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Sanktionen gegen Russland
Was rechtlich möglich ist und welche Schlupflöcher es gibt

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat sehr schnell schwere Sanktionen nach sich gezogen. Deren Wirkung und Durchsetzungsmöglichkeit läßt sich erst nach und nach bewerten. Es stellt sich die Frage nach Schlupflöchern, aber auch nach den Rechtsgrundlagen.

Von Katja Scherer |
Ein Teilnehmer einer Kundgebung gegen den Krieg in der Ukraine hält bei einem Demonstrationszug durch die Innenstadt ein Schild mit der Aufschrift "Kein Geld für Putin! Energie Embargo!".
Die Antwort der USA und der EU auf die russische Aggression: harte Sanktionen. Auf welcher Rechtsgrundlage diese Maßnahmen stehen, ist aber noch nicht entschieden. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
Die Nachricht war ein Schock: Russland hat die Ukraine angegriffen – es gibt Krieg in Europa: 24 Februar 2022: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht. Nach Monaten der Vorbereitung von Lügen und Propaganda hat Präsident Putin heute Nacht entschieden, seinen Drohungen schreckliche Taten folgen zu lassen.“ - „Für all das gibt es keine Rechtfertigung. Das ist Putins Krieg.“ So äußerten sich damals Außenministerin Annalena Baerbock und Bundeskanzler Olaf Scholz. Seitdem sind zehntausende Menschen gestorben.

Die Antwort auf die russische Aggression: harte Sanktionen

Der Krieg hat Getreide und Energie weltweit knapp werden lassen, die Inflation in die Höhe getrieben und er schürt die Sorge vor einer atomaren Katastrophe:
„Russische Truppen halten das Kernkraftwerk Saporischschja seit Monaten besetzt.“ - „Die Lage rund um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja wird derweil nach Angaben des Bürgermeisters immer brenzliger.“ - „Das von russischen Truppen besetzte AKW Saporischschja ist erneut beschossen worden“, so berichtete der Deutschlandfunk.
Die Antwort der USA und der EU auf die russische Aggression: harte Sanktionen. Brüssel befinde sich längst im Wirtschaftskrieg mit dem Kreml, sagen Experten. Man stehe der Ukraine bei, betont EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen immer wieder.

"Die Sanktionen werden zu großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Russland führen.“

Inzwischen gibt es allerdings Zweifel am Vorgehen der EU. Exakt ein halbes Jahr dauert der Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wirken die Sanktionen gegen Russland überhaupt? Oder schaden sie Europa vor allem selbst, fragen Kritiker. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wies das Mitte Juli zurück, so im TV-Bericht des Senders Phoenix: "Die Sanktionen haben Wirkung. Die russische Wirtschaft leidet schwer darunter. Natürlich wird das den Krieg nicht über Nacht beenden. Aber die Sanktionen werden zu großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Russland führen.“
Doch je länger der Wirtschaftskampf dauert, je härter die EU sanktioniert, desto lauter werden solche Fragen: Was darf die EU mit Blick auf Sanktionen überhaupt?
„Auch der Ausbruch eines internationalen bewaffneten Konfliktes, eines Krieges, führt nicht dazu automatisch, dass alle Rechtsbeziehungen zwischen den dann Kriegsparteien abgebrochen werden“, sagt Christian Tietje, Professor für Europa- und internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Halle.

"Rechtsregeln, die trotzdem zu beachten sind“

Er weiß: Politisch mögen Russland und der Westen derzeit weit voneinander entfernt sein. Rechtlich gibt es aber eine ganze Reihe von Abkommen, Verträgen und Gesetzen, an die sich beide Seiten noch halten. „Das ist eine Errungenschaft insbesondere auch des 19. und 20. Jahrhunderts, dass wir hier trotzdem noch Rechtsregeln haben, die zu beachten sind.“
Die oberste Instanz in diesem Rechtskosmos sind die Vereinten Nationen. Sie verhängen normalerweise Sanktionen gegen Staaten, die Menschenrechte missachten. Nur geht das im Ukrainekrieg nicht, weil Russland einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UN und damit ein Veto-Recht hat.

