Es ist offenbar vor allem der Gang der Diskussion, der Kritiker verärgert. Seit dem Vorstoß des Bundesinnenministers vom Wochenende wird unter der Überschrift "Integrationsgesetz" vor allem über Sanktionen gegen integrationsunwillige Flüchtlinge debattiert. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland warnte vor dem Eindruck, Flüchtlinge müssten zur Integration erst gedrängt werden. Im Südwestrundfunk sagte Ayman Mazyek, die allermeisten Menschen hätten weite Wege hinter sich gebracht und seien mit dem Leben davongekommen.
"Sie sind bereit, sich in der neuen Heimat einzubringen. Diese Bereitschaft ist sehr, sehr groß. Die müssen wir abholen, und nicht den Eindruck vermitteln, auch in der Bevölkerung, das sind alles nicht integrationswillige Menschen. Sondern die sind bereit, sich hier einzubringen. Und diese Wertschätzung ihnen gegenüber ist die größte Wertschätzung, die wir leisten können."
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte als Sanktionen für Integrationsverweigerung Leistungskürzungen und Konsequenzen für den Aufenthalt in den Raum gestellt. In der Sache zeigt sich der Zentralratsvorsitzende Mazyek offen.
"Die entsprechenden Maßnahmen, die ja alle in die Richtung gehen - 'Fördern und Fordern', da sind wir grundsätzlich offen."
Aydan Özoguz dagegen zeigte sich erneut verwundert über den Vorstoß des CDU-Politikers de Maizière. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung bekräftigte, es gebe bereits Sanktionen. Auch sie lehnt Verschärfungen allerdings im ZDF nicht rundweg ab, stattdessen bedauerte die SPD-Politikerin, dass die Diskussion nun öffentlich anstatt zuerst innerhalb der Bundesregierung geführt werde. Wie Mazyek bedauerte auch sie den Eindruck, der dadurch entstehe.
"Es wird immer einzelne geben, das wissen wir auch, die sich irgendetwas verweigern, oder die alles verweigern, für die wir ja auch Sanktionsmöglichkeiten haben, bis dahin, dass wir den Aufenthalt nicht verlängern. Aber es ist eben falsch, das Gefühl zu haben, die Masse der Flüchtlinge, die Masse derjenigen, die hier ankommen, wäre so."
Widerspruch vom deutschen Beamtenbund
Deutlicherer Widerspruch gegen den Innenminister kommt dagegen vom deutschen Beamtenbund. Dessen Vorsitzender Klaus Dauderstädt warnte vor zusätzlicher Belastung der ohnehin stark beanspruchten Beamten. Sanktionen seien immer bürokratisch. Schärfer ist der Ton bei Sevim Dagdelen von der Linkspartei. Sie nennt die Überlegungen de Maizières schäbig. Mit Blick auf fehlende Plätze in Sprach- und Integrationskursen schreibt sie in einer Mitteilung, Flüchtlinge könnten nicht verweigern, was nicht im Angebot sei. Der Innenminister versuche, eigene Versäumnisse zu verschleiern. Kritik übt auch die türkische Gemeinde in Deutschland. Ihr Vorsitzender Gökay Sofuoglu sagte der "Berliner Zeitung", Deutschland müsse endlich kapieren, dass Integration nur auf der Basis von Motivation funktioniere. Auf die setzt auch die Integrationsbeauftragte. Aydan Özoguz verteidigte das Projekt eines Integrationsgesetzes.
"Weil es sehr viel mehr ist, als nur über Deutschkurse nachzudenken. Weil es tatsächlich so ist, dass wir schauen müssen, dass die Leute berufsbegleitende Maßnahmen bekommen, dass wir feststellen, ob sie bleiben dürfen oder nicht, dass wir feststellen, was für Qualifikationen sie mitbringen. Dass wir dann natürlich schauen, ob wir die Menschen dann schnell in Arbeit bringen können, wenn sie eben eine Bleibeperspektive haben. Das Ganze muss sehr schnell erarbeitet werden."
Neben dem Bundesinnenminister ist auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, dafür zuständig. Thomas de Maizière erwartet einen schwierigen Abstimmungsprozess, wie er am Wochenende sagte. Bis zum Mai soll ein Entwurf vorliegen.