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Sanierung der Rader Hochbrücke
Kampf gegen die Uhr

Die Rader Hochbrücke, die nahe Rendsburg den Nord-Ostsee-Kanal überquert, gilt als "Lebensader" in Schleswig-Holstein. Rund 54.000 Fahrzeuge nutzen die Autobahnbrücke jeden Tag. Aber das beeindruckende Brückenbauwerk ist auch ein Beispiel für den Verschleiß der deutschen Infrastruktur.

Von Johannes Kulms |
    Blick Richtung Norden: In den letzten Jahren wurde mit verschiedenen Reparaturen versucht, die Lebendauer der Rader Hochbrücke bis 2026 zu sichern
    In den letzten Jahren wurde mit verschiedenen Reparaturen versucht, die Lebendauer der Rader Hochbrücke bis 2026 zu sichern (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Die Rader Insel liegt mitten im Nord-Ostsee-Kanal. Sie entstand vor knapp 100 Jahren, als der Kanal nahe Rendsburg begradigt wurde.
    Mehrere Dutzend Insulaner leben auf dem 2,5 Kilometer langen Eiland. Einer von ihnen ist Friedrich Schreiber, der hier zusammen mit seiner Frau einen Yachtservice betreibt und seinen Sportwagen gerade über die engen Straßen lenkt.
    "Das sind die Hallen. Für Boote und Masten…"
    Doch seit 1972 erheben sich auf der Rader Insel nicht nur Häuser, Bäume und Schiffsmasten. Sondern auch mächtige Betonpfeiler. Sie tragen die Rader Hochbrücke und damit die Autobahn A7: die zentrale Verkehrsachse auf dem Weg von Hamburg nach Flensburg und Dänemark.
    Begeistert sei er damals bei der Eröffnung des Bauwerks gewesen, erinnert sich Friedrich Schreiber:
    "Dass so was hier in unsere Einsamkeit hinkommt. Und diese Brücke als wichtige Verkehrsader errichtet wurde und dieses monumentale Bauwerk über unser Grundstück ging. Und letzten Endes mussten sie ja unser Grundstück kaufen und die Brücke darauf errichten."
    Stahlkonstruktion hält nur noch bis 2026
    Friedrich Schreiber wird in wenigen Wochen 96. Damit ist er mehr als doppelt so alt wie die 1,5 Kilometer Brücke. Er stoppt den Wagen neben einer Allee aus grauen Betonsäulen, die ein wenig an überdimensionierte Elefantenbeine erinnern. Der Verkehrslärm hat ihn nie gestört. Doch schon in wenigen Jahren wird eine neue Lärmquelle die Insel beschallen - Baulärm.
    2013 waren bei Kontrollen starke Schäden in den Betonpfeilern entdeckt worden. Für mehrere Monate wurde deswegen der Verkehr für sämtliche LKWs über 7,5 Tonnen gesperrt. Für die Spediteure eine Katastrophe. Nachrechnungen ergaben: Die Stahlkonstruktion der Rader Hochbrücke hält nur noch bis 2026. Dann ist Schluss. Friedrich Schreiber ist sich sicher: Die alte Rader Hochbrücke wird solange durchhalten. Und das Ersatzbauwerk bis dahin fertig sein.
    "Planmäßig wird das laufen!"
    Die Rader Hochbrücke ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie über Jahrzehnte die deutsche Infrastruktur auf Verschleiß gefahren wurde. Rund 54.000 Fahrzeuge nutzen sie jeden Tag, 2026 könnten es bereits 70.000 sein, sagt Burkhard Kötter:
    "Die Verkehrssicherheit des Bauwerks ist gut, da kann man nichts gegen sagen. Das einzige Problem ist die Dauerhaftigkeit des Bauwerks."
    Verkehr hat stark zugenommen
    Burkhard Kötter ist der oberste Brückenexperte des Schleswig-Holsteinischen Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr. Kötter steht an diesem Vormittag auf einer kleinen Empore auf jener Rampe, die die A7 auf die Rader Hochbrücke zuführt. Nur wenige Meter über ihm rauscht der Verkehr vorbei. Hier zeigt sich ein Problem, mit dem viele Brücken in Deutschland kämpfen:
    "Der Verkehr hat so stark zugenommen, auch die Achslast der Fahrzeuge, dass einfach die Lebensdauer, für das, was damals gemacht wurde, geschafft wurde. Und wir jetzt gucken, dass wir sie so lange weiterhin in Betrieb halten bis 2026 das neue Bauwerk rechts neben uns, neben diesem Bauwerk stehen soll."
