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Salafismus
"Eine ernstzunehmende theologische Strömung"

Eine Berliner Tagung befasst sich mit dem Salafismus in Deutschland. Über die Zahlen sind sich die Experten uneins. Einig sind sie sich dagegen darin, dass Salafismus mit islamischen Quellen begründet werden kann. Eine reine Instrumentalisierung des Islam sei er nicht.

Thomas Klatt im Gespräch mit Susanne Fritz |
    Palästinensische Salafisten auf einer Demonstration in Rafah 2013. Männer tragen Plakate und rufen Slogans auf einer Demo.
    Experten: Salafismus ist keine reine Instrumentalisierung des Islam (SAID KHATIB / AFP)
    Susanne Fritz: Was sagen die Experten, wie viele Anhänger dieser islamistischen Bewegung gibt es in Deutschland?
    Thomas Klatt: Ja, das herrscht Rätselraten. Ich will vorweg schicken, dass es diesen Begriff Salafismus erst seit zehn Jahren gibt. Trotz des 11. September 2001 und Al-Qaida ist dieser Begriff Salafismus eigentlich erst 2005 in der deutschen Debatte aufgetaucht. Der Verfassungsschutzbericht 2012 spricht noch von 4500 Salafisten, und 2014 von 7000. Wir warten jetzt auf den nächsten Bericht – Tendenz steigend. Aber überraschend: Vor einigen Wochen hat der BKA-Präsident Holger Münch gesagt, dass er von einem Unterstützerpotenzial von 43.000 Menschen ausgeht – Muslime größtenteils aus der salafistischen Szene für einen bewaffneten Dschihad. Das sind natürlich eklatante Unterschiede. Das hat auch gestern auf der Konferenz für Unruhe gesorgt. Claudia Dantschke, eine ausgewiesene Islam-Expertin, spricht von ihrer "Bauch-Empirie". Sie sagt: 20.000 hat sie immer schon für möglich gehalten. Das Problem ist eben auch, wie gezählt wird. Das Landeskriminalamt zählt anders. Und wie wird es genau definiert? Die Ränder sind nicht klar und es gibt ja auch eine fließende Grenze zu konservativen Kreisen.
    Fritz: Wie bewerten Islamwissenschaftler den Salafismus? Handelt es sich dabei deren Ansicht nach um eine theologisch ernst zu nehmende islamische Strömung?
    Klatt: Ja, das hat mich gestern überrascht. Wir hören ja seit Jahren von Verbandsvertretern, das hat ja alles nichts mit dem Islam zu tun, das sind irgendwelche Terroristen, Radikale, die den Islam nur als Folie benutzen wollen und im Grunde Spaß am Krieg haben oder den Terror politisch durchsetzen wollen. Und es wurde doch gestern sehr deutlich gesagt: Nein, es ist eine ernst zu nehmende theologische Strömung, eine ultra-konservative Strömung, die sich zum Beispiel auf den Theologen Ibn Taimīya aus dem 14. Jahrhundert bezieht, der gesagt hat, nein, nicht jeder, der fünfmal am Tag betet und eine Haddsch macht, Mohammed als seine Propheten anerkennt, ist Muslim, sondern Muslim ist der, der den wahren Islam lebt, nämlich den Ur-Islam. Das bezieht sich auf die ersten drei Generationen in Mekka und Medina um den Propheten Mohammed herum. Und man befindet sich in einer Art Endzeitkampf, einer Apokalypse. Und der IS, wie vorher auch Al-Qaida, betreiben durchaus eine Theologie der Gewalt. Der Kalif, der ja jetzt auch installiert worden ist, der bis 2020 sein Kalifat in Cordoba, also in Spanien errichten möchte, muss ein religiöser Gelehrter sein und er muss ein Kämpfer sein. Das wird nicht nur am Rande so als oberflächliche Folie propagiert, sondern wir haben es hier mit satten 1400 IS-Videos im Netz zu tun, die übrigens meistenteils arabisch sind. Und das wir propagiert. Der IS verfasst Schulbücher, religiöse Literatur, Katechese sozusagen, wo diese Theologie der Gewalt unters Volk gebracht wird.
    Fritz: Trotzdem ist nur ein kleiner Teil der Salafisten in Deutschland auch militant. Von dieser Gruppe geht aber nach Einschätzung des BKA eine echte Gefahr aus. Was wollen die radikalen Salafisten erreichen in Deutschland?
    Klatt: Es ist ein alter Kampf. Das wird mir immer wieder auch von Arabern gesagt. Der Stachel im Fleisch heißt Napoleon. Das ist für uns, glaube ich, gar nicht so ganz klar. Seit Napoleon in Ägypten einmarschiert ist, ist das ein Stachel in der Seele der arabischen Bevölkerung, dass der Westen irgendwie stärker ist und die Muslime bedrängt. Napoleon heißt heute USA und deren Verbündete. Und gegen die muss natürlich ein heroischer muslimischer Mann kämpfen. Aber das ist ein klarer Teil, der militante Teil der Salafisten. Es gibt aber auch nicht-militante Salafisten, die nennt man auch Quietisten, die eigentlich um der reinen Lehre willen sich dazu bekennen. Pierre Vogel ist der Bekannteste. Die sagen auch klar, sobald wir hier in der Demokratie Gewalt anwenden, wird das nur unserer Sache schaden und raten dann davon ab.
    Fritz: Die Zahl der Salafisten wächst in Deutschland, es gibt immer mehr. Was tut die Bundesrepublik gegen die Anwerbung von Muslimen durch Islamisten, durch Salafisten?
    Klatt: Das BKA beobachtet schon, dass Salafisten auch in Asylbewerberunterkünften wirbt. Sie sieht aber im Moment noch kein Potenzial, weil die Menschen dort im Grunde erst einmal etwas anderes zu tun haben als sich für den Salafismus zu engagieren. Aber man soll wachsam sein, wird immer wieder gesagt. Man kann durchaus sagen, wenn die Frustration zu hoch ist, sie hier nicht ankommen in Deutschland, dass sie sich dann doch lieber dem Salafismus zuwenden könnten.