In der russischen Öffentlichkeit heißt das Gesetz kurz Rotenberg-Gesetz. Benannt ist es nach dem Milliardär Arkadij Rotenberg, einem ehemaligen Judo-Partner und engen Freund von Präsident Putin. Er hat sein Vermögen mit Staatsaufträgen gemacht. Und er steht auf den Sanktionslisten der USA und der EU. Kürzlich hat die italienische Justiz deshalb mehrere Villen Rotenbergs auf Sardinien unter ihre Verwaltung gestellt; Medienangaben zufolge sind sie rund 30 Millionen Euro wert.
Prompt wurde die Kremlpartei Einiges Russland aktiv, holte einen Gesetzesentwurf wieder hervor, den sie im Sommer schon mal verworfen hatte, und präsentierte ihn heute in der Duma. Demnach sollen Russen, die aufgrund unrechtmäßiger Entscheidungen ausländischer Gerichte Vermögen verlieren, künftig aus dem russischen Staatshaushalt entschädigt werden. Von der Regelung könnten vor allem sanktionsgeschädigte Oligarchen profitieren, zum Beispiel jener Rotenberg.
Das Thema schlägt in Russland hohe Wellen. Sergej Mitrochin ist Vorsitzender der liberalen, nicht in der Duma vertretenen Partei Jabloko.
"Das Gesetz zeigt die enge Verbindung unserer Machthaber mit den Oligarchen, die eben dank der korrupten Machthaber enormes Kapital anhäufen konnten. Für die Duma ist heute die Stunde der Wahrheit. Sie wird zeigen, für wen sie arbeitet: Natürlich für die Oligarchen."
Widerstand auch in der Duma
Doch innerhalb der Duma ist der Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben ungewöhnlich groß. Vertreter mehrerer Fraktionen warfen ein, es sei nicht genug Geld in der Staatskasse, gerade in der jetzigen Krise. Oleg Nilow von "Gerechtes Russland":
"Wir haben nicht mal Geld für krebskranke Kinder. Wir haben kein Geld, um Opfer von Waldbränden oder Flutopfer zu entschädigen. Sie warten seit Jahren."
Die Kommunisten hatten beantragt, die Debatte zu streichen - vergebens. Die Abgeordnete Olga Alimowa fragte ironisch:
"Ist die Lage der - in Anführungsstrichen - armen Oligarchen schon so bedauernswert, dass wir so ein Gesetz in Windeseile verabschieden müssen?"
Auch Russlands Wirtschaftsminister Aleksej Uljukajew ist gegen das Rotenberg-Gesetz. Seiner Ansicht nach widerspricht es internationalen Verpflichtungen und verstößt gegen internationales Recht. Außerdem motiviere es reiche Russen, ihr Geld auch weiterhin im Ausland anzulegen, denn sie könnten darauf rechnen, dass im Zweifelsfall der russische Staat einspringe. Dabei wollen Parlament und Regierung erklärtermaßen Kapital aus dem Ausland nach Russland zurückholen. Wirtschaftsminister Uljukajew heute in der Duma:
"Mit so einem Gesetz würden wir den Kapitalabfluss aus Russland fördern. Das ist ja wohl nicht die Aufgabe von Wirtschaftspolitik. So ein Gesetz wäre kontraproduktiv."
Putin äußert sich nicht
Selbst der Namenspatron des Gesetzes, der Oligarch Rotenberg, hat sich von dem Vorhaben distanziert. Er habe nicht vor, für seine privaten Verluste Entschädigungen aus der Staatskasse zu beantragen. An den Initiatoren des Gesetzes prallten alle Einwände ab. Wladimir Pligin von Einiges Russland:
"Es besteht objektiv die Gefahr, dass ausländische Gerichte politisch motivierte Urteile gegen russische Bürger und russische Unternehmen fällen. Das kann massenhaften Charakter annehmen. Deshalb müssen wir Präventivmaßnahmen ergreifen."
Pligin vermied den Namen Rotenberg, das Gesetz sei im Übrigen gar nicht auf einzelne Menschen zugeschnitten. Die Abstimmung fiel am Ende denkbar knapp aus. Gerade mal 51 Prozent der Abgeordneten stimmten in erster Lesung für die mögliche Entschädigung der sanktionsgeschädigten Oligarchen. Eine zweite und dritte Lesung steht aus. Präsident Putin, der das Gesetz am Ende unterzeichnen müsste, hat sich bisher nicht öffentlich zu dem Thema geäußert.