    Seit Jahren wird an der Brücke kräftig geflickt. In den letzten Tagen wurden mal wieder Baugerüste an den Brückenpfeilern errichtet: Es müssen Stahlträger zur Verstärkung der Brücke angebracht werden.
    Oberhalb der Fahrbahn gelten strengere Sicherheitsmaßnahmen: LKWs dürfen nicht mehr schneller als 60 Stundenkilometer fahren und sie müssen einen Mindestabstand von 25 Metern einhalten. Das soll Schwingungen vermeiden und so die Statik nicht gefährden, heißt es aus dem Verkehrsministerium in Kiel. Rund ein Drittel aller LKWs auf der Rader Hochbrücke stammen aus Dänemark. Doch bis heute fehlt ein Abkommen zur Verfolgung von Verkehrsverstößen. Heißt also: Einen dänischen Fernfahrer, der zu schnell fährt oder dessen Fahrzeug zu schwer ist, können die deutschen Behörden nicht belangen.
    Alle sechs Monate werde der Zustand der Rader Hochbrücke überprüft, sagt Burkhard Kötter. Alle sechs Jahre gebe es wie für alle Straßenbauwerke in Deutschland eine Hauptprüfung, die jedes Bauteil einschließe. Kötter versichert:
    "Wir wissen, wie diese Bauwerke aussehen, wir haben über jedes Bauwerk Berichte, wir haben die Zustandsnoten (…) und wenn irgendwelche Sachen auffallen sollten über Sicherheitsaspekte, dann werden die auch direkt gemacht."
    In acht Jahren soll eine neue Rader Hochbrücke stehen
    Kötter geht nicht davon aus, dass es nach der Brückenkatastrophe von Genua hier am Nord-Ostsee-Kanal Sonderprüfungen geben wird. Ähnlich sieht es auch Mario Schönherr. Er bereitet bei der staatlichen Straßenbau- und Planungsgesellschaft DEGES den Neubau der Rader Hochbrücke vor.
    "Von der Komplexität und von der Größe und auch von der zeitlichen Reichweite ist es schon eine ganz besondere Maßnahme, die ich jetzt begleiten darf."
    In acht Jahren soll direkt neben der alten eine neue Rader Hochbrücke stehen. Dann, so die Planung, wird der Verkehr umgelenkt, die alte Hochbrücke abgerissen und an ihrer Stelle eine weitere Brücke errichtet. Schließlich gäbe es für jede Fahrtrichtung eine eigene Brücke mit jeweils drei Spuren.
    Wenn alles gut geht, beginnt im nächsten Jahr das Planfeststellungsverfahren für die erste neue Brücke. Im Idealfall dauere das etwa zwei Jahre, sagt Mario Schönherr.
    "Also, aus unserer Sicht und meinem Planungsteam gehen wir fest davon aus, dass wir 2026 die neue Brücke einweihen werden. Wenn alles gut läuft sind wir vielleicht noch etwas zeitiger fertig…"
    Jede Menge Staub, Dreck und Lärm
    Das Planfeststellungsverfahren könnte sich jedoch verzögern durch Klagen. Zum Beispiel von Umweltverbänden. Oder von Anrainern wie dem Ehepaar Schreiber auf der Rader Insel.
    "Also, wir freuen uns natürlich nicht darauf, dass 'ne neue Hochbrücke errichtet wird", sagt Uta Schreiber.
    "Weil es wird jede Menge Staub, Dreck und Lärm bringen und auch Beeinträchtigungen unserer persönlichen Lebensqualität. Wir sind aber durchaus der Meinung, dass diese Brücke hier für die Region hier und grundsätzlich für alles, was von Nord nach Süd geht, hier sehr, sehr wichtig ist."
    Die 65-jährige ist studierte Bauingenieurin und hat mehrere Jahre in Italien gearbeitet. Geheult habe sie, als sie kürzlich die Bilder der Brückenkatastrophe aus Genua sah.
    "Aber ich hab' eigentlich sehr großes Vertrauen in unsere deutsche Prüfnorm, weil das automatisch immer ist. Und weil die eigentlich ein viel zu hohen Sicherheitsstandard immer ansetzen im Verhältnis zu dem, was so 'ne Sache halten muss."