Wie ein Uhrwerk schnurrt diese Opera buffa ab. Mannheims Generalmusikdirektor Dan Ettinger jagt die Wiener Philharmoniker vom Pult aus vor sich her. Mit Elan und zackigen Gesten stürzt sich der Dirigent in die turbulente Verwechslungskomödie. Er will das Werk sichtbar stemmen. Damit ihm nicht das Gleiche passiert, wie seinem Kollegen Christoph Eschenbach im vergangenen Jahr an derselben Stelle im Haus für Mozart. Eschenbach hatte seinen "Don Giovanni" dermaßen uninspiriert dirigiert, dass die Festspielleitung ihn vom Feld nahm und auf die Ersatzbank verwies oder noch weiter weg. Nach dem auch szenisch langweiligen "Don Giovanni" und einer wenig attraktiven "Cosí fan tutte" zuvor, musste es mit der dritten Mozart-Da-Ponte Oper in diesem Jahr einfach klappen.
Sven-Eric Bechtolf, Regisseur aller drei Mozart-Opern, braucht endlich einen Erfolg. Mit seinem Mozart-Da-Ponte-Zyklus schlägt er schließlich auf als noch recht frisch amtierender künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele. Aber um es gleich vorweg zu sagen - musikalisch hat ihm dabei sein neuer Dirigent Dan Ettinger nicht richtig geholfen. Natürlich kennen die Wiener Philharmoniker ihren heiligen Amadeus aus dem Effeff, aber die großen Ensemble-Partien mit ihren übereinandergelegten, höchst vertrackten Rhythmen im Orchester und unter den Sängern spielen auch sie nicht vom Blatt. Und Ettinger ist es nicht gelungen, das schurrende Räderwerk ausreichend mit Öl zu versorgen. Es lief alles andere als geschmiert. Es ruckelte immer wieder kräftig im Kasten. Anders das Bühnengeschehen. Dort war Boulevardkomödie vom Feinsten angesagt.
Kein großer Wurf
Wir sehen in die verschiedenen Zimmer eines herrschaftlichen Hauses zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Da das Libretto die Handlung in der Nähe von Sevilla ansiedelt, befinden wir uns also im Spanien der spätfeudalen Übergangszeit. Das Wohnambiente mit kargen Angestelltenstuben, edel getäfelten Wohn- und Schlafzimmern, Weinkeller voller Fässer, Bad samt Löwenfußwanne wirkt so echt wie in einem Historienfilm. Und der kluge Kunstgriff von Regisseur Bechtolf besteht nun darin, dass er immer wieder mehrere Zimmer gleichzeitig bespielt und die Irrungen und Wirrungen des kleinen Menschenkosmos des Herrenhauses lebendig macht. Außerdem inszeniert Bechtolf die vertrackte Handlung mit ihren plötzlichen Wendungen und Überraschungen auf den Punkt, wie es ein rasantes Boulevardstück nicht besser hinbekäme. Die Sänger spielen überzeugend mit. Auch wenn es stimmlich hier und da etwas mager klingt, wie bei Anett Fritsch als Gräfin Almaviva. Ihrem Sopran fehlen die tieferen, reiferen Frequenzen für diese wehmütige Rolle der betrogenen Ehefrau. Und ihr Vibrato ist viel zu unruhig. Von ungewöhnlich dunklem Timbre die Stimme des liebestollen Cherubino der Martina Janková. Eine ebenso eigenwillige wie interessante Besetzung.
Auch wenn dem Dirigenten Ettinger der rechte Zugriff auf die Partitur nicht gelingt, so muss man dennoch sein sehr einfühlsames und flexibles Spiel am Hammerklavier bewundern, mit dem er die Rezitative begleitet. Und was zeigt uns die neue Salzburger "Figaro"-Inszenierung über den spanischen Kontext der 1920er-Jahre hinaus? Alles. Der Zuschauer kann sich alles denken, was in der Oper so drin steckt. Eine eigene Deutung, eine unerhörte und unerwartete Fokussierung, die das Werk in einem besonderen Licht erscheinen lassen würde, liefert die Inszenierung nicht. Dass sie letztlich im Rahmen handwerklichen Könnens plus Meisterbrief bleibt, lässt sie etwas brav erscheinen. Ein großer Wurf ist der Da-Ponte-Zyklus von Sven-Eric Bechtolf nicht geworden. Dafür: ordentliches Ausstattungstheater für alle.