Olaf Scholz hat es getan, genauso wie Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier. Sie alle sprechen von den jüdischen „Mitbürgern“. Ein Wort das fast ausnahmslos in der Bezeichnung von Juden auftaucht. In seltenen Fällen ist auch mal von „muslimischen Mitbürgern“ oder „ausländischen Mitbürgern“ die Rede.
Aber ansonsten gibt es keine „Mitbürger“ in Deutschland, keine christlichen, agnostischen oder atheistischen Mitbürger. Denn sie alle sind: Bürger. Oder Nachbarn. Oder Einwohner. Oder Menschen.
Das Ziehen einer sprachlichen Grenze
Wer den anderen mit einem vorgesetzten Adjektiv als „Mitbürger“ bezeichnet, zieht eine Grenze zwischen sich und ihm, zwischen sich und „dem Anderen“, dem er aber verbal in paternalistischer Pose wohlmeinend auf die Schulter klopft. Man sagt ihm dabei, dass man selbst „normal“ sei, der andere aber irgendwie anders. Oder auch schwächer, betreuungsbedürftig.
Und dann gibt es da noch die „Mitbürger jüdischen Glaubens“, „jüdische Menschen“, „Menschen jüdischer Herkunft“ – früher auch noch „Mitbürger mosaischen Glaubens“. Nein, „Jude“ ist kein Schimpfwort. Wer das Wort bewusst vermeidet, der suggeriert aber, dass das Wort lieber nicht ausgesprochen werden sollte.
Jude ist kein Schimpfwort, sondern Selbstbezeichnung
Aber „Juden“ ist die Bezeichnung für eine Menschengruppe mit gemeinsamer Religion und Kultur. Es ist ihre Selbstbezeichnung. Und, nein, nicht jeder Jude glaubt an einen Gott. Und bleibt doch: Jude. Und so sollten wir sie auch benennen. Sonst landen wir irgendwann noch vor lauter verschämter Verdruckstheit beim „J-Wort“.