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Sanfte Durchleuchtung

We are now in the Startiger room, which was the center for the Startiger project. It’s empty now, all the workers have now gone.

Frank Grotelüschen |
    Der Raum ist fast leer. Nur ein paar Schreibtische, leere Regale, ein Sofa mit zwei Sesseln. Monate zuvor hatte es hier noch ganz anders ausgesehen. Überall Computer, die Regale voller Elektronik, dazwischen Konstruktionsskizzen, Lötkolben, Kabel, Schrauben. Und mittendrin die Wissenschaftler. Einer telefoniert, einer lötet, ein dritter brütet über ausgebreiteten Plänen. Zwei diskutieren über irgendein Detail, andere hacken auf ihre Computertastaturen ein, und einer hockt grübelnd über seinem Kaffee. Übernächtigt sind sie und auch gestresst. Gleichzeitig aber stecken sie voller Euphorie.

    Das Projekt Startiger: elf Forscher, zusammengetrommelt aus sechs Ländern, jeder ein Experte auf seinem Gebiet. Das Labor verlassen sie nur, wenn es unbedingt sein muss. Vier Monate haben sie Zeit, um ein Gerät mit einem geheimnisvollen Namen zu entwickeln – die Terahertz-Kamera.

    Ein Plot wie in einem Agententhriller. Doch die Geschichte ist wahr.

    England, Anfang 2002, das Rutherford-Appleton-Labor unweit von Oxford. Der Physiker Chris Mann entwickelt eine Vision.

    Die Idee kam mir gemeinsam mit Peter de Maagt von der ESA, der Europäischen Raumfahrtagentur. Wir dachten uns, es müsste doch möglich sein, ein Forschungsprojekt wesentlich schneller durchzuziehen als üblich. Dazu müsste man sich für einige Monate voll und ganz auf ein Projekt konzentrieren. Und alle Werkzeuge und Geräte, die man braucht, müssten an einem Ort versammelt sein.

    Wir haben die Idee den Leuten von der ESA vorgestellt. Und sie fanden sie gut und haben das Projekt bewilligt. Dann schlugen wir vor, es mit der Entwicklung einer Terahertz-Kamera zu versuchen. Die Grundlagen dafür waren da, und wir wussten, dass es funktionieren kann. Die Sache brauchte nur den entscheidenden Kick.

    Wir nahmen uns vor, innerhalb von vier Monaten das Terahertz-Bild einer menschlichen Hand aufzunehmen. Bis dahin war so etwas nur mit großen und teuren Apparaten möglich gewesen. Wir aber wollten das mit einer relativ simplen und preiswerten Kamera machen. Die ESA hat uns das Geld gegeben und gesagt: Macht mal. Und wir haben dann mal gemacht.

    Im März schrieben wir die Stellen aus. Ende März führten wir die Bewerbungsgespräche. Anfang Mai wählten wir das Team aus. Und am 3. Juni fingen wir an.

    Die Kamera, um die es im Startiger-Projekt geht, ist keine normale Kamera. Kein Fotoapparat, der Licht auf einen Film bannt oder auf einen Digitalchip. Nein – die Startiger-Kamera hält nach anderen Wellen Ausschau, nach Terahertzwellen, kurz T-Rays.

    Der Fachmann bezeichnet als Terahertz-Bereich den Frequenzbereich von wenigen hundert Gigahertz bis hin zu einigen wenigen Terahertz.

    Professor Martin Koch, Leiter der Arbeitsgruppe Terahertz-Systemtechnik, Technische Universität Braunschweig.

    Es ist eigentlich gar nicht so was Besonderes und Geheimnisvolles. Es ist elektromagnetische Strahlung, genau wie Radiowellen oder sichtbares Licht.

    Radiowellen haben – man kennt es vom UKW-Empfang – eine Frequenz um die 100 Megahertz. Mega steht für Million. Radiowellen schwingen also 100 Millionen Mal pro Sekunde. Terahertzwellen haben eine deutlich höhere Frequenz. Tera heißt Billion. T-Rays schwingen also rund eine Billion Mal pro Sekunde.

    Der Terahertz-Bereich ist der Bereich, der zwischen dem Radiobereich liegt und dem Infrarotbereich, wo man schon die Strahlung sehen kann, wenn Sie eine heiße Ofenplatte sehen.

    Heinz-Wilhelm Hübers, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Berlin.

