Gerwald Herter: Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao wird heute Abend in Berlin eintreffen. Er wirbt in Europa um Vertrauen. Wie so oft in den Monaten der Euro-Krise dürfte dabei wieder das berühmte Wort fallen, "Ein Freund in der Not ist ein echter Freund". Gemeint sind die chinesischen Aussagen, weiterhin Euro-Bonds und Staatsschulden in Europa aufkaufen zu wollen. Doch ist dies alles wirklich nur Hilfe unter Geschäftspartnern, die mittlerweile wirtschaftlich sehr eng verzahnt sind? China muss seine gewaltigen Devisenreserven investieren und will gleichzeitig auch in den Industrieländern mit seinen Firmen eine Macht werden.
China geht es also offenbar auch ganz massiv um Eigeninteressen. Ob Professor Dr. Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik diese Einschätzung teilt, kann er uns gleich sagen, denn wir sind jetzt mit ihm verbunden. Herr Sandschneider, guten Tag.
Eberhard Sandschneider: Schönen guten Tag!
Herter: China verfügt über die größten Devisenreserven der Welt. Da kann es nicht im chinesischen Interesse sein, dass der Euro schwächelt. Ist das, was der chinesische Regierungschef da als Entgegenkommen verkauft, tatsächlich gar kein Entgegenkommen, sondern nur Eigeninteresse?
Sandschneider: Es ist in jeder Beziehung auch Eigeninteresse. China hat ein gewaltiges Interesse daran, dass die internationale Finanzkonstruktion stabil bleibt, nicht nur, weil das Land selbst auf fast einer Trillion US-Dollar sitzt, sondern weil Chinas Handelsinteressen und Ressourceninteressen es auch notwendig machen notwendig machen, dass die finanzpolitische Stabilität gewährleistet ist. Was immer China dafür tun kann, wird das Land sicherlich in den nächsten Jahren auch aktiv beisteuern.
Herter: Und das muss sich aber mit unseren, den europäischen und deutschen Interessen, nicht zu 100 Prozent decken. Ungarn erwartet chinesische Investitionen. Solch ein kleines Land mag das mit gemischten Gefühlen aufnehmen.
Sandschneider: Das ist wohl so. Wenn Sie sagen, zu 100 Prozent decken, das wäre ja die Idealfassung. Man müsste fast schon dankbar sein, wenn 50 Prozent auch hinkämen. China verfolgt – das sieht man an vielen Beispielen – ganz konsequent zunächst einmal seine eigenen Interessen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, das tut jedes Land. Aber oft sind diese Interessen auch nicht unbedingt konkurrent mit unseren, insbesondere wenn es an die immer wichtiger werdende Frage – Sie haben in Ihrem Beitrag Kautschuk angesprochen – von Rohstoffen geht. China tritt ganz konsequent als Nachfrager auf, durchaus auch in offener Opposition zu den Interessen des Westens, Europas oder auch Deutschlands. Da liegen noch spannende Konfliktpunkte mit unserem chinesischen Partner vor uns.
Herter: Ganze Märkte werden da gekapert sozusagen. Kann das die Bundesregierung unberührt lassen?
Sandschneider: Ich glaube, zunächst einmal muss man vorsichtig sein. Bislang sind chinesische Investoren eigentlich immer hochgradig renditeausgerichtet aufgetreten. Keine Garantie, dass sie nicht früher oder später einmal auch politisch gesteuert auf die Idee kommen, Investitionsentscheidungen politisch einzusetzen. Aber bislang geht es um Diversifizierung, es geht um Renditesteigerung, es geht nicht um politische Abhängigkeiten. Aber die Gefahr ist natürlich gegeben.
Auf der anderen Seite muss man sagen, vermutlich werden auch die chinesischen Bäume an dieser Stelle nicht in den Himmel wachsen. Wir müssen uns immer in Erinnerung rufen, in den 80er-Jahren hatten wir ähnliche Ängste, einmal vor Japan, die sind alle so nicht eingetreten. Und man kann in Anbetracht der inneren Schwierigkeiten Chinas auch Fragezeichen setzen, ob das heute der Fall sein wird.
Herter: Wenn wir aber an Land Grabbing denken, zum Beispiel diesen massenhaften Landankauf in Afrika, oder eben das Erobern – so muss man das nennen – von Märkten in Afrika in kleineren Ländern, wie das China betreibt, muss man doch sagen, dass das nicht unbedingt marktwirtschaftliche Prinzipien sind.
Sandschneider: Genau das ist richtig und es wäre höchste Zeit, dass wir das begreifen. Wenn China sich mit den Ressourcen Afrikas im Blick auf afrikanische Märkte bewegt, dann hat das mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Das sind zum Teil mit massiver staatlicher Förderung agierende Unternehmen, die dort auch die Hersteller von Rohstoffen, die Produzenten von Rohstoffen direkt kontrollieren, indem sie sie übernehmen und sich nicht darauf verlassen, dass die früher oder später zu Weltmarktpreisen exportieren. China versucht, den Produzenten zu kontrollieren, der dann gar nicht mehr für den Weltmarkt zur Verfügung steht. Insofern wäre es höchste Zeit, dass Europa aufwacht und sich ein wenig die Frage stellt, wie die eigene Ressourcen-Versorgung in Zukunft aussehen soll.
Herter: Wird die Bundesregierung das dem chinesischen Premierminister Wen Jiabao klar machen?
Sandschneider: Ob sie das in dieser Deutlichkeit klar machen wird, vermag ich Ihnen nicht zu sagen, aber das Thema setzt sich allmählich auch in den Diskussionen hier in Berlin durch. Die Tatsache, dass der Wettlauf um Ressourcen zu einem großen strategischen Thema des frühen 21. Jahrhunderts wird, ist angekommen in der Politik, und natürlich setzt sich das auch gerade in bilateralen Gesprächen dieser Art in wachsendem Maße durch.
