Nichts ist unmöglich in den Romanen von Salman Rushdie und so verwundert es nicht, dass er in seinem neuesten Buch gleich mehrmals das "Anything goes" unserer Tage postuliert. Der Titel "Quichotte" ist natürlich Programm. Cervantes Roman dient Rushdie als durchsichtiger Bezugsrahmen für eine Geschichte, die das Geschichten schreiben selbst zum Thema macht. Eine Geschichte, in der sich Realität und Fiktion ein waghalsiges Rennen liefern, ein Hybrid von einem Roman, in dem die Textebenen wild durcheinander geraten. An einer Stelle gegen Ende des Buches erläutert ein Schriftsteller das Konzept eines pikaresken Romans und entblößt dabei wie nebenbei auch die Machart von "Quichotte":
"Er versuchte, ihm die Tradition des pikaresken Romans zu erklären, seinen episodenhaften Charakter, und dass die Episoden so eines Werks viele Stilarten umfassten, hohe und niedrige, fabulierende und abgedroschene, dass es zugleich Parodie und Original sein konnte und dass es durch seine metaphorische Spitzbüberei demonstriere und danach strebe, die ganze Vielfalt des menschlichen Lebens abzubilden."
Der Schriftsteller in Rushdies Buch, auch Bruder genannt, schreibt mäßige Spionageromane, und er ist der tatsächliche Erfinder von Quichotte, der Hauptfigur des Buches. Hinter beiden, dem Autor und Quichotte, versteckt sich zudem immer auch der Schriftsteller Salman Rushdie. Das ist so naheliegend wie verwirrend.
Not eines Handelsreisenden
Dabei lassen sich die zwei Handlungsebenen des Romans gut auseinanderhalten, hier Quichotte, der sich auf die Reise macht, dort sein Erfinder, der Schriftsteller Bruder, dessen Gedanken Wirklichkeit werden und dessen eigenes Leben längst romanhafte Züge trägt. Sein und Rushdies Quichotte ist ein durchschnittlicher Pharmareferent, ein Handelsreisender, wie man ihn etwa aus Arthur Millers berühmten Theaterstück "Tod eines Handlungsreisenden" kennt. Quichotte durchquert mit seinem Sohn und Sidekick Sancho, der genau weiß, dass er nur eine Erfindung ist, die Vereinigten Staaten. Ziel der Reise ist es, Quichottes Angebetete, die indisch-amerikanische Fernsehtalkkönigin Miss Salma R. aufzustöbern. Salma R. klingt wie das weibliche Gegenstück zu Salman Rushdie und verweist in Paul-Auster-mäßiger Spielart auf den Autor selbst und womöglich auch auf seiner Kurzzeitehe mit dem Fernsehsternchen und Fotomodell Padma Lakshmi. Neben vielen anderem erzählt Rushdies neuer Roman nämlich auch die Geschichte einer obsessiven Liebe. Auch diese Fährte führt zu Cervantes und der innig geliebten Projektionsfläche Dulcinea.
Rushdies exzentrisch veranlagte Salma leidet unter Bipolarität, und auch sein Roman steckt voller manisch depressiver Verrücktheiten, ist mal jauchzend vergnügt, mal bitter böse und dann wieder schmerzlich realistisch, hier Allegorie auf die Gegenwart, dort bunte Pulp Fiction. Die Reise von Quichotte und seinem Sohn orientiert sich an der Dramaturgie einer Heldenreise, Stichwort: Quest, wie man sie unter anderem aus mittelalterlichen Romanen wie etwa Cervantes "Don Quijote" kennt, aber auch aus Computerspielen. Sieben Täler muss Quichotte im Roman durchreisen. Auch Mystiker sprechen von sieben Tälern, die es bei einer Seelenwanderung bis zum Tal des Todes zu durchschreiten gälte.
Die Reise im Roman führt Quichotte und seinen Sohn in ihrem altersschwachen Chevrolet Cruze einmal quer durch die Vereinigten Staaten, in Manhattan kommt es dann zum Hollywoodreifen Showdown. In einer Mischung aus Abenteuerroman und Road-Novel peitscht Rushdie die Handlung voran. Die beschränkt sich wie so oft bei diesem Autor nicht auf einen Kontinent, sondern führt in die für Rushdies Leben prägenden drei Länder: Indien, Großbritannien und Amerika.
