Jasper Barenberg: Nichts Geringeres als einen Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequente Abschiebungen hat Horst Seehofer ja angekündigt, als er das Amt des Innenministers in Berlin übernahm. Aber bei dem zentralen Baustein, bei den sogenannten Ankerzentren nämlich, zusammengesetzt aus den Worten Ankunft, Entscheidung und Rückführung, da hakt die Sache. Schon im Herbst will Horst Seehofer mit bis zu sechs solcher Einrichtungen starten, aber die meisten Länder winken bislang ab oder wollen bei sich alles so lassen wie es ist.
Schon beschlossen sind die sogenannten Ankerzentren in Bayern. Jeder der sieben Regierungsbezirke soll eines bekommen. Umsetzen wird das Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen.
Joachim Herrmann: Guten Morgen und grüß Gott!
Barenberg: Herr Herrmann, wozu braucht es die Ankerzentren, wie sie sich Horst Seehofer vorstellt?
Herrmann: Es sind Ankerzentren, wie sie im Koalitionsvertrag von CDU und CSU und SPD gemeinsam vereinbart worden sind. Es geht darum, dass in diesen Einrichtungen künftig alle, die neu als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, entsprechend ihr Verfahren erleben, dass dort alle zuständigen Behörden konzentriert beisammen sind, das heißt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die jeweilige Landesausländerbehörde, dass dort natürlich die Sozialverwaltung zugegen ist, dass dort die Möglichkeit besteht, gegebenenfalls auch Rechtsmittel einzulegen, dass dort auch für den Beginn der Integration derer, die einen Anerkennungsbescheid bekommen, die Bundesagentur für Arbeit präsent ist - das alles kompakt beisammen, um die Verfahren so schnell wie möglich durchzuziehen.
Zielsetzung "gemeinsam mit SPD vereinbart"
Barenberg: Herr Herrmann, das gibt es ja in Bayern schon. Das gibt es auch in anderen Ländern, Hessen beispielsweise, das Saarland oder Baden-Württemberg. Aus diesen Ländern war jetzt im Vorfeld zu hören, wir haben gut funktionierende und passende Angebote, um Flüchtlinge zu erfassen, zu betreuen und zu integrieren. Wie wollen Sie die Verantwortlichen denn überzeugen, das System jetzt aufzugeben?
Herrmann: Wenn all das, was im Koalitionsvertrag als Ziel formuliert ist, schon in bestimmten Einrichtungen realisiert ist, dann ist das ja okay. Wir haben das in Bayern auch schon in mehreren Einrichtungen. Wir bringen die jetzt auf den einheitlichen Standard. Und wenn ein anderes Land das auch schon hat, dann ist das gut. Ich sage nur, ich glaube, es gibt bislang kaum Einrichtungen in Deutschland, wo zum Beispiel auch die Bundesagentur für Arbeit schon präsent ist. Aber sollte das schon der Fall sein, ist das auch okay. Das Entscheidende ist ja nicht, dass man sich über den Namen streitet, sondern dass das erreicht wird.
Und noch mal: Die Zielsetzung, die wir gemeinsam auf Bundesebene mit der SPD vereinbart haben, ist, dass künftig alle, die neu nach Deutschland kommen, in solchen Einrichtungen das Verfahren durchlaufen und dort bleiben, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Ich weiß nicht, welche Länder in der Tat das schon so ausgestaltet haben, dass 100 Prozent aller neu ankommenden Flüchtlinge in der Tat in diesen Einrichtungen ihr Verfahren erleben können.
Barenberg: Hessen, das Saarland und Baden-Württemberg behaupten das wie gesagt jedenfalls, nehmen das für sich in Anspruch. Es gibt ja außerdem schon 25 sogenannte Ankunftszentren. Geht es eigentlich nur darum, ein neues Schild an die Eingangstür zu hängen?
Herrmann: Nein! Es geht darum, noch einmal, so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart, dass in ganz Deutschland dieses System, egal wie Sie es nun nennen wollen - wir haben uns im Koalitionsvertrag auf die Abkürzung Anker eingerichtet, aber es kommt auch nicht auf diesen Namen an. Aber es kommt darauf an, dass in ganz Deutschland dieses System so realisiert wird, dass die Verfahren beschleunigt werden …
"Von der Größenordnung her überschaubar"
Barenberg: Und genau da, wenn ich Sie unterbrechen darf, genau da sagt Thüringens Innenminister Georg Maier beispielsweise von der SPD, er kann überhaupt nicht erkennen, wo genau die Beschleunigungswirkung besteht. Und andere weisen ja auch daraufhin, dass, wenn es um fehlende Papiere, um ärztliche Atteste geht, die nicht da sind, oder die mangelnde Bereitschaft von Herkunftsländern geht, da gar nicht die Kommunen oder die Länder verantwortlich sind, sondern da liegt der schwarze Peter beim Bund.