Ausnahmeklauseln in den Handelsabkommen

Der Weg auf UN-Ebene ist also blockiert, aber die Europäische Union handelt. Sie nutze dazu Ausnahmeklauseln in den Handelsabkommen zum Beispiel dem „Partnerschaftsabkommen“ mit Russland, sagt Tietje: „All diese Abkommen haben Ausnahmeklauseln auf einen Kriegszustand bezogen. Das heißt, man kann abweichen von dem Recht der Ein- und Ausfuhr zum Beispiel von Waren, um den internationalen Frieden wiederherzustellen oder zu sichern.“
Grundsätzlich kann die EU frei entscheiden, welche Sanktionen sie einführt. Sie muss sich aber an die eigenen EU-Verträge halten, zum Beispiel, dass Menschen- und Grundrechte gewahrt bleiben müssen. Im Ukrainekrieg hat die EU allgemeine Handelssanktionen ausgesprochen. Und sie hat die Vermögen von Oligarchen und kremlnahen Organisationen eingefroren. Dabei müsse sie immer die Verhältnismäßigkeit wahren, sagt Tietje – sonst drohten Klagen: „Die Maßnahme muss einen Bezug haben zu dem internationalen Konflikt, um den es geht, und darf nicht völlig außerhalb dessen, was beabsichtigt ist – nämlich eine politische Entscheidung herbeizuführen – liegen.“

Brüssel will an die Konten der Oligarchen

Das gilt auch im nächsten Schritt, wenn die EU-Staaten die Beschlüsse in ihr nationales Recht übertragen: „Soeben hat uns die folgende Eilmeldung erreicht: In Deutschland sind soeben zum ersten Mal auf Grundlage der Sanktionen wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine Immobilien beschlagnahmt worden von russischen Staatsbürgern.“
Rund 1.200 russische Einzelpersonen und 100 russische Organisationen hat die EU seit der Krim-Annexion in 2014 mit Sanktionen belegt. Brüssel will ran an die Konten der Oligarchen, die Luxusimmobilien, die Yachten und die Firmenbeteiligungen. Medien berichten über Einzelfälle: „Im Hamburger Hafen wurde nach Angaben deutscher Behörde ein fast 600-Millionen-Dollar teure Luxusyacht beschlagnahmt. Sie gehört dem russischen Multimilliardär Alisher Usmanov.“

Knapp zwei Dutzend Klagen von Oligarchen beim EU-Gericht eingegangen

Die EU will verhindern, dass die Oligarchen mit ihrem Vermögen den Krieg unterstützen und hofft, dass die Unterstützung für Putin im eigenen Land nachlässt. Europa muss die Schritte aber gut begründen, denn russische Bürger können gegen die Sanktionen vorgehen. Knapp zwei Dutzend Klagen von Oligarchen sind offenbar bereits beim Gericht der Europäischen Union eingegangen. Die Klagen haben durchaus Chancen, sagt Rechtsexperte Christian Tietje: „Seit einigen Jahren haben wir im Rahmen der Sanktionen gegen den internationalen Terrorismus, die im Nachgang zum 11. September 2001 erlassen wurden, doch eine sehr ausgeprägte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dazu, dass er bereit ist, solche Sanktionen, die die EU erlässt, rechtlich zu überprüfen. Mit dem Argument, dass eben die EU von Rechtsstaatlichkeit geprägt ist und auch effektive Rechtsschutzmöglichkeiten hier bestehen müssen.“
Der ehemalige Eigentümer des Chelsea Football Club, Roman Abramowitsch, zum Beispiel sieht durch die EU-Sanktionen seine Grundrechte verletzt. Und auch russische Unternehmen können die Beschlüsse der EU prüfen lassen. Das Auslandsfernsehprogramm Russia Today hat beim Verwaltungsgericht Berlin gegen das Sendeverbot der Bundesregierung in Deutschland Klage eingereicht. Und der russische Staat könnte sich an die Welthandelsorganisation wenden. Christian Tietje: „Eine andere Ebene in der Tat wäre der Streitbeilegungsmechanismus der Welthandelsorganisation mit Sitz in Genf. Hier ist es so, dass auch in der Vergangenheit auf die Krim-Situation die WTO damit beschäftigt war.“