    Terahertzwellen sind absolut normal. Jedes Molekül emittiert ständig Terahertzwellen. Das Problem ist einfach, dass die meisten Terahertzwellen nur einige Meter Reichweite haben.

    Zwar sendet im Prinzip jeder Gegenstand Terahertzwellen aus. Gewöhnlich aber sind diese Wellen sehr schwach, und sie reichen nur ein paar Meter weit. Hinzu kommt, dass die Strahlen schwer zu messen sind. Weder die übliche Radiotechnik noch gängige optische Methoden können sie detektieren. Und schließlich ist es alles andere als einfach, T-Rays künstlich herzustellen, sprich: eine Terahertz-Lampe zu bauen. Das alles führt dazu, dass der Terahertz-Bereich einen weißen Fleck darstellt auf der Landkarte der elektromagnetischen Strahlung. Terahertz-Lücke – so nennen das die Fachleute. Während Radiowellen und Infrarotstrahlung längst Einzug in den Alltag gehalten haben, finden die T-Rays noch keine praktische Anwendung. Und das, obwohl sie höchst interessante Eigenschaften zeigen.

    Ein Stück schwarzes Plastik wäre im sichtbaren Spektralbereich nicht durchsichtig. Im Terahertz-Bereich ist es das aber sehr wohl. Die meisten Plastikmaterialien sind vollständig transparent.

    Und nicht nur Plastik, auch Papier oder Kleidung durchdringen die Terahertzwellen, als wäre es nichts. Das weckt bei Fachleuten wie Heinz-Wilhelm Hübers so manche Vision.

    Das ist eine der Überlegungen, Terahertzstrahlung zu nutzen für Sicherheits-Scanner von Personen an Flughäfen. Bislang die Scanner, die man verwendet, sind entweder Metallscanner, oder es sind Scanner mit Röntgenstrahlen für Gepäck. Röntgenstrahlen sind für Menschen nicht zulässig. Aber die Terahertzstrahlen sind für Menschen ungefährlich. Da die Terahertzstrahlen Kleidung durchdringen, könnte man sozusagen bis auf den nahezu nackten Menschen runtergucken und würde versteckte Waffen sehen können. Und gerade jetzt in den letzten 1,5 Jahren ist das zu einer sehr wichtigen Thematik geworden.

    Vision Nummer 2: Terahertzwellen durchleuchten Verpackungen und erkennen schlechte Ware oder ungenaue Füllmengen. Martin Koch:

    Wichtig erscheint mir die Untersuchung von Lebensmitteln. Wir stehen da in Kontakt mit der Industrie und haben da erste Untersuchungen angestellt. Das sind sehr viel versprechende Ergebnisse, dass man z.B. Fremdkörper in Lebensmitteln detektieren könnte oder schauen könnte, ob eine Frucht noch gut ist oder schon Verfäulungsprozesse zeigt.

    Vision Nummer 3: Terahertzwellen durchleuchten die Post und spüren Biowaffen wie Milzbranderreger auf. Das Prinzip funktioniert. Das zeigen erste Untersuchungen.

    Allerdings wird es da in der Praxis, wenn man große Mengen von Briefen durchleuchten will, sicher Schwierigkeiten geben. Und es wird einer Menge Entwicklungsarbeit bedürfen, dass man das zuverlässig hinbekommt.

    Vision Nummer 4: Terahertzwellen übertragen drahtlos riesige Datenmengen – und zwar bis zu 1000 Mal schneller als heute.

    Eine wichtige Anwendung, die wir vielleicht eines Tages so in 20 Jahren haben werden, ist die Indoor-Kommunikation mit Terahertz-Strahlung. D.h. dass man kleine Funkzellen, die sich nur über ein oder zwei Räume erstrecken, dass man dort drahtlos mit Terahertz-Trägerfrequenzen Bürogeräte vernetzen kann. Es gibt ja jetzt schon das System Bluetooth, was bei etwas über 2 Gigahertz arbeitet, oder das sog. Wireless LAN. Das sind Systeme, die schon eine sehr hohe Bandbreite bieten, die für heutige Anwendungen sicher ausreichend ist. Aber wir wissen ja alle, wie sich die Technik in den letzten Jahren entwickelt hat. Wir können noch gar nicht sagen, welche Anforderungen und Wünsche wir in 20 Jahren haben. Wenn es dann so sein wird, dass wir riesige Datenmengen übertragen wollen, dann wird Terahertzstrahlung eine ganz wichtige Alternative sein.

