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Medienkritik
Kaum Berichterstattung über den Sahel-Einsatz der Bundeswehr

Über den Einsatz der Bundeswehr in der Sahel-Region berichten Medien nur wenig und viel zu oberflächlich, kritisierte Afrika-Journalist Lutz Mükke im Dlf. Dabei trügen sie gerade beim Thema Kriegseinsätze große Verantwortung. Öffentliche Meinungsbildung beeinflusse schließlich politische Entscheidungen.

Text: Nina Magoley | Lutz Mükke im Gespräch mit Mirjam Kid | 02.05.2022
Bundeswehrsoldaten stehen an einem NH90-Hubschrauber im Camp Castor in Gao während des Besuchs der Verteidigungsministerin. Die Bundeswehr ist in dem westafrikanischen Land an der UN-Mission Minusma und der EU-Ausbildungsmission EUTM beteiligt.
Bundeswehrsoldaten in Mali (picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)
Deutschland unterstützt die Sahelregion im Norden Afrikas seit Jahren. Die Bundeswehr engagiert sich in den dortigen G5-Staaten Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und dem Tschad. Im Mai will der Bundestag darüber entscheiden, ob der Einsatz der Bundeswehr in der Sahel-Zone fortgesetzt werden soll oder nicht.
Wie wichtig und weitreichend diese Entscheidung sein wird, ist vielen Menschen hierzulande allerdings kaum bewusst. Afrika als Thema findet in den Medien kaum statt. Und das nicht erst durch die Wucht der Berichterstattung seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Schon zuvor taugte das sogenannte Sahel-Mandat der Bundeswehr offenbar nur selten für längere Berichte.
Anlass für den Afrika-Journalisten Lutz Mükke, die Medienberichte über die Sahel-Einsätze der Bundeswehr genauer zu untersuchen. Im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung betrachtet Mükke dafür die Online-Ausgaben von vier Medien: "Zeit", FAZ, "Bild" und Tagesschau. Sein Fazit: Hintergründige Recherche oder investigative Reportagen - Fehlanzeige. Korrespondenten berichten von weit entfernten Standorten aus, afrikanische Experten kommen kaum zu Wort. Mükke spricht gar von einer "Verwahrlosung der Berichterstattung über die Sahel-Konflikte".

Korrespondenten tausende Kilometer entfernt

Eine Expertengruppe aus Niger, Mali und Deutschland hätten 41 Artikel rund um die Bundestagsabstimmung zum Sahel-Einsatz im Jahr 2021 analysiert, erklärt Mükke im Dlf-Interview. Das ernüchternde Ergebnis: Keine Recherche vor Ort in Sahel, keine hintergründigen Reportagen oder investigative Recherchen. Die berichtenden Korrespondenten hätten meist tausende Kilometer von der Sahel-Zone entfernt gesessen. "Das grenzt dann schon an Hochstapelei", meint Mükke.
Fragwürdig seien auch die genutzten Informationsquellen: Vor allem verließen sich die Korrespondenten offenbar auf Verlautbarungen hochrangiger deutscher und französischer Regierungsvertreter, Militärs und internationaler Organisationen. Afrikanische Wissenschaftler, Geschäftsleute oder Religionsvertreter dagegen seien als wichtige Quellen nie vorgekommen.
Was ist das Sahel-Mandat der Bundeswehr?

In Mali war die Bundeswehr bislang an der EU-Ausbildungsmission EUTM (European Union Training Mission Mali) beteiligt, die von dort aus in allen fünf Sahelstaaten aktiv war: Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad. Mit der UN-geführten Stabilisierungsmission MINUSMA (Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali) erhielt zudem die gemeinsame Einsatztruppe der G5-Staaten militärische Beratung und Ausbildung. Im Sommer 2021 waren rund 1.100 deutsche Soldaten allein für diese Mission in Mali im Einsatz. Im Niger bildet die Bundeswehr außerdem Spezialkräfte aus.

Am 11. April 2022 hatte die EU beschlossen, die Ausbildungsmission der EU in Mali vorerst zu beenden, nachdem herauskam, dass malische Truppen gemeinsam mit russischen Kräften möglicherweise massive Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht plädiert jedoch dafür, den Einsatz in der Region unter bestimmten Voraussetzungen weiterzuführen. Im Mai soll im Bundestag geklärt werden, ob sich Deutschland weiter bei MINUSMA und EUTM engagiert.

Warum braucht die Region militärische Hilfe?

Terroranschläge, Klimawandel, Armut: In allen fünf Staaten der Sahel-Zone mischt sich dschihadistische Gewalt mit ethnischen Konflikten und organisierter Kriminalität. Die örtlichen Sicherheitskräfte sind überfordert, staatliche Strukturen funktionieren ungenügend. Klimaforscher gehen davon aus, dass die Region besonders stark von dem Klimawandel betroffen sein wird. Verstärkt durch jahrelange Dürren leiden in der Sahelzone laut UNO-Welternährungsprogramm derzeit mehr als 10,5 Millionen Menschen Hunger.

Was sind die Ziele der Bundeswehr im Sahel?

Nach eigenen Angaben will die Bundeswehr zum einen die regionalen Militärs beraten und besser ausbilden, zum anderen die Zivilgesellschaft stärken: Verwaltung, Polizei und Justiz, die Grundversorgung der Bevölkerung und das Bildungs- und Gesundheitswesen.

Der Bundeswehreinsatz dient aber auch Interessen im eigenen Land: Die Sahel-Region gilt als bedeutend für die Stabilität Westafrikas. Es soll verhindert werden, dass hier ein Rückzugsraum für Terroristen entsteht - der die Bevölkerung zur Migration nach Europa treibt.

Warum kommt Afrika zu kurz in den Medien?

Gründe für diese "Oberflächlichkeit" gebe es einige, sagt Mükke, der seit vielen Jahren selber von dem Kontinent berichtet: Schrumpfende Budgets bei den Medienhäusern zum Beispiel, ausgedünnte Korrespondentennetze. Ein weiteres Problem sieht Mükke darin, dass Korrespondentenposten in afrikanischen Ländern häufig als ideale Einstiegsorte für junge, unerfahrene Kollegen und Kolleginnen gesehen würden. "Das steht im Gegensatz zur Komplexität der Vorgänge auf diesem Kontinent."
Immerhin flössen Milliarden von Steuergeldern in solche Bundeswehreinsätze wie den in Mali. "Das verpflichtet die Medien doch eigentlich dazu, hintergründig zu berichten", kritisiert Mükke. Gerade Militäreinsätze sollten deshalb "allerhöchsten Nachrichtenwert" haben. Statt dessen würde "in jeden Bundesligaspieltag ein Vielfaches investiert".

Afrikanische Lokalmedien mit einbeziehen

Seine Forderung an die Medienhäuser: Fachredaktionen müssten sich um Krisenregionen kümmern, deutlich mehr vor Ort recherchieren - auch in Kooperationen mit afrikanischen Lokalmedien. Offizielle Verlautbaren müssten kritischer hinterfragt werden. Korrespondenten sollten dauerhaft in den Einsatzgebieten sein.
Die Bundeswehr bezeichnet Mükke als "Parlamentsarmee" - was bedeute, dass die Massenmedien eine "demokratische Verpflichtung" hätten, den Menschen hierzulande ein fachlich kompetentes Bild davon zu vermitteln, was in Mali und in der Sahelzone vorgehe. Davon sei man im Moment weit entfernt.