"Es gibt keinen Weltpolizisten, der das Urteil vollstreckt"

...und zum Beispiel die Verhältnismäßigkeit von Sanktionen überprüft hat. Und hier kommt die fundamentalste rechtliche Frage ins Spiel, die der der Internationale Gerichtshof verhandelt. Die Ukraine hat dort gegen Russland Klage wegen Völkermordes eingereicht. Auch die EU begründet so ihre Sanktionen.
Russland dagegen sieht sich zu Unrecht beschuldigt und ohne Grund wirtschaftlich angegriffen – daher gibt es Gegensanktionen des Kremls. Recht haben könne nur eine Seite, sagt Tietje. Die andere müsse ihre Sanktionen nach einem Urteil des IGHs theoretisch zurücknehmen: „Rechtlich müssten sie das. Faktisch können sie das nicht durchsetzen, es gibt keinen Weltpolizisten, der das dann vollstreckt.“
Dennoch, glaubt er, ist das Urteil wichtig: „Staaten wollen es im Regelfall nicht, ständig angeprangert zu werden, ständig auf der Anklagebank zu sitzen, ständig sich rechtfertigen zu müssen, was man tut.“

Ein Schlupfloch sind Parallelimporte

Neben der Frage, ob Sanktionen zu Recht verhängt werden, pressiert die Frage, wie gut sich diese überhaupt durchsetzen lassen. Andreas Steininger ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Wismar. Er hat persönlich einen engen Bezug zu Russland und auch das Ostinstitut Wismar mitgegründet, das Juristen für deutsche Unternehmen in Russland ausbildet: „Das ist ein völliges Desaster. Also man kann wirklich sagen, es war für mich persönlich ein großer Rückschlag und es war auch für mich schwierig, das zu verkraften“, sagt er über den Angriff Russlands auf die Ukraine. Steininger ist neben der Lehre auch aktiv als Jurist tätig. Er berät Firmen beim Handel mit Russland – aktuell vor allem mit Blick auf die Sanktionen.
Für die Umsetzung von Handelsverboten ist in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zuständig. Es macht – auf Basis geltender Gesetze – die Regeln, die der Zoll kontrolliert. Die meisten deutschen Unternehmer setzten die Sanktionen nach bestem Wissen und Gewissen um, glaubt Andreas Steininger – auch weil ihnen sonst Gefängnisstrafen drohen.
Ein Schlupfloch seien aber sogenannte Parallelimporte: „Diese Sanktionen gelten ja nur für Bürger der Europäischen Union oder Unternehmen, die nach dem Recht der Europäischen Union gegründet sind. Wenn Sie aber kein Bürger der EU sind, können sie hingehen, hier 1.000 iPhones kaufen in Deutschland, die in den Koffer stecken, nach Dubai fliegen, von dort aus nach Kasachstan und von dort aus diese Geräte nach Russland importieren. Das war vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine – auch nach russischem Recht verboten. Mittlerweile ist es nach russischem Recht erlaubt.“

"Völkerrecht ist immer auch sehr stark von realer Macht abhängig."

Zum Beispiel für Smartphones, Spielekonsolen, Kleidung und Kosmetika. Viele Waren kommen also trotzdem nach Russland. Um das zu unterbinden, müsste die EU exterritoriale Sanktionen ausrufen – also Sanktionen für Nicht-EU-Bürger und -Unternehmen, sagt Andreas Steininger. Das sei aber völkerrechtlich umstritten: „Die USA machen das… Daran sieht man, dass Völkerrecht nicht immer gleich Recht ist, sondern Völkerrecht ist immer auch sehr stark von realer Macht abhängig.“
Dass Handelsembargos umgangen werden, beobachtet auch Frank Buckenhofer immer wieder. Der Zollbeamte hat rund zwanzig Jahre lang als Fahnder gearbeitet, heute ist er der Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Bereich Zoll. Es gäbe Banden aus der Organisierten Kriminalität, die sich auf diese Art von Schmuggel spezialisiert hätten, sagt er: „Es gibt Einfuhren, die laufen über gefälschte Ursprungszeugnisse. Es gibt aber auch Einfuhren, da werden die Waren tatsächlich in die präferierten Ursprungsländer gebracht und dann wird in diesem Land vorgetäuscht, dass dort ein Ursprung erzeugt wird. Dann bekommen die ein Dokument. Das ist sozusagen ergaunert. Das Dokument ist echt. Es ist halt nur ergaunert.“

