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Sanktionen gegen Russland
"Die deutschen Banken müssen sich keine Sorgen machen"

Die Sanktionen der EU und der USA im Finanzsektor seien durchaus spürbar in Russland, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, im DLF. Sie könnten aber keine Finanzkrise auslösen oder zum Zusammenbruch der russischen Banken führen.

Michael Kemmer im Gespräch mit Christine Heuer |
    Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken.
    Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. (dpa / Sven Hoppe)
    Die Sanktionen seien ein Hinweis darauf, dass der Westen nicht tatenlos zusehe, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Die russischen Banken hätten sich zwar darauf einstellen können, es seien aber schon spürbare Einschränkungen. Wenn sie ihr Geld nicht mehr in den westlichen Kapitalmärkten anlegen könnten, dann seien das empfindliche Maßnahmen, die ihren Eindruck nicht verfehlen würden, sagte Kemmer.
    Kemmer hält es sogar für möglich, dass die Sanktionen die in der Krise steckende russische Wirtschaft in die Rezession führten. Sonst wären die Sanktionen ja auch nicht sinnvoll, so Kemmer. Man dürfe aber auch nicht übersehen, dass die Maßnahmen auch negative Auswirkungen für den Westen hätten. So würden die russischen Banken ihre westlichen Handelspartner nicht mehr als verlässlich ansehen und sich nun etwa eher nach China orientieren. Sorgen, dass die russischen Banken ihren Zahlungsdienst einstellen könnten, müssten sich die deutschen Banken nicht machen, sagte Kemmer.
    Wichtig sei jetzt, im Gespräch zu bleiben, sagte Kemmer. Man müsse Russland auch die Gelegenheit geben, ohne Gesichtsverlust aus der Geschichte herauszukommen.

