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Santiago de Compostela
La casa de la Troja

Eine alte Studentenpension Ende des 19. Jahrhunderts voller Leben und Musik ist Schauplatz des Bestsellers von Alejandro Perez Lugín. Der eignet sich auch noch heute als Reiseführer. Die Pension aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beherbergt ein Museum in der galizischen Hauptstadt.

Von Wolfgang Martin Hamdorf |
    Altstadt von Santiago De Compostela, Spanien. Ende des 19. Jahrhundertes gab es ein reges Studentenleben in der Universitätsstadt mit ihrer fünfhundertjährigen Tradition.
    Altstadt von Santiago De Compostela, Spanien. Ende des 19. Jahrhundertes gab es ein reges Studentenleben in der Universitätsstadt mit ihrer fünfhundertjährigen Tradition. (imago / Zuma)
    Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens, ist besonders bekannt durch den tausende Kilometer Pilgerweg zum Jakobsgrab, die sportliche Version katholischer Naturmystik besonders für zahllose jugendliche Pilger.
    Vor etwa hundert Jahren noch war die galizische Hauptstadt jungen und alten Lesern eher als romantische Studentenstadt bekannt und das lag besonders an dem Bestseller des galizischen Autoren Alejandro Perez Lugín "La casa de la Troya", der 1915 veröffentlicht wurde und den Lugín selbst 1926 verfilmte. Ein Museum in Santiago de Compostela hält seit mehr als 25 Jahren die Erinnerung an das Studentenleben früherer Jahre und an den Roman wach, "La casa de la Troya" - das Haus in der Trojastraße, der Originalschauplatz des Romans:
    "In der verregneten Abenddämmerung zeigte sich ihm die Landschaft in ihrer unendlichen Traurigkeit. Die Felder lagen einsam in ihrem traurigen Grün. Die Häuser am Wegesrand, wirkten abweisend und verschlossen. Die Straße war leer, es wirkte wie ein ausgestorbenes Land."
    Pilgerstadt mit kleinen Gassen, Kirchen und Klöstern
    Gerardo Roquer, ein junger Student aus Madrid sitzt in der Postkutsche nach Santiago de Compostela. In Madrid ist er zu sehr über die Stränge geschlagen und statt in den Hörsälen, hat er seine Zeit in Theatern und Kneipen vergeudet. Daher hat ihn sein Vater für das letzte Studienjahr in die tiefste Provinz geschickt, nach Galizien, der grünen Region im Nordwesten Spaniens.
    Auch Santiago, das Ziel seiner Reise, die Pilgerstadt mit ihren kleinen Gassen, Kirchen und Klöstern bedrückt ihn. Aber langsam erliegt auch er dem stillen Zauber der Stadt. Der Roman "La casa de la Troya" erzählt Gerardos Leben in der gleichnamigen Studentenpension, erzählt von den Abenteuern der Studenten, ihrer ständigen Geldknappheit und ihren durchfeierten Nächten:
    "Die Geschichte ist sehr einfach: Ein Student aus Madrid kommt nach Santiago, um seinen Abschluss zu machen. Er mag die Stadt nicht, aber dann findet er Freunde und lernt ein Mädchen kennen. Es gibt Höhen und Tiefen, aber am Ende geht die Geschichte gut aus. Sie endet mit dem Studienabschluss und den nachdenklichen Worten: Morgen mögen wir Juristen, Mediziner und Apotheker sein, aber vielleicht niemals mehr so glücklich, wie als Studenten in der Troyastraße."
    Roman von Alejandro Perez Lugín als Stadtführer
    Der Leiter des Museums in der ehemaligen Studentenpension, Benigno Amor. Der Roman von Alejandro Perez Lugín "La casa de la Troya" erschien 1915 und wurde schnell zum Bestseller in Spanien und in Lateinamerika, bis heute gab es mehr als 100 verschiedene Ausgaben:
    "Er wurde ins Englische, ins Portugiesische und ins Französische übersetzt und ist heute immer noch einer der bekanntesten Romane. Zeitweilig sagte man, dass es in Spanien das meistgedruckte Buch nach der Bibel und dem Don Quijote sei."
    Und ein wunderbarer Einstieg in die alte Studentenstadt um das Jakobsgrab sagt Benigno Amor:
    "Santiago hat sich in seinem alten Stadtkern nicht viel verändert und der Roman ist heute noch eine sehr gute Einführung in das soziale und kulturelle Leben jener Jahre, in den Alltag der Studenten und der Universität. Es ist auch heute für jemand, der zum ersten Mal nach Santiago kommt, ein idealer Stadtführer, denn er wird viele Schauplätze des Romans wiederfinden."