Sowohl Quichotte als auch die Figur des Autors im Roman teilen wesentliche Merkmale mit Rushdie, sind in Indien geborene, der Stadt Bombay entstammende Männer, die schon lange in den Vereinigten Staaten leben. Wie schon in seinem Vorgängerroman "Golden House" und anderen Romanen zuvor spielen Indien, das Heimweh nach Bombay, die in der Ferne liegenden Wurzeln eine erhebliche Rolle. Migration bedeute nicht, dass man keine Wurzeln, sondern das man viele Wurzeln habe, hat Rushdie an anderer Stelle einmal gesagt. Den Indern in der Diaspora und der Frage, was einen richtigen von einem falschen Inder unterscheidet, widmet er in seinem neuen Buch einige Gedanken:
Stalking statt romantischer Liebe
"Nur Inder aus Indien dürften behaupten, authentisch zu sein. In der Diaspora tummelten sich unechte Inder, Menschen, die seit so langer Zeit entwurzelt seien, dass ihre Seelen verdursteten, Menschen, die nicht wüssten, welche Sprache sie sprechen oder welche Götter sie verehren sollten, Menschen, die rührend indische Kunst kauften, damit sie sich ihre Identität an die Wände hängen könnten(…). Menschen, so fuhr er fort, die über Neujahr zwei Wochen nach Indien flögen und ein paar Hochzeiten besuchten, Süßigkeiten aßen, in der Neon-Nacht tanzten, um dann zu spüren, sie hätten ihre indischen Tanks aufgefüllt, könnten nun nach Amerika zurückkehren und die nächsten fünfzig Wochen wieder Fake-Inder sein."
Soweit die zwar augenzwinkernde, aber zutreffende Beschreibung erfolgreicher Emigranten. Innerhalb des Romans fallen die Gedanken auf fruchtbaren Boden, nehmen doch wie schon in "Golden House" identitätspolitische Fragen breiten Raum ein. Wie könnte es auch anders sein, bei einem Roman, der sich dezidiert mit der Gegenwart auseinandersetzt. Im Fall von "Quichotte" betrifft das die Vereinigten Staaten unter Trump (Stichwort: weiße Vorherrschaft) ebenso wie die allerorten auftrumpfenden nationalen Bewegungen sowie alle gängigen Fragen rund um das Spannungsfeld Migration und Fremdenhass. Diesmal aber dient der realpolitische Überbau Rushdie weniger zur Analyse unserer Gegenwart, das auch, als dem Spiel mit den Realitäten der Fiktion und der Literaturgeschichte.
"Don Quijote" ist der Bezugsrahmen des Romans, und wie Cervantes Held macht sich auch Rushdies Quichotte auf die Reise, um das Herz einer Frau zu erobern. Die Zeiten haben sich allerdings beträchtlich gewandelt. Was früher einmal als romantische Liebe durchgehen mochte, ist heute ein klarer Fall von Stalking. So wird aus Rushdies Ritter von der traurigen Gestalt ein peinlicher, alter, brauner Mann, der sich die Frau seiner Wahl mit Drogen gefügig machen muss. Mittels eines schmerzlindernden Sprays gelingt ihm das ohne weiteres, was Rushdie die Gelegenheit gibt, den bedenklich unbedenklichen Umgang mit Opioiden zu thematisieren. In den Vereinigten Staaten spricht man längst von einer Epidemie; Rushdie ist insofern davon betroffen, als seine jüngere Schwester an den Folgen einer solchen Schmerzmittel-Abhängigkeit gestorben ist.
