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Sanktionen gegen Russland
"Jetzt Waffen stoppen"

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber fordert ein Waffenembargo gegen Russland. "Waffen dürfen nicht weiter in solche Gebiete transportiert werden", sagte Weber im DLF mit Blick auf Russlands Verstrickung in den Ukraine-Konflikt. Russland isoliere sich durch seine Machtpolitik selber und müsse das nun auch spüren.

Manfred Weber im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Porträt von Manfred Weber
    "Russland tritt mit einem Politikanspruch auf, der einen an frühere Jahrzehnte erinnert", kritisierte der Chef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber, im Deutschlandfunk. (dpa/Daniel Karmann)
    Trotz des mutmaßlichen Flugzeugabschusses in der Ost-Ukraine gebe es keine Veränderung der russischen Politik im Ukraine-Konflikt, kritisierte Manfred Weber (CSU) im DLF-Interview. "Weiter werden Waffen geliefert, weiter sickern weitere Separatisten in die Ostukraine ein, der Konflikt wird angeheizt, und deswegen müssen wir jetzt glaubhaft auch den nächsten Schritt gehen", so Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament. Bei der dritten Stufe der EU-Sanktionen gegen Russland müsse ein Waffenembargo jetzt "an oberster Stelle stehen".
    Die Menschen in der Ukraine bräuchten Taten. Unterstützung durch die UN, zum Beispiel bei der Grenzsicherung, hält Weber für hilfreich. Neben der Beendigung des Konfliktes gehe es aber auch ganz konkret um die Frage, "wie dieses Land den Winter überstehen soll", sagte Weber. "Russland hat den Gashahn abgedreht. Da muss Europa helfen."

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Es ist gar nicht so einfach, sich im Kreis der 28 auf Strafmaßnahmen gegen Russland zu einigen. Jeder schlägt etwas anderes vor, jeder kritisiert die Politik des anderen. Deshalb hat es etwas gedauert, als die Botschafter der Europäischen Union gestern zusammensaßen, und sie sind noch nicht fertig. Fortsetzung folgt heute. Der CSU-Politiker Manfred Weber ist der Vorsitzende der EVP-Fraktion, der christdemokratischen und bürgerlichen Parteien im Europäischen Parlament. Herr Weber, tritt die EU wieder einmal, salopp formuliert, als "Union der Weicheier" auf?
    Weber: Zunächst mal bin ich froh, dass es bisher gelungen ist, die Linie zu halten. Wir haben einen Drei-Stufen-Plan vereinbart im Umgang mit Russland. Dieser wurde eingehalten, den haben bisher alle mitgetragen und er wirkt auch. Da bin ich auch der Meinung von Außenminister Steinmeier. Wir haben erste Effekte auch in Russland, der Schaden ist dort groß und es wird sich auch in Moskau eine Debatte jetzt hoffentlich entfalten, dass das zulasten Russlands geht, dass man umdenken muss. Jetzt sind wir in der konkreten Ausgestaltung der dritten Stufe, und in der dritten Stufe kann es aus meiner Sicht bei einem Punkt überhaupt kein Wackeln geben, nämlich in der Frage von Waffenlieferungen. Es kann nicht sein, dass wir in Gebiete, wo wir wissen, dass es einen Konflikt gibt, wo wir auch wissen, dass Russland die maßgebliche Ursache für diesen Konflikt ist, dass wir dahin Waffen liefern. Insofern muss das an oberster Stelle stehen, dass es ein Waffenembargo geben wird.
    Heinemann: Das sieht man in Paris anders, in London anders und in Berlin auch.
    Weber: Das mag so sein. Wir diskutieren über die Fragestellung, wie wir damit umgehen. Aus meiner Sicht ist das eine Sache, die jeder Bürger einfach nachvollziehen kann. Wir sehen dort den russischen Einfluss in diesem Konflikt in der Ostukraine. Ich war gestern beim ukrainischen Präsidenten Poroschenko, der mir auch bestätigt hat, dass es auch vom russischen Territorium Attacken gibt, von Separatisten dort, die Angriffe Richtung ukrainisches Gebiet tätigen, und wenn das der Fall ist, dann muss doch jedem einleuchten, dass wir deswegen schon allein aufgrund der Faktenlage jetzt Waffen stoppen müssen, und das ist auch mit nichts anderem vergleichbar. Waffen dürfen in solche Gebiete nicht weiter transportiert werden.
    "Schon bei der Krim-Krise hätten wir härter auftreten müssen"
    Heinemann: Herr Weber, Sie haben eben gesagt, wir bereiten jetzt die dritte Stufe vor, und vielleicht, könnte, hätte und möglicherweise. 300 Flugpassagiere wurden mutmaßlich mit russischem Kriegsgerät getötet. Was muss denn noch passieren, bevor die höchste Sanktionsstufe, und zwar jetzt ganz rasch, beschlossen wird?