Herter: Das war Professor Dr. Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Internationale Politik. Herr Sandschneider, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Sandschneider: Bitte sehr.
China geht es also offenbar auch ganz massiv um Eigeninteressen. Ob Professor Dr. Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik diese Einschätzung teilt, kann er uns gleich sagen, denn wir sind jetzt mit ihm verbunden. Herr Sandschneider, guten Tag.
Eberhard Sandschneider: Schönen guten Tag!
Herter: China verfügt über die größten Devisenreserven der Welt. Da kann es nicht im chinesischen Interesse sein, dass der Euro schwächelt. Ist das, was der chinesische Regierungschef da als Entgegenkommen verkauft, tatsächlich gar kein Entgegenkommen, sondern nur Eigeninteresse?
Sandschneider: Es ist in jeder Beziehung auch Eigeninteresse. China hat ein gewaltiges Interesse daran, dass die internationale Finanzkonstruktion stabil bleibt, nicht nur, weil das Land selbst auf fast einer Trillion US-Dollar sitzt, sondern weil Chinas Handelsinteressen und Ressourceninteressen es auch notwendig machen notwendig machen, dass die finanzpolitische Stabilität gewährleistet ist. Was immer China dafür tun kann, wird das Land sicherlich in den nächsten Jahren auch aktiv beisteuern.
Herter: Und das muss sich aber mit unseren, den europäischen und deutschen Interessen, nicht zu 100 Prozent decken. Ungarn erwartet chinesische Investitionen. Solch ein kleines Land mag das mit gemischten Gefühlen aufnehmen.
Sandschneider: Das ist wohl so. Wenn Sie sagen, zu 100 Prozent decken, das wäre ja die Idealfassung. Man müsste fast schon dankbar sein, wenn 50 Prozent auch hinkämen. China verfolgt – das sieht man an vielen Beispielen – ganz konsequent zunächst einmal seine eigenen Interessen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, das tut jedes Land. Aber oft sind diese Interessen auch nicht unbedingt konkurrent mit unseren, insbesondere wenn es an die immer wichtiger werdende Frage – Sie haben in Ihrem Beitrag Kautschuk angesprochen – von Rohstoffen geht. China tritt ganz konsequent als Nachfrager auf, durchaus auch in offener Opposition zu den Interessen des Westens, Europas oder auch Deutschlands. Da liegen noch spannende Konfliktpunkte mit unserem chinesischen Partner vor uns.
Herter: Ganze Märkte werden da gekapert sozusagen. Kann das die Bundesregierung unberührt lassen?
Sandschneider: Ich glaube, zunächst einmal muss man vorsichtig sein. Bislang sind chinesische Investoren eigentlich immer hochgradig renditeausgerichtet aufgetreten. Keine Garantie, dass sie nicht früher oder später einmal auch politisch gesteuert auf die Idee kommen, Investitionsentscheidungen politisch einzusetzen. Aber bislang geht es um Diversifizierung, es geht um Renditesteigerung, es geht nicht um politische Abhängigkeiten. Aber die Gefahr ist natürlich gegeben.
Auf der anderen Seite muss man sagen, vermutlich werden auch die chinesischen Bäume an dieser Stelle nicht in den Himmel wachsen. Wir müssen uns immer in Erinnerung rufen, in den 80er-Jahren hatten wir ähnliche Ängste, einmal vor Japan, die sind alle so nicht eingetreten. Und man kann in Anbetracht der inneren Schwierigkeiten Chinas auch Fragezeichen setzen, ob das heute der Fall sein wird.
Herter: Wenn wir aber an Land Grabbing denken, zum Beispiel diesen massenhaften Landankauf in Afrika, oder eben das Erobern – so muss man das nennen – von Märkten in Afrika in kleineren Ländern, wie das China betreibt, muss man doch sagen, dass das nicht unbedingt marktwirtschaftliche Prinzipien sind.
Sandschneider: Genau das ist richtig und es wäre höchste Zeit, dass wir das begreifen. Wenn China sich mit den Ressourcen Afrikas im Blick auf afrikanische Märkte bewegt, dann hat das mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Das sind zum Teil mit massiver staatlicher Förderung agierende Unternehmen, die dort auch die Hersteller von Rohstoffen, die Produzenten von Rohstoffen direkt kontrollieren, indem sie sie übernehmen und sich nicht darauf verlassen, dass die früher oder später zu Weltmarktpreisen exportieren. China versucht, den Produzenten zu kontrollieren, der dann gar nicht mehr für den Weltmarkt zur Verfügung steht. Insofern wäre es höchste Zeit, dass Europa aufwacht und sich ein wenig die Frage stellt, wie die eigene Ressourcen-Versorgung in Zukunft aussehen soll.
Herter: Wird die Bundesregierung das dem chinesischen Premierminister Wen Jiabao klar machen?
Sandschneider: Ob sie das in dieser Deutlichkeit klar machen wird, vermag ich Ihnen nicht zu sagen, aber das Thema setzt sich allmählich auch in den Diskussionen hier in Berlin durch. Die Tatsache, dass der Wettlauf um Ressourcen zu einem großen strategischen Thema des frühen 21. Jahrhunderts wird, ist angekommen in der Politik, und natürlich setzt sich das auch gerade in bilateralen Gesprächen dieser Art in wachsendem Maße durch.
Herter: Das war Professor Dr. Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Internationale Politik. Herr Sandschneider, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Sandschneider: Bitte sehr.