Doch nicht nur "Don Quijote" dient ihm im neuen Roman als literarischer Stützpunkt, sondern viele weitere Werke mehr liefern Versatzstücke, mit denen er arbeitet. So hat auch der Zauberer von Oz immer wieder seine Finger im Spiel, wie auch Pinocchio und Moby Dick auftauchen sowie Ionescos absurder Dauerbrenner "Die Nashörner", ein Werk das herauf trampelnden Totalitarismus in ein absurdes Bild der Verwandlung übersetzt, nämlich das einer Nashörner-Plage. Bei Rushdie gibt es nun ein nach dem Schriftsteller benanntes Motor Inn, ein Motel also, in dem ein Mann an der Rezeption steht, der Ionesco verblüffend ähnlich sieht. Und wie in seinem Stück hört man auch rund um das Motor Inn lärmende Trompetenstöße, die Kenner des Stücks einwandfrei als Nashörner identifizieren dürfen, während Quichotte und Sancho einigermaßen ahnungslos reagieren:
"Genau in diesem Augenblick ertönte ein weiteres Mal das Trompeten, dieses Mal war es mehr als ein Trompeter, und es war nicht so weit entfernt. 'Was in aller Welt ist das für ein schrecklicher Lärm?', fragte Sancho. Der Motelbesitzer stieß ein kurzes Lachen aus, in dem mehr als nur ein Funke Nervosität steckte, wie es Sancho schien, vielleicht sogar Angst. 'Flügelhörner', sagte der Mann. 'In unserer Stadt leben viele begeisterte Flügelhornspieler, und sie üben gerne am Nachmittag.' 'Na ja', sagte Quichotte. 'Sie klingen nicht besonders talentiert. Ein scheußliches Getöse. Ich hoffe, sie üben nicht die ganze Nacht.‘"
Dass sie nicht besonders talentiert klängen, ist eine kleine Spitze gegen die Herden rechter Dickhäuter und den globalen Aufmarsch nationaler Ideale, doch im Gegensatz zu seinem vorherigen Roman belässt es Rushdie diesmal bei kleinen Invektiven und karikiert die politischen Zustände eher genüsslich.
Zentraler ist diesmal die Literatur selbst, die Frage, wie das Leben zu Literatur wird, was daran fiktiv und was wirklich ist. Rushdie verbeugt sich dafür vor den Größen der Weltliteratur und verweist auf etliche von ihnen. Die Anspielungen, die er macht – auf Literatur, Film, Musik, Klatsch – scheinen ohnehin endlos in diesem mit barocker Fülle prahlendem Roman: Shakespeare spukt als Hausgott über die Seiten, Romantitel sind für viele Scherze gut, der dänische Schriftsteller Hans Christian Andersen, dessen Skulptur tatsächlich im Central Park sitzt, meldet sich in diesem übergeschnappten Roman ebenso zu Wort wie auch eine sprechende Waffe. Es ist ein vergnügungssüchtiges Buch und immer wieder meint man, Rushdie im Hintergrund kichern zu hören. Seine auf Pointe geschriebenen Dialoge tun ihr Übriges. Wie gesagt: Nichts ist bei Rushdie unmöglich und Fiktion und Realität befinden sich bei ihm im trauten Schleudergang.
Das liegt zum einen am ganz grundsätzlichen Faible dieses Autors für Fantastik und Fiktionen aller Art. Schon mit seinem vielfach ausgezeichneten Roman "Die Mitternachtskinder", 1981 im Original erschienen, bewies er sein außerordentliches Talent für die magischen Momente der Wirklichkeit. Ergiebig verquickt er darin die Geschichtsschreibung rund um die Unabhängigkeit Indiens mit dem Zauber des Sagenhaften. Ein Leben und eine Fatwa später ist aus dem jungen indischen Autor ein Weltbürger und ein umfassend gebildeter Schriftsteller geworden, der nicht nur alles gelesen zu haben scheint, was Rang und Namen hat, sondern sich ebenso auskennt mit Sport, Pop und Trash. Diesmal hat er sich in Vorbereitung