    Weber: Das ist eine gute Frage. Wir im Parlament, wir im Europäischen Parlament waren immer der Meinung, dass wir härter reagieren müssen. Schon bei der Krim-Krise hätten wir gegenüber Russland härter auftreten müssen. Nichtsdestotrotz ist es schon wertvoll, dass die Europäische Union jetzt zusammenhält und zusammengehalten hat in den letzten Schritten. Ich hoffe, dass ein Verständnis dafür wächst, dass diese Regionen uns brauchen. In den Gesprächen in der Ukraine spüre ich, dass wir dort Partner haben, die unser Lebensmotto leben wollen im Sinne von Freiheit, im Sinne von Demokratie, im Sinne von Rechtsstaatlichkeit. Wir dürfen diese Menschen nicht im Stich lassen. Das ist das Wichtigste. Und klar ist auch, dass all die jungen Menschen, die am Maidan gekämpft haben, dass die aufbrechen Richtung Europa und dass die mehr brauchen als Worte. Sie brauchen Taten. Und da geht es jetzt ganz konkret um die Beendigung des Konfliktes, aber es geht in der Ukraine auch ganz konkret um die Frage, wie dieses Land den Winter überstehen soll. Russland hat den Gashahn abgedreht. Da muss Europa helfen. Wir haben leider Gottes einen massiven Rückgang der Wirtschaft in der Ukraine. Das heißt, wir brauchen einen Anstoß, damit die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt, vor allem im Bereich der Landwirtschaft. Und wir müssen natürlich die Ukraine unterstützen bei den inneren Reformen. Wir wissen, dass das Land an verschiedenen Fronten kämpft, einerseits ganz praktisch in der Ostukraine, aber auch interne Fragen. Die Korruption, die Föderalisierung, die Subsidiarität, die man in der Staatsreform umsetzen will. All die Punkte stehen an und da muss Europa an der Seite stehen, den Ukrainern helfen.
    Heinemann: Herr Weber, bleiben wir noch mal kurz bei dem Waffenthema. Ihr Parteifreund Hans-Peter Uhl wettert gegen Einschränkungen in der Rüstungsexportpolitik – kein Wunder: In seinem Wahlkreis schraubt Krauss-Maffei Wegmann Leopard-Panzer zusammen und andere Unternehmen anderes Kriegsgerät. Sind zu wenige Politiker in Deutschland nur ihrem Gewissen unterworfen?
    Weber: Ich mach dort keinem irgendwelche Vorwürfe ...
    Heinemann: Sollten Sie aber vielleicht!
    Weber: ... und es gibt verschiedene Positionen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir an der Gemeinsamkeit arbeiten. Wir brauchen als Europäer eine gemeinsame Position.
    Heinemann: Entschuldigung! Wir brauchen doch erst mal national eine gemeinsame Position, oder innerhalb der Bundesregierung oder der sie tragenden Parteien.
    Weber: Ja. Ich glaube schon, dass wir an dieser gemeinsamen Position arbeiten und auch darüber diskutieren dürfen. Es darf auch unterschiedliche Positionen dazu geben. Entscheidend ist das, dass wir jetzt von den Worten zu den Taten kommen.
    Frage der Fußball-WM 2018 in Russland ist nachrangig
    Heinemann: Wer sagt es Herrn Uhl?
    Weber: Wir diskutieren die Fragen miteinander und wir werden sie auch in den regierungstragenden Parteien miteinander diskutieren. Ich glaube, die Bundesregierung insgesamt, Angela Merkel, der Kollege Steinmeier, hat in den letzten Monaten konsequent den Weg gegangen von Gesprächen auf der einen Seite - wir müssen im Dialog bleiben -, aber andererseits auch glaubhaft den Drei-Stufen-Plan zu vollziehen. Und leider, trotz des Abschusses, dieser Katastrophe, die wir erlebt haben, von dem malaysischen Flugzeug, trotz dieser Katastrophe gibt es leider Gottes keine Veränderung der Politik Russlands in diesem Konflikt. Weiter werden Waffen geliefert, weiter sickern weitere Separatisten in die Ostukraine ein, der Konflikt wird angeheizt und deswegen müssen wir jetzt glaubhaft auch den nächsten Schritt gehen. Und da sind alle in der Verpflichtung, dass Europa hier konsequent bleibt.
    Heinemann: Kann man sich heute vorstellen, also 2014, dass in vier Jahren eine niederländische Fußball-Nationalmannschaft in Russland zur WM aufläuft?
    Weber: Ganz ehrlich gesagt, haben wir jetzt ganz andere Fragen anstehen als die Frage, ob wir in vier Jahren eine Fußball-Weltmeisterschaft durchführen.
    Heinemann: Gehört aber mit zu den Forderungen im Sanktionskatalog.
