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Salafismus
"Eine Militanz, die immer mehr zunimmt"

Salafismus gilt heute vor allem für viele junge Muslime als Rückkehr zum wahren Islam. In seiner aktuellen Entwicklung ist der Salafismus auch in Europa zu einer radikalen Subkultur geworden. Die Autoren des Buches "Salafismus – auf der Suche nach dem wahren Islam" nehmen die vielen Facetten dieses Phänomens in den Blick.

Von Martina Sabra |
    Anhänger der Salafisten beten am Samstag (09.06.2012) in Köln unter der Beobachtung der Polizei.
    Salafisten beim Beten in Köln (picture alliance / dpa - Roland Weihrauch)
    Salaf – das sind im Arabischen die ersten drei Generationen des Islams, angefangen mit dem Propheten Muhammad und seinen unmittelbaren Nachfolgern. Salafisten sind überzeugt, dass diese sogenannten Altvorderen wahre Vorbilder an Tugend waren, sozusagen das Idealbild der vollkommenen Muslime.
    "Der Ansatz der Salafiya ist der, dass man eben diesen drei Generationen folgt, in der Hoffnung oder in der Erwartung, dass man möglichst nah an den damaligen gelebten Urislam herankommt."
    Selbst Fußball ist ein Angriff auf die Einheit Gottes
    Mohammed Gharaibeh erforscht an der Uni Bonn die Geschichte des Salafismus und dessen Verhältnis zu zentralen theologischen Konzepten des Islams. Der Tawhid, die Einheit und Unteilbarkeit Gottes, sei für alle Muslime ein zentraler Bestandteil ihres Glaubens, erklärt er. Doch die Salafisten hätten besonders radikales Verständnis von Tawhid. Für die meisten von ihnen seien jegliche kulturelle Besonderheiten und nichtreligiöse Aktivitäten wie zum Beispiel Fußball ein Angriff auf die Einheit Gottes, also Vielgötterei, oder wie Salafisten es nennen, Beigesellung.
    "Auf der einen Seite beanspruchen Salafisten für sich, dass sie einen dekulturalisierten Islam leben, also einen Islam, der frei von kulturellen Bräuchen und Einflüssen ist, und auf der anderen Seite ist es die Einstufung der alltäglichen Bräuche im religiösen Sinne. Also wenn jemand ein Hobby verfolgt, Mitglied einer Partei ist, dann werten Salafisten das bereits als Beigesellung und sehen hier die Eingottlehre gefährdet."
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    Eine vollverschleierte Frau auf einer Kundgebung des radikalen Salafistenpredigers Pierre Vogel in Offenbach am Main (Hessen). (picture alliance / dpa)
    "Salafismus bietet Eindeutigkeit"
    Beigesellung, Eingottlehre – solche theologischen Konzepte spielen im Arbeitsalltag der Berliner Salafismusexpertin und Koautorin des Buches Claudia Dantschke eine untergeordnete Rolle. Als Leiterin eines Beratungsprojektes beschreibt sie anhand konkreter Lebensgeschichten, wie junge Leute radikal salafistisch geworden sind. Auch wenn manche mit religiösen Begriffen um sich werfen und vom islamischen Kalifat schwärmen: Claudia Dantschke beobachtet, dass beim Einstieg in die Szene religiöse Motive oft nicht wichtig seien. Es gehe vielmehr um allgemeine soziale und psychische Bedürfnisse.
    "Salafismus bietet Eindeutigkeit. Eindeutigkeit in der Frage von Werten, was ist richtig, was ist falsch, in der Frage der Identität: Wer bin ich? Ich bin Muslim und sonst nichts. Ganz wichtig: Ich bin Teil einer egalitären Gemeinschaft, einer weltweiten Gemeinschaft, und wichtig ist, es bietet Überlegenheit, denn innerhalb dieser muslimischen Gemeinschaft sind wir die beste Gruppe. Wir sind die, die die absolute Wahrheit haben und die letztlich die führende Gruppe ist, es bietet eine Art von Opfermythos, und es bietet auch den Aspekt von Gerechtigkeit, dergestalt, dass überall der Westen den Islam und die Muslime bekämpft, gibt es die Möglichkeit zu sagen: Ich kämpfe gegen Unterdrückung, ich tue etwas für Gerechtigkeit."
    Viele junge Salafisten brechen komplett mit ihrem bisherigen Leben, wenn sie in die Szene einsteigen. Der niederländische Islamwissenschaftler und Ko-Autor Joas Wagemakers beschreibt einige tragende religiöse Konzepte der Salafisten, die von ihnen "Methode" genannt werden. Dazu zählen "Wala und Bara", zu deutsch "Loyalität und Lossagung" und "Ghuraba", was so viel bedeutet wie Abgrenzung oder Entfremdung von der bisherigen Gruppe. Das könne gefährlich sein, sagt Claudia Dantschke.
    "Die salafistische Radikalisierung von Jugendlichen sehe ich inzwischen als radikale Jugendsubkulturbewegung. Es gibt eine Militanz, die immer mehr zunimmt, auch vor dem Hintergrund der Kriege in Syrien und im Irak, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht über das Ziel hinausschießen."
    Bislang sei die überwiegende Mehrheit der Salafisten in Deutschland friedlich, betont Claudia Dantschke. Doch die Szene sei im Wandel begriffen – das Gefahrenpotential nehme zu, nicht zuletzt wegen der Ereignisse in Syrien und im Irak.
    Behnam T. Said/ Hazim Fouad (Hg.)
    "Salafismus – Auf der Suche nach dem wahren Islam"
    Herder, Freiburg im Breisgau, 2014