"Das Leben ist eine Tortur und wer das nicht tut, hat nichts begriffen."
Da ist er also zurück: leibhaftig. Der Schauspieler Sven-Eric Bechtolf. Er spielt wieder und tut damit das, was er wirklich kann. Allerdings tut er dies noch unter der eigenen Intendanz und der eigenen Schauspieldirektion und hat sich damit das Stück, seine Mitspieler und auch seinen Regisseur selbst aussuchen können. Und damit tat er das, was er in den letzten Jahren getan hat und was er vielleicht nicht so gut kann: den Spielplan eines Festivals gestalten. Oder: Regisseure einladen, die interessante und aktuelle Sichtweisen auf Texte haben. Insbesondere letzteres allerdings stand nie auf der Agenda von Sven-Eric Bechtolf, der dezidiert stolz ist auf sein - sagen wir - konservatives Theaterverständnis - und auch sein Spielplan war selten für Überraschungen gut, und wenn, dann waren es eher welche der bösen Sorte. Puppenspiele etwa oder Shakespeare als Musical.
Paraderolle für Bechtolf
Und nun hat er sich also ein Thomas-Bernhard-Stück auf den Spielplan gesetzt, das sich in für diesen Autor typischen Suaden um das Leben im Allgemeinen dreht und das Theater im Besonderen. Immerhin enthält "Der Ignorant und der Wahnsinnige" eine Paraderolle, den Wahnsinnigen nämlich, den Arzt. Er ist es, der in der Garderobe der Sängerin der Königin der Nacht im Beisein des blinden Vaters eben dieser Sängerin, über das Leben sinniert und das Theater. Und das eingebettet in einen Monolog, der sich eigentlich ständig um das Sezieren einer Leiche dreht:
"Der Obduzent tritt immer an die rechte Seite der Leiche. Der Kopf der Leiche ist auf einen Holzblock zu legen."
Nah am Rande des Boulevards
Natürlich ist auch "Der Ignorant und der Wahnsinnige" im Grunde eine Komödie. Thomas Bernhard schrieb seine Stücke, seine Wortkaskaden, die er seinen manisch monologisierenden Figuren in den Mund legt, immer auch mit einem schwarzen Humor, dessen Wonne wohl insbesondere auch in den Publikumsbeschimpfungen lag.
Dass diese heute längst ihre Schlagkraft verloren haben, dass überhaupt wohl eher die Romane als die Theaterstücke von Thomas Bernhard heute noch relevant sind, das scheint auch Sven-Eric Bechtolf im Grund klar gewesen zu sein, als er sich für dieses Stück entschied, spielt er doch seinen Arzt mit einem so überzeichneten Gestenrepertoire und so auf Pointen, dass er das Stück nah an den Boulevard zerrt, was dieses wiederum auch nicht verdient hat.
Kein wirkliches Gegenüber
Dabei hat er in dem Regisseur Gerd Heinz wohl kein wirkliches Gegenüber gehabt. Der jedenfalls verschwindet so unsichtbar in einem bloßen Arrangement, dass Bechtolf eindeutig den Ton angegeben hat und die anderen Spieler ihm gefolgt sind. So spielt Christian Grasshoff, wenn er denn mal zu Wort kommt, seine Vaterfigur noch einmal aufgedrehter, am Rande der Farce, und auch Annett Renneberg als vor sich hin "koleraturende" Königin der Nacht bleibt nicht frei von szenischen Manierismen.
Eigentlich ist das schade, sind doch alle drei gute Schauspieler und hätten im Grunde ein wirklich gutes und vor allem für ein Heute relevantes Stück verdient und auch einen guten und vor allem starken Regisseur. Beides aber war in dieser Konstellation nicht zu bekommen, wobei wir wieder bei Sven-Eric Bechtolf wären.
Der immerhin kann sich noch einmal so richtig über die Feuilletons auskotzen, die allerdings, das muss man zugeben, mit seiner Schauspieldirektion tatsächlich überwiegend hart ins Gericht gegangen sind:
"Einen Menschen wie mich ekelt noch immer vor dem tagtäglichen Empfindungsreichtum des Feuilletonismus."
Nun gut, es sei ihm gegönnt und ihm und auch uns als Publikum gewünscht, dass Sven-Eric Bechtolf nach Salzburg wieder wirkliche und starke Regisseure zurück auf die Bühne helfen.