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Sammeln für den Regenwald

Regenwälder wirken der Klimaerwärmung entgegen. Doch Brasilien beispielsweise will den Regenwald teilweise wirtschaftlich erschließen. Geplant sind Staudammprojekte und die Ausweitung des Soja- oder Zuckerrohranbaus - nicht zuletzt für den Biotreibstoffmarkt. Wie es anders gehen kann, zeigen Früchteproduzenten im brasilianischen Amazonasbundesstaat Pará.

Von Eva Voelpel und Nils Brock |
    Langsam gleitet das Boot in eine der kleinen Verzweigungen des unteren Rio Toncantins. Dichte Vegetation bestimmt hier das Bild. Am Ufer tauchen immer wieder einfache, auf Pfählen gebaute Holzhütten auf. In ihnen leben die Ribereinhos, die traditionellen Flussuferbewohner der Region. 130 solcher Ribereinho-Familien haben sich auf der Insel Campompeiman zu einer Kleinbauernkooperative zusammengeschlossen. Raimundo ist einer von ihnen:

    "Ich heiße Raimundo. Ich bin Bauer, koordiniere die Kooperation der Flussbewohner. Und ich bin eine Art Multiplikator, arbeite mit den anderen Familien zusammen, um den Wald nachhaltig zu bewirtschaften, vor allem, was den Anbau von Nutzpalmen und Açaí angeht."

    Kakao- und Reisanbau und vor allem der Anbau von Zuckerrohr für die Produktion von Zuckerrohrschnaps haben dem Wald sehr zugesetzt. Die Açaí-Palme hingegen, deren Früchte die Kleinbauern nutzen, gehört zur ursprünglichen Vegetation und pflanzt sich selbst aus. Ihre Wurzeln schützen den Boden vor Erosion und die Palme hilft, den Wasserstand des Amazonas bei Überschwemmungen zu regulieren. Ihre Früchte dienen zudem verschiedenen Vogelarten als Nahrung. Das erklärt uns Lorenzo aus der Kooperative, während er vertrocknete Palmblätter abreißt und auf den schlammigen Boden wirft, damit sie sich dort zersetzen.

    "Hier gab es praktisch keine anderen Arten mehr, wegen des Zuckerrohrs. Heute bauen wir dagegen viele Pflanzen gemeinsam an, Açaí, den Ingá-Baum. Dann natürlich den Rosenapfel mit seinen roten Früchten, auch Limonen. Und Arten, die hier immer schon vorkamen, wie Andiroba. Wenn einem daran gelegen ist, die Artenvielfalt zu erhalten, muss man danach schauen, welche Pflanzen Gewinn versprechen und welche helfen, die Natur zu erhalten."

    Die Bewohner von Campompeiman gewinnen aus den Früchten der verschiedenen Pflanzen Saft und Öle, die für Medizinalprodukte genutzt werden. Im Mittelpunkt ihrer extensiven Waldbewirtschaftung stehen jedoch die kleinen, roten Früchte, die in Büscheln hoch oben an der schlanken Açaí-Palme wachsen. In Brasilien ist Açaí weitverbreitet, der dunkelrote Saft der Früchte wird als Fitness- und Erfrischungsgetränk oder als nahrhafte Paste verkauft. Auch in Deutschland wird Açaí bekannter. Man kann es als Saft oder in Kapselform als Nahrungsergänzungsmittel kaufen, denn die "Superbeere" ist extrem reich an gesundheitsfördernden Antioxidanzien, die freie Radikale im Körper neutralisieren, aber auch an Mineralstoffen, Proteinen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

    Eine Bootsfahrt später stehen wir in einem bescheidenen Gebäude mit ein paar Kühlkammern und Maschinen. Arbeiterinnen in weißen Kitteln schälen die intensiv süß duftende Cupuaçu-Frucht, eine weitere Amazonasspezialität. Lorenzo erklärt uns, wo wir sind:

    "Die ganze Infrastruktur hier geht auf Adempa zurück und wird von der Kooperative verwaltet. Adempa, das ist ein gewerkschaftlicher Verein mittlerer und kleiner Produzenten, sie haben uns geholfen, an Kredite der Regierung zu kommen, als Hilfe für die Produktion."

    Zu Fruchtmark verarbeitet und in Beuteln eingefroren, werden die Produkte der Kleinbauern auf die umliegenden Märkte transportiert. Einen Teil findet über Zwischenhändler den Weg in den Export, vor allem in die USA. Das Ökosiegel einer Schweizer Organisation attestiert, dass die Açaí-Früchte der Ribereinhos von Campompeiman aus nachhaltiger Amazonasbewirtschaftung stammen. So verdienen die Kleinbauern ein paar Cent mehr. Und weil sie sich zu einer Kooperative zusammen geschlossen haben, können sie sich auch einigermaßen gegen die Preisdrückerei der Zwischenhändler wehren. Ein bescheidener wirtschaftlicher Erfolg, der den 130 Familien ein Auskommen sichert. Am sichtbarsten ist der Erfolg jedoch an den Flussufern: Statt ausgedehnter Zuckerrohrfelder, breiten dort heute wieder Açaí-Palmen ihre Wedel über eine vielfältige Flora und Fauna.