Sie stechen Spargel, ernten Erdbeeren und stemmen die Weinlese – jedes Jahr kommende Tausende Menschen zur Saisonarbeit nach Deutschland. Für meist nur wenig mehr als Mindestlohn verrichten die Saisonarbeitskräfte körperlich anstrengende Arbeit. Ohne die Erntehelfer aus dem Ausland wäre die Arbeitslast in der Landwirtschaft nicht zu bewältigen.
Die deutschen Löhne sind oft um ein Vielfaches höher als in den Heimatländern der Arbeitskräfte, was die Arbeit für viele attraktiv macht. Dazu kommen Sonderregeln für die Saisonarbeit. Diese Bedingungen sorgen aber auch für Probleme – in Deutschland und außerhalb. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft:
Inhalt
- In welchen Bereichen arbeiten Saisonarbeiter?
- Wie viele ausländische Saisonarbeiter arbeiten in Deutschland?
- Aus welchen Ländern kommen die Saisonarbeiter?
- Wie ist die rechtliche Situation von Saisonarbeitern?
- Warum sind die Saisonarbeiter so wichtig für die Landwirtschaft?
- Welche Probleme gibt es in der Saisonarbeit?
In welchen Bereichen arbeiten Saisonarbeiter?
Saisonale Arbeitskräfte arbeiten in unter anderem im Baugewerbe, im Tourismus und in der Gastronomie. Die Branche, die am stärksten auf Saisonarbeiter und -arbeiterinnen angewiesen ist, ist die Landwirtschaft. Hier arbeiten sie besonders häufig als Erntehelfer im Anbau von sogenannten „Sonderkulturen“, die als besonders zeitintensiv gelten. Zu ihnen zählen etwa Obst, Spargel oder der Weinbau – alles Lebensmittel, die von Hand geerntet werden müssen.
Wie viele ausländische Saisonarbeiter arbeiten in Deutschland?
Zahlen über saisonal Beschäftigte gibt es nur für die Landwirtschaft. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft waren im Jahr 2023 243.000 Menschen in Deutschland als Saisonarbeitskräfte tätig. Das waren rund 28 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft.
Gebraucht werden Saisonarbeiter in der deutschen Landwirtschaft das ganze Jahr über – die Zeiträume unterscheiden sich je nach Gemüse- und Obstsorten. Die Arbeitskräfte sind auch bei der Pflanzung und Pflege tätig, noch häufiger aber in der Ernte, etwa von Beeren, Äpfeln und Birnen, Spargel und Gurken.
Aus welchen Ländern kommen die Saisonarbeiter?
Auch dazu liegen keine genauen Zahlen vor. Viele Betriebe sowie der Deutsche Bauernverband (DBV) verweisen aber darauf, dass es so gut wie keine deutschen Saisonarbeitskräfte gebe. Die meisten Erntehelfer und -helferinnen stammen demnach aus osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten. Laut Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) kommen rund 70 Prozent der Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft aus Rumänien und etwa 25 Prozent aus Polen, berichtet das Fachmagazin DEGA Gartenbau. Weitere Herkunftsländer sind etwa Bulgarien und Kroatien. Auch Saisonarbeiter aus einigen Nicht-EU-Staaten sind in der Landwirtschaft tätig. Deutschland hat dafür Absprachen mit Georgien und der Republik Moldau getroffen.
Wie ist ihre rechtliche Situation?
Viele Saisonarbeiter werden in Deutschland nach dem Mindestlohn bezahlt, das sind derzeit 12,41 Euro pro Stunde. Dieses Gehalt ist für deutsche Verhältnisse zwar nicht viel, aber immerhin fast doppelt so hoch wie der polnische und sogar knapp dreimal höher als der rumänische Mindestlohn.
Viele Betriebe bezahlen ihre Erntearbeiter auf Akkordbasis. Das bedeutet, die Arbeitskräfte erhalten Zuschläge, abhängig von der Menge, die sie pro Stunde ernten. Dadurch können besonders schnelle Arbeiter deutlich über Mindestlohn verdienen.
Rentenansprüche erwerben Erntehelfer in Deutschland aber in der Regel nicht, denn für kurzfristige Beschäftigungen gelten Sonderregeln: Wenn die Tätigkeit nicht länger ausgeübt wird als maximal drei Monate, müssen keine Sozialabgaben gezahlt werden. Die Landwirte schließen lediglich eine private Basis-Krankenversicherung sowie eine Unfallversicherung für sie ab. Als Saisonarbeiter gelten aber auch Menschen, die eine Tätigkeit bis zu acht Monate lang ausüben. In diesem Fall müssen sie regulär sozialversichert werden. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die kurzfristigen Beschäftigungen in der Landwirtschaft in den letzten Jahren abgenommen haben und die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gestiegen ist.