auf seinen Roman stundenlang die schlimmsten Fernsehsendungen reingezogen, Reality-TV, oder das, was sich dafür hält. Während Cervantes Held Ritterromane verschlingt, stopft Rushdies Quichotte Fernseh-Fastfood in sich hinein, wo es nur geht. Kurz: Er hält sich das Leben mit Dauerglotzen souverän vom Hals. So wie Cervantes sich kritisch mit dem Genre des Ritterromans auseinandersetzt, diesen in seinem Roman verachtet und ihn gleichzeitig persifliert, nutzt Rushdie die Niederungen des Fernsehens als Folie unserer Lebenswirklichkeit:
Eine Zeitenwende
"Zapp. Sportsender. Normal ist neun Innings, vier Bälle, drei Schläge, einer gewinnt, einer verliert, Unentschieden gibt es nicht. Normal ist unwirkliche Menschen, meist reiche unwirkliche Menschen, die Sex mit Rappern und Basketballspielern haben und ihre unwirkliche Familie für eine wirkliche Weltmarke halten wie Pepsi, Drano oder Ford. Zapp. Nachrichtensender. Normal ist Gewehre und das normale Amerika, das wirklich wieder groß sein will. Dann gibt es ein anderes normal, wenn deine Haut die falsche Farbe hat, und noch ein anderes, wenn du glaubst, Bildung sei Gehirnwäsche, und es gibt ein Amerika, das an Impfungen für Kinder glaubt, und ein anderes, das behauptet, das sei Schwindel, und alles, was einer für normal hält, ist für einen anderen eine Lüge, und sie alle sind im Fernsehen, es hängt davon ab, wohin du siehst, darum, ja es ist verwirrend. Ich bemühe mich wirklich zu verstehen, was Amerika heute ist. Zapp, zapp, zapp."
Rushdie beäugt seine Zeit, eine aus den Fugen geratene Medienlandschaft und das Land, in dem er lebt. Eine Seite später spricht er von einem Präsidenten, der aussieht wie ein Weihnachtsschinken und so spricht wie Chucky, die Kinderpuppe aus der gleichnamigen Kinderhorror-Serie. Wahre Worte, die lustig wären, hätte er sich das bloß ausgedacht. Doch das, was Rushdie oder auch der Autor im Roman in der Lage sind, sich auszudenken, hält mit der Wirklichkeit schon lange nicht mehr Schritt. Dass es einmal eine Zeit gab, in dem etwa Neil Postman sich über den erhöhten Fernsehkonsum unter dem Schlagwort "Wir amüsieren uns zu Tode" warnte, wirkt retrospektiv betrachtet fast ein bisschen rührend. Bei Rushdie ist es nicht nur das Fernsehen, sondern auch das Internet, das weitreichende Folgen zeitigt. Die Shitstorms unserer Tage fungieren im Buch als die Windmühlen, gegen die sich nicht kämpfen lässt. Eine Zeitenwende; Folgerichtig spricht Rushdie, analog zu vor und nach Christi Geburt, von einer Welt vor und einer Welt nach Google:
"Sagen wir einfach, v.G., was so viel heißt wie 'vor Google'. Die Welt vor der Geburt des Monsters, zu dem das Internet geworden ist, vor dem Zeitalter der elektronisch propagierten Hysterie, in dem Worte zu Bomben werden, die ihre Nutzer in die Luft sprengen, und jede öffentliche Äußerung kann eine Serie solcher Explosionen auslösen. Unser Zeitalter, n.G., in dem der Mob herrscht und das Smartphone den Mob beherrscht."
In der deutschen Übersetzung findet sich diese Passage unter dem Stichwort "Rückschlag", bei Rushdie heißt es "Blowback". Sabine Herting entscheidet sich in ihrer Übertragung oftmals für eine wörtliche deutsche Übersetzung. Das geht oft gut und manchmal schief, wie bei "Das wirkliche Ding" für "the real thing" oder "Göttin aus der Maschine" für "Dea ex machina". Man stolpert auch an anderen Stellen; wer kann, liest das Buch besser auf Englisch.