Herrmann: Selbstverständlich muss der Bund auch dazu beitragen. Aber für die Verfahrensbeschleunigung ist es zweifellos von Vorteil - und das haben wir ja in Bayern, wo wir das schrittweise schon in vielen Bereichen eingeführt haben, auch erlebt -, dass natürlich die Verfahren vereinfacht werden, beschleunigt werden, wenn die Behörden alle an einem Ort beisammen sind und auch der jeweilige Flüchtling nicht zwischen verschiedenen Einrichtungen hin- und hergeschoben wird. Wohl gemerkt aber auch, wenn am Schluss ein Ablehnungsbescheid durch das zuständige Bundesamt erlassen wird und der dann gegebenenfalls auch noch durch ein Verwaltungsgericht bestätigt wird, dann ist die Zielsetzung, aus dieser Einrichtung heraus jemand unmittelbar dann auch wieder in seine Heimat zurückzuführen.
Barenberg: Ist es gut für das Zusammenleben in Deutschland und für die Integration von Geflüchteten, wenn man sie anderthalb Jahre lang in einer solchen Einrichtung kaserniert?
Herrmann: Was kaserniert heißt, müssen Sie wissen. Jedenfalls heißt das nicht, dass jemand da eingesperrt ist und die Einrichtung nicht verlassen dürfte. Die Betreffenden haben die sogenannte Residenzpflicht. Das heißt: Jemand, dem gesagt wird aus bayerischer Sicht, er hat das Verfahren jetzt in Regensburg zu durchlaufen, der kann nicht einfach sagen, ich ziehe jetzt nach Hamburg. Wenn er einen Asylantrag gestellt hat, dann muss er bis zum Abschluss des Verfahrens da bleiben. Aber es ist nicht so, dass er die Einrichtung nicht verlassen dürfte, sondern er kann natürlich genauso auch spazieren gehen, er kann in die Stadt einkaufen gehen, was auch immer. Klar ist auf jeden Fall, hier wird das Verfahren zügig entsprechend durchgezogen, und es sind, wohl gemerkt, durchaus Einrichtungen, die dann auch von der Größenordnung her, soweit überschaubar sind. Ich glaube, wir haben beispielsweise in unserer Einrichtung in Bamberg eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von sieben oder acht Monaten. Es gibt in Einzelfällen mal jemand, der da eineinhalb Jahre ist. Es gibt viele, die schon nach drei Monaten die Einrichtung verlassen, weil sie einen positiven Bescheid bekommen haben. Der Durchschnitt in Bamberg liegt bei sieben bis acht Monaten.
Rechte von Asylbewerbern nicht tangiert
Barenberg: Herr Herrmann, die Caritas und die Diakonie, im Grunde beide christlichen Kirchen, lehnen das Konzept der Ankerzentren ja klar ab. Sie sehen nicht nur die Rechte von Asylsuchenden in Gefahr, sondern befürchten auch Konflikte und soziale Spaltung. Hat das Argument für Sie Gewicht?
Herrmann: Ich kann überhaupt nicht erkennen, wieso die Rechte von Asylbewerbern hier tangiert sein sollen. Sie werden selbstverständlich in diesen Einrichtungen voll gewährleistet. Klar ist aber natürlich auch - ich weiß, das klingt für manche immer etwas hart, aber sie haben ein rechtsstaatliches Verfahren, und es ist auch klar, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht garantiert, jeden auf der Welt hier aufzunehmen und hier zu behalten, sondern dass geprüft wird, ob die Voraussetzungen für Asylrecht, für das Recht, Bürgerkriegsflüchtlinge entsprechend natürlich hier auch aufzunehmen, gegeben sind, oder ob jemand eben kein solches Recht hat. Und wenn er dieses Recht nicht hat, nach sorgfältiger rechtsstaatlicher Prüfung, dann muss er unser Land auch wieder verlassen. Das wollen manche nicht akzeptieren, aber das gehört zu unserer Rechtsordnung, und deshalb muss das natürlich entsprechend auch durchgesetzt werden.
Barenberg: Joachim Herrmann, der Innenminister Bayerns. Danke für das Interview heute Morgen.
Herrmann: Ich danke Ihnen auch. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Barenberg: Ihnen auch. - Tschüss!
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