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Sarkozys spätes Bekenntnis

Bislang mussten die Anhänger der französischen Regierungspartei UMP Wahlkampf ohne einen Kandidaten machen. Die Mehrheit war der Meinung, je länger Nicolas Sarkozy Staatsmann sein kann und noch nicht Wahlkämpfer, desto besser. Doch die Unruhe wuchs - und heute nun will der Präsident im Fernsehen seine erneute Kandidatur erklären.

Von Ursula Welter |
    Ich denke, der Augenblick rückt näher, sagt Claude Guéant in Guadeloupe vor Anhängern der Regierungspartei UMP. Aus der Distanz liefert Frankreichs Innenminister damit den Hinweis: Bald ist es soweit.

    Wir brauchen ihn, sagt Claude Guéant, der seit Wochen durchs Land tingelt, um Werbung für einen Kandidaten zu machen, der sich als solcher vermutlich heute Abend zu erkennen geben wird, in den Abendnachrichten, als Gast des Privatsenders TF 1.

    Dass er ein Rendez-vous mit den Franzosen habe, dem er sich nicht entziehen werde, das hatte der Amtsinhaber schon vor Wochen durchblicken lassen. Der Rest war Schweigen. Sarkozy wolle diesmal nicht zu viel reden, wolle zeigen, dass er Staatsmann sei bis zuletzt, seine Pflichten als Präsident ernst nehme und ausfülle, sagten seine Berater - und auch er selbst:

    So wollte es Nicolas Sarkozy halten wie einst Francois Mitterrand: möglichst lange Präsident bleiben und erst spät in die Niederungen des Wahlkampfs hinabsteigen. Der Sozialist Mitterrand hatte 1988 erst vier Wochen vor dem ersten Wahlgang offiziell gesagt, dass er erneut antrete. Mitterrand wurde wiedergewählt. Anders: Valery Giscard d'Estaing, der sich 1981 deutlich früher erklärte, 56 Tage vor dem ersten Wahlgang, und entsprechend lange mehr Kandidat denn Präsident war.

    Jacques Chirac wiederum wählte den goldenen Mittelweg . Er kündigte mit sechs Wochen Abstand zum ersten Wahlgang am 11. Februar 2002 seine erneute Kandidatur an. Chirac gelang, was Mitterrand gelungen war: Auch er gewann die Wahl.

    Nun also der 15. Februar 2012 - am 22. April findet der erste Wahlgang statt. Die Anhänger der Regierungspartei UMP haben bislang Wahlkampf ohne einen Kandidaten machen müssen. Die Unruhe wuchs, wenn auch die Mehrheit der Partei der Meinung ist, je länger Sarkozy Präsident und Staatsmann sein kann, desto besser.

    Gleichwie, der Präsident habe entschieden, heißt es. Die Hängepartie sei vorüber, die Wahlkampfmaschine angeworfen. So sind die Hallen für die großen Auftritte gebucht, im Land der gepflegten Sprache ist es gute Tradition, dass ein Kandidat seine rhetorischen Fähigkeiten vor großem Publikum unter Beweis stellt. Und auch der gemeinsame Wahlkampfauftritt mit Angela Merkel steht, dem Vernehmen nach, fest im Kalender.

    Ab jetzt wird die Opposition mit Ideen aus dem Regierungslager gefordert, sei es ein Referendum zur Schuldenbremse, wie es der Ministerpräsident gestern ins Gespräch brachte, sei es die Debatte um Familie, Arbeit, Einwanderung, die der Präsident persönlich bereits angestoßen hat.

    Sarkozy wolle das Land mit seiner Politik spalten, sagt der Wahlkampfchef der Sozialisten, Manuel Valls. Das sei früher anders gewesen, ein scheidender Präsident, der erneut antrete, habe das Land traditionell zu einen versucht. Da allerdings ist das historische Gedächtnis der Sozialisten kurz: Als Francois Mitterrand 1988 zur Wiederwahl antrat, sprach auch er zwar vom geeinten Land, aber sogleich auch von den Parteien, Gruppierungen, ja Banden, in deren Hände das Land nicht fallen dürfe.

    Er trete an, so Mitterrand, weil er Angst um Frankreich habe. Ähnlich wird Sarkozy nun argumentieren: Krisenmanager , Reformer, Retter in der Not, das sei das Rezept, um Sarkozy aus dem Umfragetief zu holen, sagen seine Mitstreiter. Und: Es werde eine Art Entschuldigung, ein "mea culpa" geben für die Fehler, die er zu Beginn seiner Amtszeit gemacht habe.

    "Sicher", so sagt auch der Innenminister vor den Parteifreunden in Übersee, "sicher, nicht alles ist gelungen seit 2007, aber vergessen Sie die Krise nicht. Und "ja, meine Freunde, für die Zukunft unseres Landes ist es wichtig, dass Nicolas Sarkozy wiedergewählt wird".