    Weber: Ja. Aber die Problemlage ist, glaube ich, viel dringlicher und viel klarer. Die Menschen in der Ostukraine haben für diese Diskussion überhaupt kein Verständnis. Die brauchen jetzt Hilfe und deswegen muss jetzt konsequent gehandelt werden. Es ist klar, dass sich Russland mit seiner Art und Weise, wie es in diesem Konflikt agiert, dass Russland in der Art und Weise, wie es die ausgestreckte Hand des Westens jetzt ein Stück weit ausschlägt, dass Russland sich damit auch ein Stück weit isoliert. Das muss Russland wissen und leider muss es Russland offensichtlich auch mittlerweile spüren, weil Worte allein nicht mehr reichen. Wir wollen den Dialog, wir wollen miteinander reden, wir wollen eine gemeinsame Entwicklung gehen, aber der Ball liegt in Russland. Und Putin, Russland muss verstehen, wenn es keine Veränderung gibt, dann werden wir mit den Sanktionen weitermachen.
    Heinemann: Brauchen die Menschen in der Ostukraine UN-Blauhelme?
    Weber: Ich glaube, dass internationale Missionen hilfreich sein können. Insbesondere die Fragestellung der Grenzsicherung ist zentral, dass diese Grenze neutral bewacht wird. Entscheidend ist allerdings auch, dass es dort nicht zu einem sogenannten frozen conflict kommt, einem Konflikt, der sich dauerhaft festsetzt, was auf der anderen Seite bedeutet, dass mittelfristig auf jeden Fall die ukrainischen Behörden für ihre eigene Grenzsicherung zuständig sind. Das heißt, Hilfe von außen ja, aber wir reden über ukrainisches Staatsgebiet und da müssen auch ukrainische Grenzschützer die Grenzsicherung übernehmen können.
    Hoffnung, dass Parlamentswahlen in Ukraine zu Bekenntnis für Stabilität und Reformen führen
    Heinemann: Herr Weber, Sie haben gestern – Sie haben es eben schon angedeutet – in Kiew politische Gespräche geführt. Dort ist die Regierung zurückgetreten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung mitten im Krieg?
    Weber: Ich glaube, dass die Entwicklung zunächst schade ist, weil hier die Stabilität, die wir jetzt erzeugt haben, etwas infrage gestellt wird. Andererseits glaube ich, dass es gute, vernünftige Kräfte gibt, die in der Ukraine auch in der Lage sind, jetzt einen demokratischen Wahlkampf durchzuführen. Die Masse des Landes ist ja nicht im Konflikt und dort kann auch normal eine Wahl durchgeführt werden. Ich hätte schon die Erwartung, dass nach dem überwältigenden Sieg von Poroschenko, das ja ein Signal der Ukrainer Richtung Westen war: Wir wollen europäisch leben. Dass nach diesem Wahlerfolg jetzt auch bei den anstehenden Parlamentswahlen eine große Mehrheit der Ukrainer sich im Parlament dafür entscheidet. Man muss ja sehen, dass das jetzige Parlament noch ein Parlament noch aus der Janukowitsch-Zeit war, mit Kräften, die mittlerweile keine Unterstützung mehr durch die Bürger haben. Insofern hoffe ich, dass die Zwischenphase nicht zu Instabilität führt, aber ich habe auch die Hoffnung, dass die Wahlen dann zu einem klaren Bekenntnis für Stabilität und Reformen führen.
    Heinemann: Herr Weber, wir erreichen Sie in Chisinau, der Hauptstadt der Republik Moldau, die bekanntlich zwischen Rumänien und der Ukraine liegt. Seit 1992 schwelt dort ein Konflikt mit dem abtrünnigen östlichen Landesteil Transnistrien, in dem auch russische Soldaten stationiert sind. Besteht die Gefahr ostukrainischer Zustände im moldawischen Osten, sofern sie nicht längst bestehen?
    Weber: Konkret haben wir hier keine militärischen Auseinandersetzungen. Deswegen ist die Situation hier nicht mit der Ukraine vergleichbar. Allerdings spürt man auch hier den Machtanspruch Russlands. Das erinnert dann auch daran, dass Russland mit einem Politikansatz auftritt, der einen eher an frühere Jahrzehnte erinnert, an Machtpolitik erinnert. Wir müssen deswegen alles tun, damit Russland zurückkehrt zu einer Art und Weise, wo wir gesagt haben, wir wollen partnerschaftlich zusammenarbeiten, wir wollen gemeinsam unsere Fragen, die wir in den Regionen haben, lösen und entwickeln. Und ich spüre auch hier bei den Politikern, auch beim Premierminister hier, dass es dort viele ausgestreckte Hände gegenüber Russland gibt. Wir müssen alles tun, damit Russland das versteht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.