"Aber am Anfang waren sie ... enttäuscht!"
Und das soll Afrika sein? Beim Blick durchs Hüttenfenster kann man nur höchstens zwanzig Meter weit gucken. Überall Nebel! Ein kräftiger Wind treibt weiße Schwaden vor sich her. So ungefähr fühlen sich die Alpen bei schlechtem Wetter an. Es ist kalt. Wir hätten gut daran getan, mit den bereit gelegten Holzscheiten ein Feuerchen im Kamin anzuzünden!
Das also ist Swaziland, der Zwergstaat im Süden Afrikas, der ganz von der Republik Südafrika und Mozambique umschlossen ist. Unsere Hütte liegt auf tausend Metern im Malolotja-Nationalpark.
Ohne Mobilfunk-Empfang, aber doch mit Stromanschluss. Auf den rot glühenden Spiralen des wuchtigen südafrikanischen Herdes brutzelt unsere Gemüsepfanne.
Am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei. Die Sonne leuchtet eine wolkenlose Szenerie aus: ein Hang mit einem Dutzend ziegelgedeckter Holzhütten, hügeliges Grasland, und mitten drin Haufen glatter runder Felsen. Als hätte sich eine Flusspferd-Familien ins Gebirge verirrt. Eine Katze streicht ums Haus.
In der Ferne bewegt sich was! Blessböcke! Die eleganten Antilopen zupfen zwischen den Felsbuckeln frisches Grün.
Nun kann uns nichts mehr halten. Schließlich sind wir zum Wandern her gekommen! Wir schnüren die Stiefel, packen Wasserflaschen und Kekse in den Rucksack und laufen hinunter zum Haupttor, um Informationen einzuholen. Ranger Fortune Manana kommt aus seinem Büro an den Tresen.
"Es ist absolut ungefährlich im Park. Uns wurde noch nie von gefährlichen Tieren oder von ungebetenen Gästen berichtet. In Malolotja gibt es nur wenige Raubtiere, allenfalls Leoparden. Aber die sind sehr scheu und haben sich, so lange es den Park gibt, noch mit niemandem angelegt!"
180 Quadratkilometer großer Nationalpark
Mit etwas Glück verspricht der Ranger, könnten wir Elenantilopen, Gnus und die scheuen Rotducker sehen. Und natürlich Vögel, darunter bedrohte Piepmätze wie die Blaue Schwalbe. Sich zu verirren sei praktisch unmöglich. Man müsse in dem 180 Quadratkilometer großen Gelände nur auf den Pfaden bleiben und nach Türmchen aus aufgeschichteten Steinen als Wegweisern Ausschau halten.
Gleich hinter der Hütte führt eine sanft ansteigende Huckelpiste zwischen glatten Felsen, Buschgruppen und Grasplacken mit rot leuchtenden Proteen zu einem Aussichtspunkt. Beim Näherkommen weichen die Blessböcke gemächlich zurück, als seien sie eine an Wanderer gewöhnte alpine Kuhherde.
Es geht auf schmalem Pfad auf roter Erde steil hinab zu einem Bächlein, das dem Malolotja-Fluss zuströmt. Wasser gibt es hier übrigens genug; in diesem Teil von Swaziland fällt so viel Niederschlag wie an der Küste Irlands. Drehfrucht-Büsche mit rotorange leuchtenden, trichterförmigen Blüten stehen am Wegesrand. In der Senke ist es fast windstill, man kann sich entspannt ins trockene Buschgras setzen, selbst Schlangen sind selten.
Einzelwanderungen verboten
Malolotja ist erst seit 1974 Nationalpark. Die rötlichen Felsen zeugen von Erzvorkommen. Bereits vor 40.000 Jahren wurde in der nahen Ngwenya-Mine Eisenerz abgebaut, das ist eine der ältesten Förderstätten weltweit. Später weideten Bauernfamilien ihre Schafe im Gelände. Heute gibt es 18 über das Parkgelände verteilte Rastplätze, an denen Besucher auch im eigenen Zelt übernachten können. Aber niemals Einzelwanderer, da ist die Parkverwaltung streng!
Auf der Fahrt in ein weiteres Wanderparadies passieren wir Swazilands gesichtslose Hauptstadt Mbabane. Bis in die 1990-er Jahre, als jenseits der Grenze in Südafrika die Apartheid herrschte, war Swaziland ein wichtiges Rückzugsgebiet. In dem kleinen Königreich konnten sich Anti-Apartheid-Aktivisten vor Südafrikas Polizei verstecken. Aber auch Paare unterschiedlicher Hautfarbe fanden in Swazilands Hotels Unterschlupf.
