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Sample aus altertümlich verrauschtem Beat

Schon der Titel des Albums war universell: "Play". Das kann Theater oder Kindheit meinen, Sex oder Musik. Trotzdem hoffte Moby 1999 auf bestenfalls 200.000 verkaufte Exemplare. Am Ende lief das Album dann überall - und wurde zehn Millionen Mal verkauft.

Von Bernd Lechler |
    Man konnte um die Jahrtausendwende kein hippes Café und keine Umkleidekabine betreten, ohne aus der Beschallungsanlage von einer altertümlich verrauschten Sängerin gefragt zu werden, warum es ihr so schlecht gehe. Gesungen Anfang der 50er-Jahre von einem Gospelchor, gesamplet und mit einem Beat versehen von Moby, dessen fünftes Album "Play" außer durch Cafés und Umkleiden rund um den Globus auch durch Fernsehserien, Kinofilme, Werbespots und Dokumentationen schallte: das erste Album überhaupt, das Stück für Stück zu Soundtrackzwecken lizenziert wurde. Kein Zufall.

    Mit Techno hatte Moby angefangen, Mitte der 90er einen ersten Dancefloor-Hit gelandet und als Nächstes elektronischen Punkrock riskiert: Aber er hatte eben immer auch diesen hintergrundtauglichen Hang zum episch-atmosphärischen Wabern.

    Als dieser Track es in "Heat" schaffte, Michael Manns Thriller mit Robert De Niro und Al Pacino, da horchte die Filmmusikszene auf. Worauf Mobys Management sämtliche Soundtrackberater in Hollywood zur Dinnerparty lud und fürs nächste beschloss, beim Promoten seiner Musik nicht mehr wie üblich aufs Radio zu setzen, sondern auf Lizenzierungen.

    Er selbst schilderte es gern als Zufall, doch es war Strategie, es waren Hunderte Telefonate und Faxe, die das Album "Play" zum Jackpot machten, lange bevor es die Charts erreichte: Moby ertönte in Blockbustern wie "The Beach" und in Spots für American Express und Baileys, für Bier und Immobilien, für Renault und Nissan und BMW. Vor allem die Autowerbung war pikant für einen Mann, der sich ein paar Jahre zuvor aus Ökogründen in kein Taxi gesetzt hätte. Er hat diese Erträge dann gespendet. Radikal war er eh nicht mehr - und für geldgierig halten Moby nicht mal seine Feinde. Was er im Sinn gehabt war: ein emotionales Album.

    Anfang 1998, nach einigen Fehlstarts in teuren Aufnahmekomplexen, hatte Moby sich ins Ministudio in seiner Wohnung in Manhattan zurückgezogen. Er arbeitete allein ohne die Qualitätskontrolle eines Produzenten, weshalb er frisch aufgenommene Tracks in seinen Walkman packte und damit in den Straßen New Yorks spazieren ging. Wenn die Musik seinen Blick auf die Umgebung veränderte, taugte sie fürs Album. Wenn nicht, nicht. Unsicher war er trotzdem, bis er ein Tape an einen Produzentenfreund schickte, der sagte: Schöne Tracks, aber richtig toll finde ich ja die mit den alten Bluessängern! Da war der Dreh dann klar.

    Moby hatte Aufnahmen des Musikethnologen Alan Lomax entdeckt: Blues und Folk und Gospel aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gesang ohne Begleitung, den man wunderbar in andere Zusammenhänge stellen konnte.

    Die Arrangements auf "Play" sind sehr schlicht: Beat, bisschen Plastikklavier und Streicherteppich - aber sie funktionieren. Tanzbar und cool genug für die Clubszene; zugänglich und in den Songstrukturen traditionell genug für die Popcharts. Und dass der Gesang aus einer anderen Zeit stammte, verstärkte noch die etwas unwirkliche Melancholie der Songs.

    Apropos Melancholie: Wenn man ganz genau hinhört, dann heißt es in "Why Does My Heart Feel So Bad", dem größten Hit des Albums, gar nicht "bad", sondern "glad". Es geht der Sängerin gut! Sie singt von Gott.
    Die Melancholie ist die von Moby. Aber sie hatte auf seinen späteren Platten nie mehr so viel Seele wie auf "Play", als er die von toten Bluessängern geborgt hatte.