur. Und dann gibt es das Volkstümliche. Und was Sie hier sehen, ist ein Versuch, dass man die zwei Sachen verbindet."
    Bis zur Kulturrevolution wurden sowohl die höfische Musik als auch die Volksmusik in China nur von kleinen Ensembles gespielt. Das Nationale Chinesische Traditionsorchester mit rund 30 Musikern, die traditionelle Instrumenten wie Pipa oder Guqin spielen, war das erste seiner Art und gilt bis heute als das beste.
    Nationalen Chinesischen Traditionsorchesters
    Einige Musiker der sächsischen Staatskapelle besuchten auch den Saal des Nationalen Chinesischen Traditionsorchesters (Deutschlandradio/Claus Fischer)
    "Also ich find's unglaublich interessant, mit welcher Perfektion die chinesischen Kollegen ihre Instrumente beherrschen", sagt Annett Baumann, Geigerin in der Sächsischen Staatskapelle und ihr Kollege Holger Grohs, sieht das ähnlich.
    "Was für mich einfach auch interessant ist, ist, wie sie einfach auch mit einer ganz anderen Emotionalität an die Sache herangehen. Also man merkt, dass sie darin zuhause sind und der Ausdruck absolut authentisch rüberkommt."
    Der Besuch der Sächsischen Staatskapelle beim Nationalen Chinesischen Traditionsorchester am Ende ihrer Tournee zeigte vor allem eines: Es ging eben doch nicht nur darum, europäische Musikkultur nach China zu bringen, sondern auch um die Begegnung zweier sehr unterschiedlicher Kulturen. Und die fand - das muss noch erwähnt werden - auch im Fußballstadion statt. In Shanghai spielte nämlich eine gemischte Mannschaft aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle und der Berliner Philharmoniker gegen die Elf des dortigen Sinfonieorchesters. Am Ende siegte Deutschland mit 4:0.