Zu denen, die in den 1980er-Jahren nach Swaziland emigrierten, gehören auch Tony Marshak und Bernard Abramowitz.
"Swaziland hat immer seine Würde gewahrt, weil Swaziland niemals unter das Apartheid-Regime fiel. Es war früher britisches Protektorat, und sie hatten immer ihre eigenen Könige."
Die beiden Männer aus Südafrika betreiben im Herzen des Landes eine Kerzenmanufaktur. Dabei wenden sie die uralte, aus der Herstellung bunter Gläser bekannte "Millefiori"-Technik auf Kerzen an. Aus farbig durchgefärbten Wachsblättern kneten 60 Angestellte Pyramiden, Zebras und Elefanten - alle mit Docht.
"Du musst all die Formen im Kopf haben. Du musst wissen, wie ein Elefant aussieht, dich hinsetzen und anfangen!"
Mduduzi Mnisi knetet in fünf Minuten aus einer grauen und einer weißen Wachsplatte einen kleinen Elefanten.
"Hier ist das Rohmaterial. Manche Leute glauben, unsere Kerzen seien bemalt. Aber wir malen niemals! Jede beliebige Form - Elefant, Nashorn, was auch immer, geht aus einem runden Wachsball wie diesem hervor!"
Die Kerzen behalten beim Abbrennen lange ihre Form. Mit eingesetzten Teelichtern kann man ihre Lebensdauer noch verlängern - ein nachhaltiger Hit für Europas Weihnachtsmärkte! Nur einen Katzensprung von Malkerns, dem Dorf der Kunsthandwerker, entfernt liegt der private Mlilwane Naturschutzpark. Er ist kleiner als Malolotja, aber viel belebter und touristischer. Besucher schlafen in strohgedeckten Rundhütten, die traditionellen Vorbildern nachempfunden sind und wie übergroße Bienenkörbe aussehen. Muntere Warzenschweine kreuzen ständig die Wege. Zum Baden lädt der Teich mit Froschkonzert beim Restaurant nicht gerade ein. Aber kein Zweifel: Wir sind mittendrin im Tierreservat!
Nur ein Löwe im gesamten Park
"Ich heiße I-I Sikelo, aber ich sag´ meistens: Sikelo. Ihr habt ja nicht diesen Klicklaut!" Sikelo Dlamini, 28 Jahre alt, zeigt die Sehenswürdigkeiten im Park
"Schauen Sie den Berg da vorn? Die Felsen auf dem Kamm sehen aus wie ein Löwe, der in die Ferne blickt!"
Mit etwas Fantasie ist das wirklich ein "Löwenfelsen": das aufgerissene Maul, die mächtige Mähne!
"Das ist der einzige Löwe, den wir hier haben. Dieser Löwenkopf ist ein Hinrichtungsfelsen. Weil Swaziland arm war und früher keine Gefängnisse besaß, hat man hier Menschen hingerichtet. Wer einen Mord begangen hatte, wurde auf den Löwenkopf geführt und dann zur Strafe hinabgestoßen."
Sikelo Dlamini ist unbewaffnet. Er erzählt, wie der Wildpark bereits in den 1950er Jahren aus einer Privatinitiative entstand. Wie man Tiere herbrachte, die anderswo bedroht waren. Und wie man später eine Marktlücke entdeckte: einen Wildpark vor allem für Wanderer.
"Unsere Gäste beklagten sich: "In den Städten können wir nicht spazieren gehen - überall Beton! Wegen der vielen Autos wollen wir auch nicht radfahren."
Da haben wir beschlossen: Wir machen dieses Reservat zu einem Wanderpark mit Wegen, die man auch gut allein gehen kann."
Sicher, aber trotzdem kein Streichelzoo
Freilich, ein Streichelzoo ist Mlilwane nicht. Zwar gibt es keine Löwen, Büffel, Nashörner und Elefanten. Aber es lassen sich durchaus Tiere blicken, denen man besser nicht zu nahe kommt. Wie dieses Krokodil, das da auf der Landzunge eines nahen Teiches das Maul sperrangelweit aufreißt.
"Sie verlassen ab und zu das Wasser, weil sie Kaltblüter sind. Sie brauchen die Sonnenwärme, um ihre Körpertemperatur aufzuheizen. Wenn sie das Maul aufreißen, heißt das: Mir ist nicht warm genug. Es heißt nicht: Ich habe Hunger!"
Wir sind also gar nicht gemeint, sagen wir uns, als wir in einiger Entfernung an der sonnenhungrigen Panzerechse vorbei schleichen.
"Tagsüber ist es sehr, sehr sicher. Wir sind 15 Meter vom Tümpel entfernt. Diese Wege sind so angelegt, dass die Entfernung für Krokodile zu weit ist."