    Vision Nummer 5: Terahertzwellen helfen bei der Früherkennung von Hautkrebs. Der Arzt kann genauestens erkennen, wie groß der Tumor ist und wieviel Gewebe er bei einer Operation wegschneiden muss.

    Es gibt eine Forschergruppe in England, die konnten das sog. Basalzellenkarzinom, das ist eine Krebsart, mit einer großen Sicherheit detektieren. Allerdings ist das auch etwas, was der geübte Dermatologe sicherlich mit bloßem Auge auch kann. Was man aber nicht sehen kann mit bloßem Auge ist: Wie tief erstreckt sich das Karzinom ins Gewebe hinein? Die Forscher in England können eben sehen, wie tief der Tumor das Gewebe durchsetzt hat.

    Und es gibt noch weitere Ideen: Terahertzwellen sollen versteckte Landminen aufspüren, sollen Karies klarer und schonender sichtbar machen als Röntgenuntersuchungen, sollen im Zoo das dichte Fell von Löwen und Bären durchdringen, und zwar für einen ungefährlichen Gesundheitscheck der Tiere. Das alles war bis vor kurzem noch reine Fiktion. Nun aber steht die Terahertz-Technologie in den Startlöchern, meint Heinz-Wilhelm Hübers.

    Der Grund, weshalb es erst jetzt wirklich zu Tragen kommt, liegt an erheblichen Fortschritten in der Technologie, die man in den letzten 5 bis 10 Jahren gemacht hat.

    Das Rutherford-Appleton-Labor nahe Oxford. Es ist der 3. Juni 2002, und Chris Mann und sein Startiger-Team legen los. Ihr Ziel: die Entwicklung einer simplen, aber brauchbaren Terahertz-Kamera.

    Als erstes mussten wir unseren Raum einrichten. Hier standen zwar Computer der neusten Generation herum, wir mussten aber noch die Software installieren. Wir haben sogar eigenhändig Möbel hochgeschleppt, weil wir keine Zeit hatten, auf die Möbelpacker zu warten. Die erste Woche war unglaublich hektisch. Das war eine große Herausforderung für das Team. Die Leute mussten sich ja erst mal kennen lernen, sich zusammenraufen, um miteinander arbeiten zu können.

    Es war eine bunte Mischung von Leuten. Der älteste war Ende 40, der jüngste gerade 20. Eine Italienerin, ein Deutscher, ein Franzose, zwei Spanier, der Rest kam aus Irland und England. Was alle gemeinsam hatten, war ein unglaublicher Enthusiasmus.

    Die Teammitglieder kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Mikromechanik, Elektronik, Physik. Es war also immer jemand da, der eine Frage beantworten konnte oder zumindest jemanden kannte, den er anrufen konnte. Jeder von uns hatte ein Mobiltelefon, mit dem er jederzeit einen Experten von außerhalb anrufen konnte.

    Am Anfang hatten wir nur einen grobe Marschrichtung, wann wir welchen Meilenstein erreicht haben wollten. Aber es gab mehrere Möglichkeiten, diese Zwischenziele zu erreichen. Also zogen wir uns ein Wochenende nach Südengland zurück, um dort zu surfen und bergsteigen zu gehen, aber auch, um uns hinzusetzen und all die verschiedenen Möglichkeiten zu diskutieren und herauszufinden, was überhaupt in vier Monaten machbar war. Schließlich war der Plan fertig, und wir teilten uns in kleinere Gruppen auf, die die einzelnen Komponenten entwickeln sollten.

    In den Labors darf weder gegessen, getrunken noch geraucht werden und auch keine Fotoaufnahmen gemacht werden. Es sind Laborbedingungen, da hat halt Sauberkeit zu herrschen. Und Fotografieverbot ist vor allem um der Geheimhaltung willen. Schließlich ist es aktuelle Forschung. Und es gibt andere Forschungseinrichtungen bzw. Unternehmen, die gern von den neusten Entwicklungen profitieren würden.

    TU Braunschweig, das Labor der Arbeitsgruppe Terahertz-Systemtechnik. Hier entwickeln Frank Rutz und seine Kollege Thomas Kleine-Ostmann neue Technologien in Sachen T-Rays. Herzstück ihres Labors ist ein großer Tisch, die optische Bank.