    Das Gespräch in voller Länge:
    Christine Heuer: Es geht also um verschiedene Sektoren der Wirtschaft, die Rüstungs- und die Technologieindustrie, den Energie- und den Finanzsektor, und über diesen Finanzsektor möchte ich jetzt mit Michael Kemmer sprechen, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der deutschen Banken. Guten Morgen, Herr Kemmer!
    Michael Kemmer: Guten Morgen!
    Heuer: Wären Sie Wladimir Putin, hätten Sie jetzt wegen der EU-Sanktionen im Finanzsektor schlaflose Nächte?
    Kemmer: Schlaflose Nächte wird er nicht haben, aber es trifft die russische Wirtschaft und die russischen Banken schon, denn die Kapitalmärkte in der EU und auch in den USA - es ist ja hier eine konzertierte Aktion - sind schon sehr ergiebig, und wenn die großen Staatsbanken, das sind ja die entscheidenden Banken in Russland, keinen Zugang zu diesen Kapitalmärkten mehr haben, dann wird das über kurz oder lang die Finanzierung der russischen Wirtschaft schon beeinträchtigen. Also Sorgen wird es ihm machen, schlaflose Nächte glaube ich eher nicht.
    "Es wird sie treffen, aber es wird sie nicht umbringen"
    Heuer: Und wenn Sie das einordnen sollten: Würden Sie sagen, das sind schlimme Sanktionen, weniger schlimme oder gar nicht schlimme?
    Kemmer: Das ist immer schwierig, das pauschal einzuordnen. Es sind spürbare Sanktionen, sie werden einen Hinweis geben an die Russen, dass der Westen nicht gewillt ist, hier tatenlos zuzusehen und dass der Westen auch die Sanktionen verschärft. Aber es sind keine Sanktionen, die eine Finanzkrise auslösen könnten oder die zum Zusammenbruch der russischen Banken führen werden. Aber spüren werden es die Russen schon. So gesehen sind es dosierte Sanktionen und sie sind vernünftig, auch wenn sie natürlich negative wirtschaftliche Auswirkungen nicht nur für die russische Seite, sondern auch für deren Geschäftspartner im Westen haben werden.
    Heuer: Können Sie mal beziffern, um wie viel Geld es da geht?
    Kemmer: Na gut, es ist die Frage, wie viel Russland an den Kapitalmärkten aufgenommen hätte. Es sind nun keine Riesenbeträge. Wenn Sie sich beispielsweise anschauen: Die gesamten Auslandsforderungen der deutschen Banken gegenüber Russland sind knapp 17 Milliarden. Das klingt nach viel, sind aber nur 0,8 Prozent der insgesamt anstehenden Auslandsforderungen deutscher Banken, sodass es ein relativ geringer Betrag ist. Die russischen Banken sind auch liquide, sie sind auch an allen Kapitalmärkten engagiert. Es wird sie treffen, aber es wird sie nicht umbringen.
    Heuer: Und das Geld, das jetzt schon in der EU investiert war, haben die Russen das nicht längst alles nach Hause geschafft und sind deshalb gar nicht mehr so stark abhängig vom Wohlwollen der Europäer?
    Kemmer: Natürlich haben die Russen das versucht, weil sie es ja auch kommen sahen, dass das schwierig werden wird. Aber wie gesagt, die Kapitalmärkte in den Vereinigten Staaten und in der EU sind natürlich die mit Abstand ergiebigsten Kapitalmärkte. Die kann man nicht so einfach ersetzen. Das wissen die Russen auch. Deswegen - das wird schon spürbare Einschränkungen geben, auch wenn sie sich, wie Sie zu Recht sagen, durchaus drauf einstellen konnten.
    "Die deutsche Industrie wird betroffen sein"
    Heuer: Welche Folgen hat das denn für Europa, oder lassen Sie uns wirklich nach Hause schauen, für Deutschland? Müssen die deutschen Banken sich jetzt Sorgen machen?
    Kemmer: Nein, die deutschen Banken müssen sich keine Sorgen machen. Die russischen Banken werden ihren Zahlungsdienst bis auf Weiteres weiterhin leisten können, denn die sind gut aufgestellt. Und wie gesagt, das, was die deutschen Banken an Russland rausgelegt haben, insbesondere auch an die russischen Banken, ist nur ein kleiner Bruchteil dessen, was die deutschen Banken insgesamt im Ausland investiert haben. Also da müssen sich die deutschen Banken sicherlich keine Sorgen machen. Es ist halt so wie bei den anderen Sanktionen auch: Die deutsche Industrie wird betroffen sein. Das beginnt damit, dass die Russen natürlich ihre westlichen Handelspartner nicht mehr als verlässlich ansehen. Das heißt, die werden sich sehr viel stärker dann nach Osten, nach China beispielsweise orientieren. Da wird es Unsicherheit geben in den gegenseitigen Handelsbeziehungen, in den gegenseitigen Finanzbeziehungen. Das wird die Dinge nicht positiv beeinflussen. Aber hauptbetroffen werden auf jeden Fall die Russen sein, und es wird erwartet, dass die ohnehin schwache Wirtschaftsentwicklung, die es in Russland gegenwärtig gibt, auch noch tiefer in eine Rezession führt durch diese Sanktionsmaßnahmen. Das ist aber auch vernünftig, denn sonst bräuchte man die Sanktionen gar nicht zu machen, wenn sie keine Wirkung hätten.
    Heuer: Herr Kemmer, nun droht Moskau schon mit gravierenden Folgen für deutsche Banken, die in Russland aktiv sind. Können Sie sich darunter was vorstellen?
    Kemmer: Da muss man mal warten, was Russland hier konkret meint. Mir fehlt ein bisschen die Fantasie, was das sein könnte. Wenn die Geschäfte der deutschen Banken in Russland eingeschränkt werden, wird das die betroffenen Institute nicht freuen, aber es wird sie nicht massiv negativ beeinflussen. Russland ist durchaus ein Markt, mit dem in den letzten Jahren zunehmend auch Geschäfte von den deutschen Banken gemacht worden sind, aber wie gesagt, im Vergleich zu dem, was die deutschen Banken ansonsten international bewegen, ist das doch sehr, sehr überschaubar.
    Heuer: Ja, das klingt alles sehr beruhigend. Stimmt es dann im Gegenzug auch, dass die Sanktionen gegen die Oligarchen im Finanzsektor vielleicht stärkeren Eindruck machen können auf Moskau? Fällt das stärker ins Gewicht?
    Kemmer: Kann ich mir schon vorstellen. Ich weiß es natürlich nicht. Auch da gilt das, was Sie vorhin sagten: Möglicherweise haben die ihr Geld schon lange abgezogen. Aber auch da ist die Frage nach der Alternative. Und ich glaube, dass das schon empfindliche Maßnahmen sind, wenn die eben im westlichen Finanzsystem ihr Geld nicht mehr unbesorgt anlegen können. Das wird seinen Eindruck nicht verfehlen. Ich glaube, es ist wichtig, die Dinge zu addieren, die Dinge zu kumulieren, und da ist den Russen jetzt sicherlich klar, dass das die nächste Stufe der Sanktionen ist. Und, ja, die werden schon Wirkung zeigen. Wichtig in dem Gesamtzusammenhang ist, dass diese Sanktionen schrittweise erfolgen, dass auch den Russen immer wieder signalisiert wird, wann man sie auch zurücknehmen würde gegebenenfalls.
    "Den Druck zu erhöhen ist vernünftig"
    Heuer: Die Sanktionen könnten ja noch ausgeweitet werden. Wann wäre denn für Sie Schluss mit lustig, Herr Kemmer?
    Kemmer: Ach, das kann man so nicht sagen, das hängt einfach von der weiteren Entwicklung ab. Wir müssen halt schauen, dass wir keine Spirale kriegen, wo sich nichts bewegt. Man muss weiterhin im Gespräch bleiben. Man muss den Russen auch die Möglichkeit geben, gesichtswahrend aus der Geschichte wieder rauszukommen. Das ist sicherlich nicht ganz einfach. Aber jetzt den Druck mal zunächst zu erhöhen, das ist schon vernünftig, denn die Dinge, über die wir hier reden, insbesondere der Abschuss dieses Passagierflugzeugs, die sind ja schon sehr, sehr ernst. Und ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man den Leuten, die diesen Konflikt schüren, auch deutlich macht, dass man nicht gewillt ist, tatenlos zuzusehen.
    Heuer: Also der deutsche Bankensektor könnte ein Schippchen oben drauf durchaus noch vertragen?
    Kemmer: Ich glaube ja, denn das Engagement in Russland ist, wie gesagt, für den deutschen Bankensektor insgesamt durchaus überschaubar.
    Heuer: Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der deutschen Banken, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Kemmer, schönen Tag!
    Kemmer: Gerne, danke gleichfalls!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.