Beim Ruf des Muezzin ist allerhand los in den Straßen von Algier: Unterweltboss Mustafa Bey wird von seiner Gattin Elvira im Schlafzimmer nach allen Regeln weiblicher Kunst umgarnt, während seine Hehlerbande Fernsehgeräte und eine ganze Fußballmannschaft aus dem Hafen herschleppt. Christian Fenouillats wandlungsfähiges Bühnenbild zeigt Innen- wie Außenansichten des heutigen Algier samt hereinfahrenden Kamelen und weißem Mafia-Mercedes. Lachmöven fliegen gelegentlich am Fenster vorbei, und das Publikum im Salzburger Haus für Mozart hat ebenfalls viel Gelegenheit zum Schmunzeln und Kichern. Moshe Leiser und Patrice Caurier scheuen sich nicht, nationale Eigenheiten und menschliche Schwächen auf die Rossini-Schippe zu nehmen: Der stattliche Peter Kálmán als Mustafa Bey trägt zu Glatze und Vollbart einen extra dicken Bauch in Unterwäsche zur Schau, die Mitglieder seiner Magreb-Bande in Trainingsanzügen mit Baseball-Kappe qualmen Shisha zum Takt der Musik und Cecilia Bartoli im leuchtend roten Sommerkleid lässt sich von Begleiter Taddeo die bloßen Schultern mit Sonnencreme einreiben.
Bartolis nackte Schultern
Die emanzipierte, schlaue und temperamentvolle Italienerin auf der Bühne zu spielen, ist nicht schwer für Cecilia Bartoli. Schließlich hat sie all diese Eigenschaften auch in ihrer Doppelrolle als künstlerische Leiterin und Starsolistin der Salzburger Pfingstfestspiele in den letzten Jahren mehrfach unter Beweis gestellt. Ihr Rollendebüt als Isabella zeigt die Sängerin erneut in Höchstform: Fein abgestimmt mit dem samtig gedämpften und temporeichen Rossiniklang des Ensemble "Matheus" unter Jean-Christophe Spinosi gurrt und zwitschert die Bartoli ihre Koloraturen und versprüht Charme und Erotik mit jedem Ton und viel Augenzwinkern. Wenn sie splitternackt im Schaumbad ihre Verführungsarie singt, bleiben nicht nur die Münder der Männer auf der Bühne offen stehen.
Viele neue Regieeinfälle für die Italienerin
Edgardo Rocha singt mit strahlend schönem Tenor den Geliebten Lindoro, der als lässiger Rastafari-Typ den ausgefuchsten Machenschaften seiner Isabella cool zusehen kann. Alessandro Corbelli als altern Taddeo muss genau wie Mustafa die Hosen runter lassen und wird in der finalen Pappataci-Szene ordentlich zum Affen gemacht. Immer wenn man das Gefühl hat, die Regie greife auf altbekannte Mittel wie Zeitlupenbewegungen zur furiosen Musik, oder im Irrsinn erstarrte Protagonisten zurück, fällt Leiser und Caurier doch noch etwas Neues ein: Wie Autoscooter herumfahrende Polstersessel, Videoprojektionen von Anita Ekbergs Bad im Trevibrunnen, die von Isabella befreite, genüsslich Spaghetti mampfende Italienische Fußballnationalmannschaft. Diese neue Italienerin in Algier macht einfach Spaß als szenisch wie musikalisches Rossini-Feuerwerk und ist ein weiterer Triumph für Cecilia Bartoli.