Seit einigen Jahren ist die sogenannte #MeToo-Berichterstattung ein eigenes Genre im Journalismus. Dabei recherchieren Medien zum Beispiel zu sexuellen Straftaten und Machtmissbrauch. Lange war dann immer von Opfern die Rede, wenn man von den Geschädigten sprach.
Mittlerweile verzichten viele Journalistinnen und Journalisten auf den Begriff. Sie geben dafür meist drei Gründe an: erstens die negative Nebenbedeutung, die der Begriff heute hat. Opfer klingt passiv und unmündig, sagen sie, und wird auch als Schimpfwort gebraucht. Das passt zu einem journalistischen Klischee, dass Frauen häufig als passiv und schwach dargestellt werden, mit negativen Folgen dafür, wie andere und sie selbst sich wahrnehmen.
Nicht passiv sein
Zweitens, weil die Menschen, die über Taten reden, die ihnen angetan wurden. Ja, ausgerechnet das nicht mehr sein, passiv. Sie befreien sich aus einer Rolle, die sie sich nicht ausgesucht haben und werden aktiv. Ohne ihr Handeln würden sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch selten bekannt.
Und drittens, weil der Begriff Opfer sehr auf die Tat bezogen sei. Dabei hat diese oft jahrelange Folgen, auch für das Umfeld. Viele Journalistinnen und Journalisten nutzen stattdessen heute den Begriff Betroffene. Er klingt für einige zwar auch passiv, aber harmloser als Opfer.
Betroffene oder Überlebende
Manche Betroffene nutzen auch den Begriff Überlebende für sich selbst, der aus journalistischer Sicht vielleicht zu parteiisch klingt. Medien könnten die Protagonistinnen fragen, wie sie sich am besten beschrieben fühlen.
Wichtig ist auch das Wort mutmaßlich, also mutmaßlich Betroffene. So wie für die mutmaßlichen Täter die Unschuldsvermutung gilt, gilt das auch für die mutmaßlich Betroffenen. Ohne Tat - keine Geschädigten.