Sagen & Meinen
"Unglück" ist oft eine unglückliche Formulierung

Wenn Medien über "Unglücke" berichten, suggeriert das Schichsalhaftigkeit. Oft stellt sich später heraus, dass es vermeidbar gewesen wäre. Solange sie die Ursache nicht kennen, sollten Journalisten anders formulieren, meint Stefan Fries.

Von Stefan Fries |
Zwei große Kräne heben am 4.6.1998 in Eschede einen der vier verkeilten Wagen des verunglückten ICE in die Höhe.
Als schwerstes "Zugunglück" Deutschlands in die Geschichte eingegangen: Der Eisenbahnunfall 1998 bei Eschede gilt als vermeidbare Katastrophe. (picture-alliance / dpa / Kay Nietfeld)

Wenn es große Unfälle gibt – etwa von Zügen oder Flugzeugen – sprechen Medien oft von „Unglück“: ein Zugunglück, ein Flugzeugunglück. Das ist nicht falsch, denn für Betroffene und Angehörige von Verstorbenen und Verletzten bedeutet so etwas immer Unglück.
Der Begriff suggeriert aber auch, dass es sich um ein schicksalhaftes Ereignis handelt. Um etwas, das man nicht verhindern konnte. Das aber ist in vielen Fällen falsch.
Oft stellt sich erst später heraus, dass es um vermeidbares Unglück ging. Weil Technik nicht rechtzeitig auf den neuen Stand gebracht oder bereits bekannte Schäden nicht behoben wurden. Weil unqualifiziertes Personal eingesetzt wurde – oder gar keins, wo es welches gebraucht hätte. Weil Personen einfach aufs Gleis gelaufen sind.
Auch wenn ein Unfall oft ein Unglück ist: Solange Medien nicht wissen, was dazu geführt hat – und das wissen sie kurz danach nie – fahren sie besser mit dem sachlichen Begriff „Unfall“.