Ship-to-Ship-Transfers

Und auch auf den Weltmeeren passiert viel. Das ZDF filmte kürzlich den russischen Tanker „Neva“ beim Umpumpen von Öl vor der griechischen Küste: „Ich sehe auf der Karte zwei Tanker, die schon sehr nahe beieinander sind, die Geschwindigkeit reduziert haben. Wir vermuten, dass das hier noch zum Ship-to-Ship-Transfer wird und fahren da jetzt mal hin.“
Russische Konzerne verschiffen ihr Öl womöglich verstärkt mit dem Zielort „unbekannt“. Das zeigen Daten des Branchenportals TankerTrackers. Auf hoher See werde das Öl dann auf andere Tanker umgeladen, mit Öl aus anderen Ländern vermischt und weiterverkauft, so der Verdacht, den auch schon andere Medien wie das ManagerMagazin mit Verweis auf Analysten äußerten. Das ZDF hat eigenen Angaben zufolge den Videobeweis erbracht: „Wir haben Glück: Etwa in der Mitte des Lakonischen Golfs zwei Tanker während sie Öl transferieren. Gut zu erkennen: Schläuche und die schwarzen Fender.“ Also Schutzbojen, die verhindern, dass die Schiffe beim Verladen aneinanderstoßen.

"Wie bewegen sich eigentlich die Waren, die bei uns im Fokus stehen?"

Solche Ermittlungen könnten nicht europäische Zollbehörden leisten, sagt Frank Buckenhofer. Dazu brauche es Nachrichtendienste und Ermittlungsbehörden. Grundsätzliche müsse die Bundesregierung mehr in Marktanalysen investieren: „Im Vorfeld von strafprozessualen Ermittlungen müssen wir rausbekommen, wie bewegen sich eigentlich die Waren, die bei uns im Fokus stehen.
Zum Beispiel beim Öl: „Und wenn Länder, die bisher eine bestimmte Menge geliefert haben, plötzlich das zwei- oder dreifache liefern, könnte man auf die Idee kommen, dass das eben nicht mehr aus eigener Produktion ist.“ Dann könne der Zoll die Vorgänge überprüfen.

"Die größten Schritte noch nicht angegangen"

Noch viel größere Schlupflöcher gibt es aus Sicht der meisten Experten aber bei den Sanktionen gegen Oligarchen.
Sebastian Fiedler hat früher als Kriminalbeamter gearbeitet, inzwischen sitzt er für die SPD im Bundestag. Als Teil einer Task Force der Bundesregierung arbeitet er daran, die Durchsetzung von Sanktionen zu verbessern. Dabei gebe es viel Luft nach oben, gibt er zu: „Ich würde derzeit offen und ehrlich formulieren, dass wir die größten Schritte noch nicht angegangen haben. Wir haben ein sehr, sehr schnelles Sanktionsdurchsetzungsgesetz I gemacht und haben aber in der Gesetzgebung schon gesagt, dass wir auch da nochmal rangehen müssen.“
In der Mache ist bereits das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II, das deutlich umfassender werden soll. Vermögen russischer Oligarchen sei ähnlich verschleiert wie Vermögen aus Organisierter Kriminalität, sagt Sebastian Fiedler: „Sie sind weit verbreitet, weit verschleiert, sind in komplizierten Firmenstrukturen untergebracht, in Beteiligungsverhältnissen untereinander…“

"Deutschland ist ein Geldwäscheparadies"