    Die ist etwa 2 Meter breit und 4 Meter lang. Und da befinden sich die ganzen Komponenten, die nötig sind, um die Terahertzstrahlung zu erzeugen. Und damit die Erzeugung der Terahertzstrahlung störungsfrei geschieht, muss diese optische Bank schwingungsgedämpft sein. Deshalb ist diese Bank sehr solide und auch auf Dämpfern gelagert.

    Auf der Bank stehen, scheinbar völlig regellos, lauter Spiegel und Linsen. Sie führen einen Laserstrahl kreuz und quer über den Tisch.

    Das Kernstück ist ein Titan-Saphir-Laser. Das ist in diesem großen schwarzen Kasten ganz am Ende. Der stellt Laserpulse zur Verfügung, die dann zu Terahertz-Pulsen umgewandelt werden.

    Frank Rutz öffnet eine Klappe, und man erkennt das komplexe Innenleben des schwarzen Kastens: mehrere hintereinander geschaltete Laser. Sie erzeugen extrem kurze Blitze.

    An der Austrittsöffnung von dieser Kiste befindet sich ein Schlitz, aus dem das Laserlicht rauskommt. Das ist rotes Licht. Und das sind kurze Laserpulse mit 20 Femtosekunden Dauer. Und es sind 80 Millionen Pulse pro Sekunde.

    Eine Femtosekunde ist der millionste Teil einer milliardstel Sekunde. Die vielen Spiegel und Linsen auf dem Tisch führen die Laserblitze zum eigentlichen Versuchsaufbau – einem Halter, in dem ein spezieller Halbleiterchip befestigt ist.

    Da stehen Antennen, Halbleiterantennen. Auf die werden die Laserpulse fokussiert. Die Laserpulse sind so intensiv, dass in dem Halbleiter freie Ladungsträger entstehen. Die werden durch ein elektrisches Feld beschleunigt.

    Bei eben dieser Beschleunigung entstehen die Terahertzwellen in Form kurzer Blitze. Diese Blitze lenken die Forscher auf die Probe, die sie untersuchen wollen. Einige Blitze gehen durch die Probe hindurch, andere bleiben quasi drin stecken. Diejenigen, die durchgehen, werden von Spezialantennen aufgefangen.

    Das ist voll automatisiert. Da hilft Ihnen der Computer bei. Und was Sie dann machen können ist, dass Sie die Probe verfahren können. Sie können Sie also praktisch abrastern. Genau das haben wir auch gemacht, um unsere Untersuchungen an biomedizinischen Proben durchzuführen – dass wir diese Probe in dem Fokuspunkt der Terahertzstrahlung verschoben haben. Und dann erhalten Sie ein Falschfarben-Bild.

    Thomas Kleine-Ostmann zeigt in Richtung Wand. Dort hängen diverse Terahertz-Bilder. Auf einem ist ein Schweinekehlkopf zu sehen, daneben eine Leber, durchsetzt mit Tumorzellen. Das Prinzip also funktioniert. Nun müssen die Mediziner begutachten, was sich alles mit der neuen Technik anfangen lässt.

    Die Stippvisite im Labor zeigt vor allem, wie aufwändig es ist, Terahertzwellen herzustellen und nachzuweisen. Allein der Titan-Saphir-Laser kostet 100.000 Euro. Doch die Forscher arbeiten bereits an einem günstigeren Aufbau, für dessen Entwicklung sie kürzlich den Kaiser-Friedrich-Forschungspreis erhalten haben. Der Aufbau basiert auf einem Halbleiterlaser, und der kostet nur noch 10.000 Euro. Ein wichtiger Schritt, um die Technologie billiger und einfacher zu machen. Eben diesem Ziel hat sich auch das Startiger-Team verschrieben.

    Ende August 2002 im Rutherford-Appleton-Labor. Chris Mann und seine Leute feiern einen ersten Durchbruch.

    Nach gut der Hälfte der Zeit hatten wir ein erstes, vorläufiges System zusammengebaut und konnten das Bild einer Hand aufnehmen.

    Das erste Bild sehen Sie hier: Die Hand ist deutlich zu erkennen. Und da sind sogar Strukturen unterhalb der Haut zu sehen. Damit hatten wir eigentlich gar nicht gerechnet. Denn an sich kann man mit Terahertzwellen keine Körperteile durchleuchten wie mit Röntgenstrahlung. Aber ein wenig dringt die Strahlung eben doch in die Haut ein. Und was man da sieht, sind wahrscheinlich Unterschiede im Blutfluss.