    1993 als Museum im Stil der alten Herberge eröffnet
    Etwa das Universitätsgebäude mit den alten Hörsälen, in denen die Köpfe der Trojaner rauchten. Das Casino, im Roman Ort rauschender Karnevalsfeste, heute ein elegantes Caféhaus. Das Theater mit seinen Premierenfeiern, zu denen sich die Studenten listig einschlichen. Und natürlich die Kathedrale und zahlreiche Klöster, Straßen und die lang gezogene grüne Alameda, Ort vieler Ausflüge, Streiche und Schwüre aufkeimender Liebe.
    Von der Plaza Cervantes mit ihrem mächtigen Brunnen sind es nur wenige Meter bis zur engen Gasse, der "Calle de la Troya" Das Museum ist ein dreistöckiges schmales Gebäude aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Zwanzig Jahre lang, zwischen 1886 und 1906 war die "Casa de la Troya" eine Studentenpension. Vor 25 Jahren, am 27. Februar 1993, wurde sie als Museum im Stil der alten Herberge und nach der Beschreibung des Romans wieder eröffnet.
    "Wir wollten die Atmosphäre dieser Pension und ihres Umfeldes wiedererwecken und zeigen, wie die Studenten in einer Universitätsstadt mit einer fünfhundertjährigen Tradition gelebt haben. Seit der Gründung des Museums vor 25 Jahren hat sich die Gesellschaft noch einmal ganz stark weiter entwickelt, und heute wird hier eben auch veranschaulicht, wie sie früher ohne Internet, ohne Heizung und fließendes Wasser gewohnt und trotzdem das Leben genossen haben."
    Im Dachgeschoss die Küche, im Keller heute ein Museum
    Das Empfangszimmer, wo die Wirtin die Mietverträge mit den Eltern der Studenten unterzeichnete, liegt im Erdgeschoss. Über eine steile Treppe gelangt man in den ersten Stock. In dem herrschaftlichen Wohnzimmer konnten die Studenten ihre Familien empfangen. Daneben ein Studierzimmer, in denen auch die Musikauftritte der Tuna geprobt wurden. Im zweiten Stock lagen die Schlafräume, je nach finanzieller Situation der Bewohner ein Einzelzimmer oder ein Bett im Schlafsaal.
    Im Dachgeschoss schließlich die Küche, die in vielen alten Häusern in Santiago unter dem Dach lag, damit der Rauch besser abziehen konnte und das Tageslicht besser ausgenutzt werden konnte. Im Keller, wo früher Pferdefutter und Kohlen lagerten, ist heute ein kleines Museum für die Tuna eingerichtet mit den typischen Trachten und Instrumenten, meist Gitarren und Mandolinen. Das studentische Leben des 19. Jahrhunderts ist ohne die Musikgruppen der Tuna undenkbar:
    "Es war eine Bewegung, die von den Studenten selbst kam, keine offizielle Veranstaltung der Universität. Natürlich entsteht die Tuna auf dem Campus, aber es ist eine Musikkultur, die von unten nach oben geht und nicht umgekehrt."
    Nächtliche Studentengesänge wurden verboten
    Die Tuna mit ihren schwärmerischen, manchmal melancholischen Gesängen ist eng verbunden mit den Feiern und den nächtlichen Eskapaden der Studenten. Manchen Bürgern Santiagos waren sie ein Dorn im Auge und so schildert der Roman auch eine kleine Studentenrevolte: Der Stellvertreter des Bürgermeisters hatte dessen wochenlange Dienstreise nach Madrid ausgenutzt um die nächtlichen Studentengesänge verbieten zu lassen. Benigno Amor:
    "Die Studenten organisieren ein sogenanntes Schweigebataillon, und folgen dem stellvertretenden Bürgermeister still mit Regenschirm und steifem Hut. Egal wohin er geht, die Studenten verfolgen ihn, mit militärischer Würde. Der stellvertretende Bürgermeister, als er sieht, dass nicht einmal seine Stadtpolizei etwas gegen diese Demonstration machen kann, hebt sein Verbot auf und erlaubt, dass Fröhlichkeit und Musik erneut die Straßen erobern."
    "La casa de la Troya" war ein Zentrum des studentischen Lebens, Ende des 19. Jahrhunderts in Santiago de Compostela. Im Sprachgebrauch vieler Älterer gibt es noch den Ausdruck "Este es como la casa de la Troya" - "Das ist wie in der "Casa de la Troya" um einen großen Trubel oder eine fröhliche Unruhe zu beschreiben: Der Roman und das Museum erinnern an ein studentisches Leben voll grotesken Humors und Musik, das so ganz anders war als der militärische Ernst der schlagenden Verbindungen, die zur gleichen Zeit das Studentenleben an den deutschen Hochschulen dominierten.