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Saisonale Wärmespeicherung
Kühlen im Sommer, Heizen im Winter

Öl- oder Gasheizungen belasten das Klima und verbrauchen viel Energie. Daher suchen Wissenschaftler nach umweltfreundlicheren Alternativen: Grundwasseraquifere haben sich bereits als Wärme- und Kältespeicher bewährt. Noch werden sie in Deutschland kaum genutzt - das könnte sich bald ändern.

Von Volker Mrasek |
    Das Hotel Grand Kameha in Bonn Oberkassel
    Investiert in ein umweltfreundliches Heiz- und Kühlsystem: Das Hotel Grand Kameha am Bonner Bogen (imago stock&people)
    "Jetzt kommen wir in den Bereich, wo auch das Hotelpersonal nicht mehr reinkommt. Jetzt sind wir im Bereich der Technik. Hier ist nur noch Technik."
    Das Kameha Grand ist ein Fünf-Sterne-Hotel in Bonn, direkt am Ufer des Rheins. Doch im Keller der Luxus-Herberge spürt man nichts davon. Steffen Große geht durch laut hallende Treppenhäuser und kühle, graue Gänge. Halt macht er schließlich an einer Metalltür mit der Aufschrift "Energiezentrale".
    "Das eigentliche Herzstück des Kühl- und Heizsystems."
    Steffen Große ist Ingenieur für Gebäudetechnik und kümmert sich um das Energie-Management im sogenannten Bonner Bogen. Dort stehen auch noch fünf große Bürogebäude. Alle hängen an der gemeinsamen Energiezentrale im Hotelkeller.
    "In der Summe sind das Geräusche von Pumpen. Wir haben viele Pumpen, die das kalte Wasser, das Wasser für die Warmwassererzeugung, hier fördern. Und wir haben natürlich die Wärmepumpe mit einem Verdichter, die hier läuft."
    Energie aus dem Untergrund
    Im Winter warm und im Sommer kühl - so hat man es gerne in den Hotelzimmern und Büros vor Ort. Doch Wärme und Kälte werden hier nicht auf konventionelle Weise erzeugt, also mit klimabelastenden Öl- oder Gasheizungen und stromhungrigen Kompressionskältemaschinen. Die Energie kommt vielmehr aus dem Untergrund, auf dem die ganzen Gebäude stehen.
    "Das Besondere an der Anlage ist, dass wir hier mit einem Aquifer-Speicher arbeiten und es möglich ist, sowohl im Sommer- als auch im Winterbetrieb die Grundwasser-Temperaturen zu nutzen."
    Der "Aquifer", das ist eine Gesteinsschicht in 25 Metern Tiefe, die Grundwasser führt. Brunnen im Bonner Bogen zapfen es an. Denn seine thermische Energie lässt sich saisonübergreifend nutzen: durch die Einrichtung eines Wasserkreislaufs zwischen Untergrund und Oberfläche. Geowissenschaftler wie Paul Fleuchaus vom Karlsruher Institut für Technologie sprechen auch von "Aquifer-Geothermie".
    "Man kann sich's vorstellen wie eine große Wärme- und Kältebatterie im Untergrund. Warmes Wasser wird im Winter an die Oberfläche gepumpt, in einen Wärmetauscher geleitet und dann für die Beheizung des Gebäudes verwendet. Meist in Kombination mit einer Wärmepumpe, die das Temperaturniveau des Grundwassers noch 'mal anhebt für das Gebäude. Die überschüssige Kälte, die dabei anfällt, wird anschließend wieder zurück in den Grundwasserleiter gepumpt. Und einige Monate später, nämlich im Sommer, wird diese Kälte dann wieder an die Oberfläche gepumpt und kann dann direkt für die Klimatisierung des Gebäudes verwendet werden."
    "Nee, nee, wir müssen schon da lang. Müssen uns hier durchschlängeln. Hier ist der Punkt, wo das Wasser aus dem Aquiferspeicher für die Nutzung zur Verfügung gestellt wird."
    Der Grundwasser-Leiter besitzt nur eine äußerst geringe Wärmeleitfähigkeit. Deshalb entlädt sich die Batterie in der Tiefe so gut wie gar nicht.
    "Wir werden jetzt so ungefähr bei acht Grad sein, acht Grad Celsius."
    Weniger klimaschädliches Kohlendioxid
    Seit zehn Jahren läuft das Vorzeigeprojekt inzwischen. Es spart nicht nur Energie aus fossilen Quellen, sondern produziert auch weniger klimaschädliches Kohlendioxid, verglichen mit herkömmlichen Heizungs- und Kühlsystemen. Ingenieur Große zieht immer mal wieder Bilanz:
    "Für das Jahr 2016, da sieht es so aus: Nur für die Nutzung des kalten Wassers des Brunnens hatten wir ungefähr 160, 170 Tonnen CO2 weniger, als wenn ich es normal mit einer herkömmlichen Kältemaschine erzeugt hätte."
    Das sind durchaus keine Peanuts. Dennoch lassen sich Aquifer-Speicher in Deutschland auch heute noch an einer Hand abzählen, wie Paul Fleuchaus bedauert. Das prominenteste Beispiel sei der Reichstag in Berlin. Nur wisse das kaum jemand. Andere Staaten sind viel weiter. In den Niederlanden werden heute fast 2.000 Aquifer-Speicher betrieben. Sie kühlen und heizen Krankenhäuser, Bürokomplexe und Rechenzentren. Damit ist unser direkter Nachbar weltweiter Vorreiter in Sachen Aquifer-Geothermie.
    "Logischerweise hört die Geologie nicht an der deutsch-niederländischen Grenze auf. Eigentlich komplett Norddeutschland hat sehr, sehr gute Verhältnisse. Aber auch der Oberrheingraben in Süddeutschland oder mehr oder weniger das gesamte Alpenvorland im Süden eignet sich auch hervorragend für die Aquifer-Speichernutzung."
    "Technik ist verfügbar"
    Der Schlüssel zum Erfolg: Das Kühlen und Heizen mit Grundwasser wird von der Regierung in Den Haag finanziell gefördert. Das ist ein starker zusätzlicher Anreiz. Paul Fleuchaus würde ihn sich auch für Deutschland wünschen.
    "Die vielen Anlagen haben gezeigt, dass sie funktionieren, dass sie erhebliche Mengen CO2 einsparen. Und wir sind mittlerweile in Deutschland eben so weit, dass jetzt gehandelt werden muss. Und die Technologie ist verfügbar, ist günstig und sollte deswegen auch von staatlicher Seite gefördert werden."
    "Jetzt gehen wir wieder hoch aus dem Untergrund."
    Immerhin: Inzwischen tut sich etwas mehr. In Hockenheim wird bald Abwärme aus einem Erlebnisbad ins Grundwasser eingespeist. In Karlsruhe soll ein alter Uni-Campus an einen Aquiferspeicher angeschlossen werden. Dort versorgen die Stadtwerke auch schon Bürogebäude eines neuen Quartiers mit klimafreundlicher Kälte. Sie wird aus der Abwärme einer Raffinerie erzeugt - durch eine spezielle Absorptionskältemaschine. Würde man das Potenzial dieser kombinierten Wärme- und Kälte-Konzepte stärker ausschöpfen, könnte Deutschland noch viel mehr CO2 einsparen.