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Safe-Harbor-Abkommen
"NSA lässt sich vom Urteil nicht beeindrucken"

Auch wenn der Europäische Gerichtshof das Safe-Harbor-Abkommen zum Datenverkehr zwischen Europa und den USA für ungültig erklärt hat, wird der Datenfluss in die USA nicht aufhören, meint IT-Journalist Peter Welchering. Es gebe durchaus Alternativen für Unternehmen. Und die amerikanischen Geheimdienste ließen sich davon sowieso nicht beeindrucken.

Peter Welchering im Gespräch mit Uli Blumenthal |
    Datenzentrumschef Joel Kjellgren läuft durch die Serverräume im schwedischen Lapland.
    Datenzentrum in Lappland. (AFP / JONATHAN NACKSTRAND)
    Uli Blumenthal: Am Dienstag haben die Richter des Europäischen Gerichtshofes das Safe Harbor genannte Datenabkommen der EU mit den USA für ungültig erklärt. Jetzt, zwei Tage später, sind die Folgen dieses Urteils deutlicher abschätzbar. Kommt der Datenstrom von Europa in die USA auf absehbare zum Erliegen, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Da gibt es keinerlei Anzeichen dafür. Die vom Safe-Harbor-Abkommen betroffenen rund 5.000 europäischen Unternehmen machen von mehreren alternativen Möglichkeiten zur legalen Datenübermittlung in die USA Gebrauch. Also, da strömen die Daten nach wie vor.
    Blumenthal: Um welche Alternativen für die Datenübermittlung handelt es sich denn da?
    Welchering: Größere Dienste und soziale Plattformen setzen da auf die Einwilligung der Betroffenen. Das heißt, sie informieren ihre Nutzer darüber, dass seine personenbezogenen Daten in die USA transferiert und dort verarbeitet werden und lassen sich das von ihm genehmigen. Zweite Möglichkeit: Zwischen dem europäischen Unternehmen, das die Daten in die USA liefert, und dem amerikanischen Unternehmen, das die Daten verarbeitet, wird ein Vertrag geschlossen. Und Bestandteil dieses Vertrages sind die sogenannten Standardvertragsklauseln, die die EU-Kommission für die Übermittlung von personenbezogenen Daten in Drittländer festgelegt hat. Drittens haben größere internationale Konzerne Datenschutzregeln verabschiedet, die dem EU-Standard entsprechen. Wenn die zuständige Datenschutzbehörde diese Konzernregeln abgenickt hat, dürfen Daten in die USA übermittelt werden.
    Blumenthal: Wie funktioniert denn die Einwilligung der Betroffenen, die sich soziale Plattformen und Internet-Dienste holen?
    Welchering: Rein technisch gesehen wird ein Text in die Benutzermaske integriert. Dieser Text weist auf die Übermittlung in die USA und Verarbeitung der Daten dort hin. Und der Nutzer muss mit einem Mausklick bestätigen, dass er dieser Übermittlung und Verarbeitung zustimmt. Da wird also ein Häkchen gesetzt. Diese Art der Zustimmung gilt als machbar. Problematisch ist es, wenn die Einwilligung irgendwo als einer von 137 Punkte in den AGBs auftaucht und die AGBs dann insgesamt mit einem Mausklick bestätigt werden müssen. Da sind die meisten Datenschützer der Meinung, dass solch eine allgemeinen Zustimmung nicht den Forderungen genügt, die der § 4 BDSG an solch eine Einwilligung stellt, nämlich, dass solche eine Einwilligung frei von Zwang, widerruflich und in Kenntnis der Sachlage erfolgt.
    Entscheidung des EuGH zur Unzeit?
    Blumenthal: Das Safe-Harbor-Abkommen stand ja schon seit Längerem in der Kritik. Warum hat die EU-Kommission, warum hat die Bundesregierung da eigentlich nicht reagiert?
    Welchering: Sie sind nicht ganz untätig geblieben. Immerhin verhandelt die EU-Kommission ja schon seit einiger Zeit ein neues Safe-Harbor-Abkommen mit den USA. Deshalb gab es ja auch Kritik an der jetzigen Entscheidung des EuGH, sie komme zur Unzeit, weil die Verhandlungen über ein schärferes Safe-Harbor-Abkommen ja kurz vor dem Abschluss stünden. Und da sei dieses Urteil jetzt gewissermaßen reingehagelt und erschwere die weiteren Verhandlungen. Die Bundesregierung hat auf die Zuständigkeit der EU-Kommission verwiesen und ist deshalb in Sachen Safe Harbor schlicht untätig geblieben. Das Safe-Harbor-Abkommen stammt ja aus dem Jahr 2000. Sehr massive Kritik gab es bereits ab dem Jahr 2005, die hat sich natürlich in Folge der Snowden-Enthüllungen ab 2013 noch verstärkt.
    Blumenthal: Hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, das Safe-Harbor-Abkommen für ungültig zu erklären, denn Auswirkungen auf die amerikanische Politik?
    Welchering: Keine feststellbaren. Erstens: Die US-Unternehmen bekommen über drei alternative Wege ja nach wie vor ihre Daten aus Europa. Zweitens: Der europäische Digitalkommissar sieht sich ja selbst nicht einmal in einer starken Verhandlungsposition gegenüber den Amerikanern und entsprechend schwach bleiben seine Forderungen. Drittens: Die amerikanischen Nachrichtendienste, allen voran die NSA, lassen sich von einem Urteil eines EuGH kaum beeindrucken und setzen ihre nachrichtendienstliche Datenverarbeitung einfach weiter fort. Und dagegen hat ja weder eine EU-Kommission noch eine Bundesregierung wirklich etwas unternommen bisher.