Das neue Regelwerk soll idealerweise für alle 27 Millionen Mitglieder in Sportvereinen in Deutschland gelten. Das Ziel: Alle Menschen sollen Sport treiben können, ohne dass sie dort physische, psychische oder sexualisierte Gewalt erfahren.
Wieso ein solcher Code notwendig ist: Der Sport funktioniert nach Regelwerken, im Fußball, Handball im Fechten oder im Turnen. Und so brauchen die Verantwortlichen auch in diesem Bereich etwas, woran sie sich orientieren und bei Fehlverhalten rechtssicher Strafen aussprechen können.
Regeln erstmals niedergeschrieben
Michaela Röhrbein, DOSB-Vorständin Sportentwicklung, sagt: „Das ist das Neue dabei, dass wir Normen haben, die eben genau definieren: Das und das geht nicht, und wenn du das und das tust, folgt das.“
Für den DOSB und den gesamten unter seinem Dach organisierten Sport soll der Safe Sport Code jetzt diese Grundlage für den Umgang mit Gewaltfällen im Sport werden. Das gilt dann auch für solche Fälle, die nicht strafrechtlich relevant sind.
Der Code soll zunächst auf der Mitgliederversammlung am 7. Dezember in den Statuten des DOSB verankert werden.
Im Safe Sport Code sind sogenannte Muster-Verhaltensregeln niedergeschrieben.
Darin sind allgemeine Umgangsregeln, aber auch konkrete Szenarien enthalten, zum Beispiel
- Keine herabwürdigenden, beleidigenden Äußerungen und keine Verwendung sexistischer Sprache
- Bei minderjährigen Sportlerinnen und Sportlern dürfen Sorgeberechtigte grundsätzlich beim Training zusehen
- Hilfestellungen und Korrekturen mit Körperkontakt müssen beim ersten Mal angekündigt und erklärt werden
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nicht mit minderjährigen Athletinnen und Athleten duschen, sie gehen nicht zusammen in die Sauna und übernachten nicht in einem Raum
Sofortmaßnahmen bei Verstößen gegen den Code umfassen Platzverweise, Suspendierungen und ein Betreuungsverbot. Im Anschluss soll dann ein Disziplinarverfahren Klärung bringen.
Beleidigungen nicht strafrechtlich relevant, jetzt aber sanktionierbar
Bekämpft werden sollen auch Fälle von Trainerinnen oder Trainern, die ihre Macht ausnutzen und durch Herabwürdigung oder Verspottung seelische Gewalt ausüben. Beispiel: Wenn ein Trainer oder eine Trainerin eine Athletin oder einen Athleten als „fette Sau“ bezeichnet, ist dies noch nicht unbedingt strafrechtlich relevant. Durch den Code ist es aber als Beleidigung oder Demütigung definiert. Personen, die dies mitbekommen, haben mit dem Code die Pflicht, das zu melden.
Sportrechtler Martin Nolte hat an dem Code mitgearbeitet und beschreibt es als „nicht schweigen zu dürfen, sondern weiterzugeben, damit diese Kultur des Schweigens aufgebrochen werden kann.“
Und auch Handlungen, die zwar verboten sind, aber für die es bisher keine Handhabe gibt, werden nun eindeutig geregelt - wie zum Beispiel, wenn der Turntrainer seiner Athletin bei der Hilfestellung immer wieder an die Brust oder den Genitalbereich greift. Das soll laut DOSB mit dem Safe Sport Code rechtssicher sanktioniert werden.
Wenn dies tatsächlich umgesetzt wird, könnte das Vertuschen von Fällen – etwas, das den Sportorganisationen immer wieder vorgeworfen wird - gemäß dem Code bestraft werden, zum Beispiel mit Lizenzentzug oder Vereinsausschluss oder Sperre.
Athleten Deutschland begrüßen Code, aber kritisieren Strukturen innerhalb des Sports
Athleten Deutschland, die Interessenvertretung der Leistungssportlerinnen und Sportler, waren bei Beratungen zum Code beteiligt. Sie begrüßen den Code grundsätzlich. Und ihr Vertreter Maximilian Klein spricht von einem großen Schritt nach vorn. Allerdings weist er auch darauf hin, dass der Umgang mit solchen Fällen nicht ausschließlich innerhalb der Sportstrukturen geregelt werden sollte.
„Zwangsläufig sind alle externen Akteure, dazu gehören wir, am kürzeren Hebel. Das ist vollkommen klar, weil die Entscheidungen von den Sportorganisationen getroffen werden.“
Klein plädiert dafür, auch unabhängige Instanzen, wie das entstehende Zentrum für Safe Sport in die Bearbeitung der Fälle mit einzubeziehen.
Betroffene fühlen sich erneut den Regularien des Sports ausgeliefert
Und auch vonseiten betroffener Athletinnen und Athleten kommt massive Kritik am Prozess, wie der Code zustande gekommen ist. Sie seien zu runden Tischen etwa nicht eingeladen worden.
Und: Wenn Betroffene einen Übergriff melden möchten, können sie das nach dem Code nur bei der Sportorganisation tun und nur nach deren Verfahrensregeln. Eine Wahl einer unabhängigen Stelle für Betroffene sei im Code nicht vorgesehen, erklärt Angela Marquardt aus dem Betroffenenrat der Missbrauchsbeauftragten: „Betroffene müssen sich erneut unterwerfen und sind abhängig von der Entscheidung der Institution.“
Ein Regelwerk, in dem sich die entscheidenden Positionen oder Personen wiederfinden, ist der Safe Sport Code damit also noch nicht.
Der DOSB betont aber, der Safe Sport Code sei ein dynamisches Regelwerk, das fortlaufend angepasst werde. Bis alle Vereine den code akzeptiert und umgesetzt haben, wird es wohl noch Jahre dauern.