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Saisonhöhepunkt im Radsport
Terminstress in der Pandemie

Der Radsport steuert auf den Höhepunkt der Saison zu. Mit dem Giro d'Italia, der Flandernrundfahrt und der Vuelta finden drei große Rennen gleichzeitig statt. Für die Rennställe bedeutet das einen enormen logistischen Aufwand. Und dann ist da auch noch das Coronavirus.

Von Tom Mustroph |
Neun positive Corona-Fäle gab es zum Ende der ersten Rennwoche bei de Giro d'Italia.
Ganna Filippo vom Team Ineos auf der 14. Etappe der Giro D'Italia. (imago images / LaPresse)
Ein trister Parkplatz im Städtchen Conegliano in Venetien ist Startpunkt der 14. Etappe des Giro d'Italia. Ein massiver Gitterzaun hält die wenigen Fans vom direkten Kontakt mit den Fahrern und Betreuern ab. Auf der anderen Seite ist der Parkplatz gar von einer fünf Meter hohen Mauer begrenzt. Lokale Grafitti-Künstler haben sich hier ausgetobt. Ein rauher Kontrast zu den blitz blank geputzten Teambussen und den Zetifahrmaschinen.
Ins Rennen gingen am Samstag alle noch verbliebenen Fahrer. Die letzten Corona-Tests brachten allesamt negative Resultate, versicherte Renndirektor Mauro Vegni dem Deutschlandfunk. "Alle Tests waren negativ. Die letzten wurden zwischen Donnerstagabend und Freitagabend gemacht. Die nächsten gibt es morgen Abend und Montag."
Vaughters fordert Renn-Abbruch
Unruhe im Fahrerfeld herrschte dennoch. Denn zum Ende der ersten Rennwoche gab es insgesamt neun positive Fälle. Jonathan Vaughters, Chef des US-Rennstalls Education First, kritisierte zu Recht, dass die Hygiene-Blase beim Giro zu durchlässig war. Er forderte sogar den Abbruch des Rennens zum nächsten Ruhetag am kommenden Montag.
Das stieß auf Widerstand. "Ich habe da meinen Kollegen Vaughters nicht ganz verstanden, dass er mit der Grundlage unserer Existenz so fahrlässig umgeht", sagte Ralph Denk, Teamchef von Bora hansgrohe, dem Deutschlandfunk. Denk erklärte kategorisch, dass sein Team nicht aussteigen werde. "Bora wird nicht dazu gehören. Wir sind absolut dankbar, dass die Organisatoren das Rennen auch unter sehr schweren Bedingungen durchziehen. Denn es ist schon eine Grundlage für unsere Existenz."
Giro d'Italia am 14. Oktober 2020, 11. Etappe von Porto Sant Elpidio nach Rimini. Im Bild: Fahrer während des Rennens.
Positive Fälle in Italien, Zuschauerverbot in Belgien
Der Radsport ist wieder einmal in Corona-Nöten. Beim Giro d'Italia gab es mehrere Infektionsfälle, das Radrennen droht zum rollenden Hotspot zu werden.
Giro-Direktor Vegni dürfte das freuen. Er ist sich ohnehin sicher, dass seine Rundfahrt wie geplant am 25. Oktober Mailand erreichen wird. Gefragt nach der Wahrscheinlichkeit, dass der Giro in Mailand ankomme, meinte Vegni: "Ich sehe das nicht als Wahrscheinlichkeit, sondern als Gewissheit."
Mitleid mit den Teams äußerte Vegni aus einem anderen Grund: Der Überschneidung vieler Rennen. Aktuell bestücken die Teams drei Rennen gleichzeitig: Seinen Giro, die Klassikerrennen in Belgien. Morgen gibt es da die Flandern-Rundfahrt. Und zwei Tage später beginnt schon dritte große Rundfahrt des Jahres, die spanische Vuelta, während der Giro noch durch die Alpen zu fahren plant.
Giro-Chef: "Müssen akzeptieren, was ist"
"Es ist klar, dass das Management von drei Rennen parallel für die Teams ein großes Problem darstellt. Aber dieses Jahr ist besonders. Wir müssen akzeptieren, was ist. In drei Monaten müssen wir machen, was sonst in zehn Monaten geschieht. Alles, was klappt, ist gut", meinte der Giro-Chef. Bei den Teams herrscht ebenfalls Pragmatismus. Zwar ist die Substanz ziemlich dünn, an Personal wie an Material.
"Ja, dass man die großen World Tour Rennen jetzt mit den großen Fahrzeugen bestückt, also mit den großen und modernen Bussen, das geht jetzt nicht. Denn so viele Fahrzeuge haben wir gar nicht. Wir haben noch einen kleinen Camper, der steht jetzt hier bei der Flandernrundfahrt", teilte Denk per Telefon während seiner Anreise zum Klassiker in Belgien mit. Weil es auch den anderen Teams so geht, wird es bei dem Traditionsrennen Bilder wie früher geben: Radprofis, die aus dem Camper klettern statt aus dem Luxusbus.
Auch extra Personal musste akquiriert werden. "Wir haben auch sogenannte Tagelöhner bei den Physiotherapeuten und Mechanikern dazu geholt. Die helfen uns aus. Das geht alles. Aber es ist vielleicht nicht ganz so luxuriös wie die Jahre zuvor."
Denk macht sich vor Vuelta keine Sorgen
Zur Vuelta werden die Teams wieder mit den großen Bussen anreisen, die Teams jedenfalls, die zwei davon im Fuhrpark haben. Trotz der gestiegenen Infektionszahlen in Spanien schickt Denk seine Abordnung ohne große Sorgen auf die iberische Halbinsel. "Wir schicken sie schon mit einem guten Gefühl hin. Es ist ja das gleiche Konzept wie bei der Tour. Bei der Tour hat sich das Konzept bewährt. Und es ist rein logisch eigentlich egal, befinde ich mich in einem Risikogebiet oder nicht. Wenn ich sowieso komplett autark lebe, ist es egal, ob Risikogebiet oder nicht. Und deshalb mache ich mir eigentlich keine Sorgen um meine Rennfahrer."
Hält die Blase, hat er recht. Hält sie nicht, ist nicht nur die Gesundheit von Fahrern und Betreuern gefährdet. Dann ist auch die so mühsam verteidigte wirtschaftliche Basis für den Profiradsport wieder in Gefahr.