    Es gab viele hitzige Diskussionen. Aber niemals führte das zu persönlichen Spannungen zwischen den Leuten. Am Ende des Tages kamen wir stets zu einer gemeinsamen Entscheidung, wie es weitergehen soll.

    Wir haben uns nicht an die normalen Arbeitszeiten gehalten. Abends wurde es meist spät, und es war schwierig, die Leute überhaupt zum Aufhören zu bewegen. Am anderen Morgen saßen sie dann wieder in aller Frühe im Labor. Und die letzte Woche von Startiger hatte, würde ich mal sagen, 28 Tage.

    Terahertzwellen sind nicht nur für die Alltagstechnik interessant, für den Sicherheitscheck am Flughafen, die Krebsdiagnostik oder die Frischekontrolle von Lebensmitteln. Spannend sind sie auch für die Wissenschaft, etwa die Astronomie. Die Astronomen fotografieren mit ihren Teleskopen nicht nur den sichtbaren Nachthimmel. Sie halten auch nach anderer Strahlung Ausschau: nach Radiowellen, Röntgenstrahlung - und eben nach den T-Rays, sagt Heinz-Wilhelm Hübers.

    Der Grund ist, dass Sie in jedem Frequenzbereich eine ganz spezifische Information über das Universum erhalten. Wenn Sie sich das Universum im sichtbaren Bereich angucken, dann ist das eine Sache. Aber wenn Sie im Terahertz-Bereich hingucken, sieht das Universum ganz anders aus. Stellen, die dunkel sind im sichtbaren Bereich, sind die hellsten Stellen im Terahertz-Bereich. Der sichtbare Spektralbereich guckt auf die Sterne. Sterne sind heiß, einige tausend Kelvin. Der Terahertz-Bereich guckt auf das kalte Universum. Da ist es nur einige hundert Kelvin warm oder kalt, also minus 100, minus 200 Grad Celsius. Das sind riesige sog. Dunkelwolken.

    Diese Dunkelwolken sind als dunkle Flecken in der Milchstraße zu erkennen, denn sie decken die Sterne hinter ihnen ab. Dunkelwolken bestehen aus fein verteilten Molekülen. Diese Moleküle können sich zu immer größeren Gebilden zusammenballen, bis sie zu einem neuen Stern werden. Dunkelwolken gelten als die Kinderstube der Sterne – und strahlen intensive Terahertzwellen ab. Die Analyse dieser Wellen verrät, aus was sich die Wolken zusammensetzen und wie die Geburt eines Sterns abläuft.

    Der Haken: Die T-Rays aus dem All werden von der Erdatmosphäre verschluckt, schaffen es also nicht bis zur Oberfläche. Deshalb müssen die Astronomen mit ihren Teleskopen ins All, sprich auf einen Satelliten. Oder sie montieren ihre Empfänger auf ein Flugzeug, das hoch über den Wolken fliegt. Letzteres hat Heinz-Wilhelm Hübers vor, und zwar gemeinsam mit der NASA. SOFIA, so heißt das Forschungsflugzeug. Es basiert auf einem Jumbo Jet, hat ein 2,5-Meter-Teleskop an Bord und wird Ende 2004 erstmals abheben.

    Wir sind eigentlich mit SOFIA zum ersten Mal in der Lage, systematische Untersuchungen zu machen. Das, was in den letzten 20 Jahren zum Teil punktuelle Untersuchungen waren, sehr vereinzelt, wird sich in den nächsten Jahren zum großen Bild zusammenfügen. Und da gibt’s dann nicht nur SOFIA, der Jumbo. Sondern die ESA hat einen ihrer größten Satelliten, Herschel, der 2007 starten wird, genau der Terahertz-Astronomie gewidmet. Hauptfragestellungen sind Sternentstehungsgebiete. ‚Wie entsteht ein Stern?‘ ist etwas salopp formuliert die Schlüsselfrage. Und dazu wollen wir Beiträge leisten mit den Beobachtungen.

    Die Terahertz-Empfänger von SOFIA und Herschel sind teure, hochempfindliche Spezialgeräte: komplexe Lasersysteme, kombiniert mit supraleitenden Spezialantennen - nicht zu vergleichen mit der relativ einfachen Kamera von Startiger. Doch die Fachleute sind sich sicher, dass die Terahertz-Technik bald deutlich preiswerter wird.