Abkommen für mehr Zusammenarbeit
Gewerkschaftlich organisiert sind die saisonalen Arbeitskräfte aus dem Ausland in der Regel nicht. Die Gewerkschaften setzen sich aber für die Arbeitsbedingungen der Erntehelfer und -helferinnen ein, zum Beispiel mit Beratungsangeboten in mehreren Sprachen. Um die internationale Zusammenarbeit zu verbessern, haben die Landwirtschaftsgewerkschaften aus Rumänien, Polen, Bulgarien und Deutschland im vergangenen Januar ein Abkommen für mehr Zusammenarbeit beschlossen.
Warum sind die Saisonarbeiter so wichtig für die Landwirtschaft?
Wie wichtig Erntehelfer für Deutschland sind, hat sich zuletzt während der Corona-Pandemie gezeigt, als Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter von den Reisebeschränkungen betroffen waren. Die Bundesregierung lockerte die Bestimmungen für die Arbeitskräfte, sonst wären große Mengen an Obst und Gemüse auf den Feldern verrottet. Kaum ein Obst- und Gemüsebetrieb in Deutschland kommt nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes ohne Saisonkräfte aus.
Obwohl die moderne Landwirtschaft hoch technisiert ist, werden in vielen Bereichen immer noch Arbeitskräfte benötigt. Nicht alles lässt sich maschinell erledigen, wie etwa bei der Getreideernte. Empfindliche Sorten wie Beeren, Äpfel oder Tomaten müssen nach wie vor von Hand geerntet werden.
Dabei handelt es sich um schwere körperliche Arbeit. Oft muss das Ernten in anstrengender, gebückter Haltung passieren, wie zum Beispiel bei Erdbeeren oder Spargel. Weil diese Tätigkeiten meistens kaum mit mehr als dem Mindestlohn bezahlt werden, sind sie für viele deutsche Arbeitnehmende wenig attraktiv, dazu kommt der Fachkräftemangel in vielen Branchen, der mehr Auswahlmöglichkeiten mit sich bringt. Das macht die Arbeitskräfte aus dem Ausland unverzichtbar.
Welche Probleme gibt es in der Saisonarbeit?
Es gibt immer wieder Berichte, dass der Mindestlohn in der Saisonarbeit in einigen Betrieben umgangen wird – etwa, wenn mehr Stunden gearbeitet als bezahlt werden. Außerdem sollen sich einige Betriebe einen Teil des Lohns über überhöhte Kosten für Unterkünfte zurückholen, berichtet etwa das gewerkschaftsnahe Peco-Institut.
Auf der anderen Seite beklagen viele Betriebe, dass die Produktionskosten durch den hohen Mindestlohn stark gestiegen sind. Dadurch sei es kaum noch möglich, mit Produzenten aus dem Ausland mitzuhalten. Sie warnen davor, dass sich der Anbau von Obst und Gemüse in Deutschland in Zukunft nicht mehr lohnen könnte und fordern Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn.
Die Gewerkschaften kritisieren dagegen die Sozialversicherungsfreiheit für kurzfristig Beschäftigte. Dadurch fehle es an einer Absicherung für die Erntearbeiter, die Krankenversicherung reiche oft nicht aus und die fehlenden Rentenansprüche führten zu Ungerechtigkeiten. Mit der sozialversicherungsfreien Beschäftigung stehe Deutschland im europäischen Vergleich alleine da. Das Modell sei deshalb wiederum ungerecht gegenüber Betrieben in Ländern wie Frankreich, die für ihre Saisonarbeiter Sozialabgaben zahlen müssen.
Saisonarbeiter aus Südasien in Rumänien
Und auch in den Herkunftsländern vieler Erntehelfer sorgt die Saisonarbeit für Probleme: Die rumänische Landwirtschaft leidet seit Jahren an einem massiven Arbeitskräftemangel, weil immer mehr Menschen in Deutschland oder Frankreich arbeiten. Viele Betriebe müssen deshalb sogar aufgeben: Nach Angaben des rumänischen Statistikamtes sind zwischen 2010 und 2020 mehr als ein Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe verschwunden. Um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, werden in Rumänien mittlerweile Saisonarbeiter aus Südasien angeworben. Demnach sind im letzten Jahr fast 100.000 Menschen aus Bangladesch, Nepal oder den Philippinen nach Rumänien gekommen.
kau