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Sanktionen in Russland
Schlechte Stimmung bei Unternehmern

Die Sanktionen gegen Russland zeigen langsam ihre Wirkung. Unternehmer beklagen eine schlechte Stimmung bei Verhandlungen mit westlichen Partnern. Darüber reden tun jedoch nicht viele - denn die meisten von ihnen sind abhängig von staatlichen Aufträgen und befinden sich im Fahrwasser der Politik.

Von Gesine Dornblüth |
    Eine Frau steht in einem Moskauer Supermarkt vor einer Kühltheke mit Milchprodukten.
    Da waren die Regale noch gut gefüllt: ein Moskauer Supermarkt kurz nach Inkrafttreten der Sanktionen. (picture alliance / dpa / Yuri Kochetkov)
    Ein Café im Zentrum Moskaus. Der Unternehmer Jurij Papkov macht auf dem Weg zur Arbeit Pause. Nebenan ist die Filiale einer großen Supermarktkette. Papkow stattet die Verkäuferinnen aus. Sein Betrieb mit gut einem Dutzend Angestellten entwirft und produziert Arbeitskleidung. Meist kauft Papkov auch in dem Supermarkt ein. Seit Kurzem muss er dabei auf einige Lebensmittel verzichten.
    "Auf lettischen Käse zum Beispiel. Der stand bei uns immer auf dem Tisch. Und französischer Käse. Außerdem gibt es keine frische Salatauswahl mehr. Die kam aus Spanien. Jetzt gibt es nur noch so ganz einfache Salate. Das ist schlecht für mich, ich versuche nämlich abzunehmen, und das wird jetzt sehr schwer."
    Preissteigerungen kaum bemerkbar
    Anfang August hat Russlands Regierung beschlossen, Lebensmittelimporte aus jenen Ländern zu verbieten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Eine weitreichende Entscheidung, denn Russland hat bis dahin sehr viele Produkte eingeführt. Bei Käse betrug der Anteil sogar rund 50 Prozent. Räucherfisch kam fast vollständig aus Norwegen. Böse Zungen scherzen: Russland habe sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Jurij Papkow hat im Internet eine Karikatur gesehen:
    "Eine Frau will Lachs kaufen, es gibt nur sehr teuren, und sie fragt, was der Grund sei. Der Verkäufer sagt: "Das sind unsere Gegenmaßnahmen für die Sanktionen des Westens." Darauf die Frau: "Komisch. Warum haben sie nicht dafür gesorgt, dass es in Amerika keinen Lachs gibt?"
    Laut einer Umfrage des unabhängigen Levada-Zentrums unterstützen 78 Prozent der Bevölkerung den selbst auferlegten Importstopp. Die russische Regierung verbreitet, er sei eine Chance für die benachteiligten einheimischen Produzenten und werde die russische Wirtschaft ankurbeln. Was Russland nicht oder nicht sofort selbst herstellen kann, sollen befreundete Staaten liefern. Alles zusammen führt zu Preissteigerungen. Angesichts einer Inflationsrate von insgesamt 7,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr nehmen viele Menschen das aber gar nicht wahr. Auch Jurij Papkow scherzt über die Lebensmittelverbote.
    "Als Erstes bin ich einkaufen gefahren. Ich habe die Sowjetunion erlebt, ich weiß, wie das ist mit leeren Regalen. Also habe ich den Einkaufswagen beladen mit allem, was verschwinden könnte. Unter anderem mit drei Kilo meiner Lieblingsbutter, einer französischen Marke. Dann habe ich gesehen, dass sie in Russland hergestellt wird und deshalb gar nicht verboten ist. Jetzt habe ich drei Kilo Butter im Gefrierschrank und werde noch lange daran essen."
    Russische Geschäftswelt ist sehr spezifisch
    Viel mehr Sorge bereiten Papkow die Sanktionen, die der Westen gegen Russland verhängt hat: Das Verbot von Hochtechnologie für die Ölindustrie, der erschwerte Zugang zu den internationalen Finanzmärkten zum Beispiel. Experten zufolge werden diese Strafmaßnahmen erst in einigen Monaten, wenn nicht gar Jahren ihre volle Wirkung entfalten. Doch Papkow meint, das Geschäftsklima in Russland habe sich schon jetzt verschlechtert.
    "Ich beliefere große Handelsketten. Bisher gibt es keinerlei Veränderungen in unseren Verträgen. Aber bei den Verhandlungen herrscht eine bestimmte Stimmung, die davon zeugt, dass unsere großen Partner abwarten. Sie bremsen ihre Entwicklungspläne. Ich denke, dass sich mein Absatz in zwei bis drei Monaten verringern wird."
    Die meisten Geschäftsleute reden nicht über die Situation. Die russische Geschäftswelt ist sehr spezifisch. 90 Prozent sind staatlich oder hängen an öffentlichen Aufträgen und sie befinden sich dementsprechend im Fahrwasser der Politik. Die restlichen zehn Prozent spüren die Probleme, sie sind besorgt, sehen aber keinen Ausweg. Alle schieben wichtige Entscheidungen auf.