Nicht nur die literarischen Anspielungen erweisen sich bei Rushdie als von ausufernder Vielseitigkeit, auch seine Verweise und Überleitungen zum so genannten echten Leben sind beträchtlich: Identitätspolitik und Cyberkrieg, Clash of Cultures, Korruption als Teil des indischen Nationalcharakters, Bodyshaming, MeToo-Debatte, Klimakatastrophe und und und. Ein Rundumschlag. Natürlich scheint es so, dass diejenigen, die mehr wissen, mehr kennen, mehr gelesen haben, im Vorteil sind und sicher erhöht es den Spaß, wenn man weiß, worauf die Witze hinauslaufen. So oder so: Hellwach sollte man beim Lesen dieses Buches schon sein. Abgehängt indes muss sich hier niemand fühlen, denn gerade die Unsicherheit und das Nichtwissen, ob hier gerade Fakten oder Lügen auf dem Spiel stehen, ist Teil des Vergnügens, das Rushdie sich und uns bereitet. Das im Roman erwähnte Erfolgsmusical etwa "Der Mann von La Mancha" könnte ebenso gut eine Schnapsidee von Rushdie sein wie selbstredend auch die allerorten real existierenden politischen Unmöglichkeiten. Und auch wer die italienisch parlierende Grille nicht aus Pinocchio kennt, wird seinen Spaß mit ihr haben.
Sein Spiel mit Lüge und Wahrheit bringt der Roman auf die knackige Kurzformel quixotisch. Ein Wort, das im Englischen existiert, im Deutschen nicht. Es kann kein Zufall sein, dass es in beiden Sprachen ein bisschen wie psychotisch und ein bisschen wie idiotisch klingt. Quixotisch ist die Zeit, in der wir leben, das unwirkliche 21. Jahrhundert. Quixotisch ist aber auch die zusammengeschrumpfte Welt der Gegenwart, in der niemand mehr von sich behaupten darf, eine Insel zu sein. Denn alles hängt mit allem zusammen, Indien mit Amerika, die Literatur mit dem Leben, die Lüge mit der Wahrheit.
Schachteltheorie des Romans
"'Einst haben die Menschen geglaubt, sie lebten in kleinen Schachteln, Schachteln, die ihre ganzen Geschichten enthielten, und haben keinen Anlass gesehen, sich darum zu sorgen, was die anderen Menschen in den anderen kleinen Schachteln machten, ob nun in der Nähe oder in der Ferne. Die Geschichten anderer Menschen hatten mit unserer nichts zu tun. Doch dann wurde die Welt kleiner, und alle Schachteln wurden gegeneinander gedrückt und sprangen auf, und da nun alle Schachteln mit all den anderen Schachteln verbunden sind, müssen wir verstehen, was in den anderen Schachteln vor sich geht, in denen wir nicht sind, sonst wissen wir nicht, warum die Dinge, die in unserer Schachtel geschehen, geschehen. Alles ist miteinander verbunden."
Diese Schachtel-Theorie siedelt in einem vielfältigen Referenzsystem, bezieht sich auf Migration und Globalisierung, aber auch auf die Black-Box-Theorie in der Psychologie, die sich mit inneren und äußeren Reizen beschäftigt, dem eigenen engen Horizont und der weiten Welt. Wer nicht fähig ist, über den Rand der eigenen Schachtel hinauszublicken, ist verloren. Aus vielerlei solcher Schachteln setzt sich auch dieser Roman zusammen. Auf die Frage eines Journalisten, ob er seinen Roman wie ein Haus gebaut habe, entgegnete Rushdie, es habe nichts mit Hausbau zu tun, es gäbe kein Fundament und kein Dach, das Ganze gleiche eher einer riesigen Wollkugel, aus der drei Fäden herausguckten, an denen er ziehe und ziehe und erst am Ende sähe, was da herauskomme. Diesmal ist es ein irrsinnig komischer literarischer Trip geworden, der sich die Welt, wie sie ist, zum Vorbild genommen hat und sie mit den Mitteln der Vorstellungskraft bekämpft. Dabei fragt er danach, was zuerst da war: die Wirklichkeit? Oder die Fiktion? Im Roman verschwimmen die Unterschiede zwischen beiden Sphären. In der so genannten Wirklichkeit zunehmend auch. Oder, wie es der Bruder genannte Schriftsteller im Roman einmal formuliert: "Es gab Momente, da meinte er, die ganze Welt sei ein Echo auf das Buch, das er gerade schrieb."
Salman Rushdie: "Quichotte"
Aus dem Englischen von Sabine Herting
Bertelsmann Verlag, München. 459 Seiten, 25 Euro.
Aus dem Englischen von Sabine Herting
Bertelsmann Verlag, München. 459 Seiten, 25 Euro.