    Ich bin fest davon überzeugt, dass es irgendwann einmal billige Terahertz-Massenprodukte gibt. Es gibt die für nahezu jeden Frequenzbereich. Und es gibt eigentlich keinen prinzipiellen Grund, warum es die nicht im Terahertz-Bereich geben sollte.

    Und das dürfte der Wissenschaft weitere Möglichkeiten eröffnen: Terahertz-Empfänger können Spurengase in der Atmosphäre aufspüren, etwa Ozon abbauende Stoffe wie die FCKWs. Sie können Supraleiter analysieren und Halbleiter erforschen. Und:

    Ein Gebiet, von dem ich glaube, dass es in den nächsten Jahren Bedeutung erlangen wird, ist die Untersuchung von Biomolekülen. Man vermutet ganz stark, dass DNA oder Proteine im Terahertz-Bereich Resonanzen zeigen. Und da gibt es erste Untersuchungen dazu. Die Hoffnung ist natürlich, dass man an Hand dieser Signaturen Biomoleküle wird voneinander unterscheiden können und dass man damit eine Möglichkeit hat, markerfrei DNA-Sequenzen zu untersuchen.

    Um sie bei der Analyse sichtbar zu machen, muss die Erbsubstanz DNA bislang mit einem Farbstoff markiert werden, sagt Martin Koch. Die Terahertz-Technologie soll diese Markierung überflüssig machen. Denn Terahertzwellen können verschiedene DNA-Typen auch ohne Markierung unterscheiden. Die Vision: ein Biochip, der Patienten zum Beispiel auf eine genetische Unverträglichkeit gegenüber Medikamenten testet.

    Im Rutherford-Appleton-Labor ist es Anfang September 2002. Bei Startiger beginnt die entscheidende Phase. Die Zeit wird knapp, immer hektischer arbeiten Chris Mann und seine Leute an der Terahertz-Kamera.

    Die letzten vier Wochen waren wir fieberhaft damit beschäftigt, alle Einzelkomponenten zusammenzubauen zu einem endgültigen System. Das war für jeden von uns eine unglaubliche Zeit.

    Hier steht das fertige Aufnahmesystem. Da unten ist der Detektor, nicht größer als eine Zigarrenschachtel. Dann sind hier zwei Spiegel. Der eine kann hin- und herfahren, der andere wird gekippt. Sie tasten das Bild ab und bündeln die Terahertzwellen auf den Detektor. Man hält einfach die Hand über den Apparat, und er nimmt die von der Hand abgestrahlten Terahertzwellen auf, und zwar innerhalb von drei Sekunden.

    Das Gerät ist sehr kompakt – viel kleiner als andere Systeme. Außerdem haben wir günstige Bauteile verwendet. Normalerweise kostet allein die Elektronik Zehntausende von Euros. Wir aber haben handelsübliche Dioden zum Nachweis der Strahlung benutzt. Eigentlich sind sie für langwelligere Strahlung gebaut. Aber ein Blick auf das Datenblatt ließ vermuten, dass sie auch im Terahertz-Bereich funktionieren. Und diese Dioden kosten gerade mal 12 Euro das Stück.

    Das Schöne an der Sache ist, dass eine Technologie, für deren Entwicklung man sonst zwei Jahre gebraucht hätte, innerhalb von vier Monaten da war.

    Die Startiger-Kamera ist ein passives System. Sie nimmt die Strahlung auf, die sowieso von einem Objekt ausgeht, etwa von der menschlichen Hand. Das aber reicht nicht für viele wissenschaftliche Experimente und auch für manche praktische Anwendung. Gefragt ist ein aktives System, bei dem die Probe von einer möglichst hellen Terahertz-Lampe angestrahlt wird.

    Als wir im Kontrollraum saßen und die Maschine zum ersten Mal einschalteten, da stieg und stieg die Nadel der Leistungsanzeige und blieb schließlich bei einem phänomenalen Wert stehen. Eine Menge Leute schauten zu – und waren ziemlich beeindruckt.

    Gwyn Wiliams, Jefferson Lab, US-Bundesstaat Virginia. Vor kurzem präsentierte er die stärkste Terahertz-Lampe der Welt.

    Unsere Quelle ist sehr stark. Anstatt einige Milliwatt haben wir 20 Watt an Terahertzstrahlung produziert. Das Geheimnis besteht darin, Elektronen in einem Beschleuniger nahezu auf Lichtgeschwindigkeit zu bringen. Und zwar sehr viele Elektronen, die auf engstem Raum zusammengepackt sind. Dann nämlich verhalten sich die Elektronen wie ein einziges, großes Teilchen und strahlen hochintensive Terahertzwellen aus.