Insgesamt fehlten in Deutschland aber die Strukturen und rechtlichen Grundlagen, um verstecktes Vermögen in großem Umfang aufzuspüren, kritisiert Sebastian Fiedler. Es sei europaweit bekannt, dass Deutschland ein Geldwäscheparadies sei. Doch frühere Bundesregierungen hätten nie etwas dagegen unternommen. Mit Blick auf die Suche nach Oligarchenvermögen räche sich das nun.
„Jetzt hatten wir das Problem, dass höchste Unsicherheit bestand, wer überhaupt dafür zuständig ist. Und wenn jemand dafür zuständig ist, wer was machen darf? Welche Befugnisse hat man? Darf man irgendwo durchsuchen zum Beispiel?“
Auch wie viel Vermögen russische Oligarchen in Europa angehäuft haben, weiß niemand zu beantworten. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges hätten EU-Staaten Vermögenswerte im Wert von knapp 14 Milliarden Euro eingefroren, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders Mitte Juli. Nach Schätzungen von Experten ist das aber nur ein kleiner Bruchteil dessen, was russische Oligarchen insgesamt in Europa besitzen. Sebastian Fiedler: „Ich kann Ihnen mal eine Zahl dazu sagen. Es hat einen Experten gegeben, der hat in so internationale Datenbanken beispielhaft 13 Oligarchen eingegeben und hat recherchiert, an wie vielen Unternehmen die denn so beteiligt sind. Und er kam auf eine Zahl, die jenseits von 12.000 gelegen hat.“

Beteiligungen laufen oft über Gesellschaften aus Steueroasen

Die Beteiligungen laufen oft über Gesellschaften, die in Steueroasen angesiedelt sind. Das macht es schwer, zu beweisen, wem die Unternehmen gehören – und das wiederum stellt die Fahnder vor rechtliche Probleme, sagt der Wirtschaftsjurist Christian Tietje. Auf Verdacht Vermögen einzufrieren sei schwierig: „Wir müssen aber die Rechtsklarheit auf die Eigentumslage bezogen haben im Regelfall, um aktiv zu werden.“
Klarere Gesetze und eine neue Behördenstruktur sind aus Sicht von Experten und Expertinnen daher unumgänglich, um das Vermögen der Oligarchen und damit künftig auch das Vermögen aus Organisierter Kriminalität aufspüren zu können. Sebastian Fiedler plädiert für eine zentrale Stelle beim Bund, die für die Fahndung zuständig ist. Außerdem müsse es Transparenzregister geben für Immobilien und Unternehmen:
„Der idealste Teil wäre der, jetzt schildere ich mal meine Wunschvorstellung mittelfristig, dass wir uns zusätzlich damit beschäftigen wie Informationen, die in Deutschland gut erhoben werden, nämlich Kontoinformationen, das klappt ausgezeichnet. Aber wir müssten jetzt diese Informationen miteinander verknüpfen können und jetzt noch doller: am besten auf Ebene der EU.“
Seiner Ansicht nach sollten Behörden außerdem viel weitreichendere Auskunftsansprüche bekommen – zum Beispiel bei Villen oder Yachten mit unklarer Besitzstruktur. „Dann könnte man sagen, das sei doch so was, wo der Staat sagt, das ist verdächtig und hier darf der dann künftig fragen: Woher kommt das Geld. Und wenn dieser Auskunftsanspruch nicht befriedigt wird, dann zieht der Staat diese Villa ein.“

Alle warten auf das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II

Zoll, Ermittlungsbehörden, Bundesländer: Alle warten nun auf das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II – jenen vermeintlich großen Wurf, der nach dem Schnellschuss, dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz I, folgen soll. Das Gesetz sei eine einzigartige Chance, die Russlandsanktionen zu schärfen und gleichzeitig gegen Geldwäsche in Deutschland vorzugehen, sagt der Zollexperte Frank Buckenhofer. Doch momentan verlaufe die Diskussion um das Gesetz sehr schmallippig:
„Und meine Befürchtung ist, dass die Bundesregierung am Ende nicht den nötigen Mut aufbringt, hier einen wegweisenden, zukunftsweisenden Masterplan aufzustellen, sondern sich am Ende im Kleinklein aufhält und im Ergebnis bleiben wir ein Land, das eine schöne Herberge ist, für Leute die Vermögen verstecken wollen.“
Beim Bundesfinanzministerium heißt es, ein Entwurf für das Gesetz werde frühestens Ende August vorliegen. Dann entscheidet sich, wie scharf das Schwert der EU-Sanktionen in Deutschland wirklich ist.