    Wir können die Elektronen so dicht zusammenpacken, indem wir sie alle gleichzeitig erzeugen. Das machen wir mit einem Laserpuls, den wir auf einen Halbleiter schießen. Dadurch wird eine Wolke aus Elektronen freigesetzt, die wir mit einer elektrischen Spannung regelrecht absaugen. Dann pressen wir die Elektronenwolke mit starken magnetischen Linsen noch weiter zusammen zu einem winzigen Paket.

    Auch in Berlin, am Speicherring BESSY, arbeiten Forscher an einer extrem hellen Terahertz-Quelle. Ihr Beschleuniger steht in einer riesigen, kreisrunden Halle. Und um von A nach B zu kommen, bedient man sich schon mal kleiner Hilfsmittel.

    Wenn man’s ein paar Mal am Tag machen muss, dann haben die Leute einen kleinen Cityroller oder auch ein Fahrrad, um das ein bisschen zu beschleunigen. Und das macht auch Spaß, weil der Boden hier sehr glatt ist. Man fährt also hier sehr gut lang.

    Godehard Wüstefeld, Physiker bei BESSY, Berlin-Adlershof.

    Erzeugt wird die Strahlung, wenn Elektronen im Magneten abgelenkt werden. Und dann entsteht ein ganz breites Spektrum von elektromagnetischen Wellen. Und die äußerste Grenze ist der Terahertz-Bereich. Um diese Terahertz-Strahlung, die normalerweise ganz, ganz schwach ist, mit hoher Intensität zu erzeugen, machen wir einen Trick: Wir verkürzen die Elektronenpulse, die im Speicherring gespeichert sind, von 5 Millimeter – das ist ihre normale Länge – auf ungefähr einen Millimeter Länge.

    Wir haben hier einen besonderen Modus, dass die Strahlung sehr stabil ist. Sie flackert nicht wie eine schlechte Lampe, die an- und ausgeht. Sondern sie strahlt ganz kontinuierlich, ganz stabil. Und das ist weltweit bisher einmalig.

    Wüstefeld sieht seine Terahertz-Lampe vor allem als zukünftiges Werkzeug für die Wissenschaft, um Proteine zu untersuchen oder Hochtemperatur-Supraleiter. Dagegen hofft Gwyn Williams in Virginia, dass sein System auch für praktische Anwendungen zu gebrauchen ist.

    Wir glauben, wir können eine starke Terahertz-Quelle bauen, die nur zwei Meter lang ist und in einen Kleintransporter passt. Wir sind uns sicher, dass wir das schaffen.

    Das Rutherford-Appleton-Labor, 5. Oktober 2002. Die Sternentiger erklären ihre Aufgabe für beendet und zerstreuen sich in alle Winde. Chris Mann ist hochzufrieden. Startiger, so meint er, hat die Erwartungen erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen.

    Woran wir bei Startiger überhaupt nicht gedacht hatten, war die Frage: Was passiert, wenn die Sache ein Erfolg ist? Wir sind Wissenschaftler, und wir hatten einzig das Ziel, die Sache zum Laufen zu bringen. Über Patente oder so was haben wir nicht nachgedacht. Und plötzlich hatten wir eine kommerziell interessante Technologie in den Händen. Da wurde uns klar: Wenn wir das jetzt wissenschaftlich veröffentlichen, können wir ja kein Patent mehr beantragen! Deshalb beschlossen wir, nicht zu veröffentlichen und statt dessen ein Patent einzureichen. Und zurzeit lässt die ESA untersuchen, wie man die Sache in bare Münze umsetzen könnte, zum Beispiel für den Sicherheitscheck am Flughafen. Die Ergebnisse werden bald vorliegen.

    10 bis 20.000 Euro für einen Terahertz-Sensor, soviel haben wir für den Anfang angepeilt. Aber es steckt nichts in dem Apparat, was wirklich teuer wäre. Würde man ihn in größeren Stückzahlen fertigen, müsste so ein Terahertz-Sensor nicht mehr kosten als eine Videokamera. Und ich denke, dass wir in zwei Jahren ein voll einsatzfähiges Produkt auf dem Markt haben werden. Das jedenfalls ist das Ziel.