Gina Belafonte: "Ein Fernsehsender zeigte, wie ein fünfjähriges Mädchen in Handschellen aus einem Kindergarten abgeführt wurde von drei Polizisten. Alle Polizisten waren weiß und das Mädchen schwarz. Als mein Vater den Terror im Gesicht des kleinen Mädchens sah und die Brutalität der Polizisten, war er sprachlos."
Gina Belafonte hat beim Festival "Zuhören" ihren Film "Sing your Song" persönlich vorgestellt. Die Biographie zeigt ihren Vater nicht nur als Musiker. Ihr Film porträtiert Harry Belafonte vor allem als Weggefährten der Bürgerrechtsikonen Martin Luther King und Nelson Mandela. Und er zeigt, wie Harry Belafonte mit rund 90 Jahren erneut mobil macht gegen Polizeigewalt und ein korruptes Justizsystem in den USA.
Belafonte: "In den Vereinigten Staaten ist man angeblich unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist. Tatsächlich sitzen über 90 Prozent der Menschen im Gefängnis, weil ihr Prozess noch nicht stattgefunden hat. Weil sie die festgesetzte Kaution nicht bezahlen können. Die Mehrheit sind Farbige. Das ist die neue Form der Sklaverei. Viele Konzerne nutzen Gefangene als billige Arbeitskräfte. Viele Gefängnisse gehören Geschäftsleuten, die damit Gewinne erwirtschaften wollen. Deshalb soll kein Platz leer bleiben. Deshalb kriminalisieren wir Armut, statt den Armen mit anderen Mitteln zu helfen."
Ideen zur Lösung des Israel-Palästina-Konflikts
Neben Künstlerinitiativen aus den USA kamen beim Festival "Zuhören" auch Vertreterinnen mehrere Graswurzel-Gruppen aus Israel zu Wort. Michaela Yakoobi hat nach dem Gaza-Krieg im Jahr 2014 eine Frauenbewegung initiiert. Von anfangs zwölf Frauen ist die Gruppe inzwischen auf über 10.000 Unterstützerinnen aller gesellschaftlichen Gruppen angewachsen. Mit Protestmärschen und direkt im Parlament üben die Frauen gemeinsam Druck auf Politiker aus. Ihre Forderung: Der israelisch-palästinensische Konflikt soll endlich politisch gelöst und auch Frauen in den Verhandlungsprozess einbezogen werden.
Michaela Yakoobi: "Wir versuchen einen Prototypen der israelischen Gesellschaft nachzubilden in unserer Bewegung, mit Frauen aus allen Bereichen des Lebens. Gemeinsam stellen wir die gleiche Forderung. Ich kenne mehr als zehn Problemlösungen für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Möglichkeiten sind endlos. Aber du musst gemeinsam am Tisch sitzen."
Das "Zuhören"-Festival in Berlin hat aufgezeigt, wie weltweit Kulturschaffende den Grundstein legen für neue soziale Bewegungen. Dabei nutzen viele Stars ihre Bekanntheit, um andere zum Mitmachen zu bewegen. Angeführt von Musikern ist so in den USA eine neue "Bewegung der Armen" entstanden, erzählt Gina Belafonte, die nichts weniger fordert als eine soziale Revolution. Ihre "Sankofa" genannte Nichtregierungsorganisation veranstaltet kommende Woche zum Beispiel ein Konzert in Washington DC. Neben den Stars treten dabei auch viele Sprecherinnen von Bürgerinitiativen auf.
"Wir müssen die Verfassung der USA neu schreiben!"
Belafonte: "Mit uns auf der Bühne werden viele Menschen gemeinsam Lieder singen und die Botschaft überbringen. Es wird kein weißer Mann sein, der viel gestohlenes Geld hat. Und eine schlechte Fernsehshow. Und viele Anhänger in den sozialen Medien. Wir haben eine Kampagne von armen Menschen für arme Menschen gestartet. Wir müssen Menschen in Ämter wählen, die das repräsentieren, was wir sind. Um die Veränderungen zu machen, die wir brauchen. Damit wir wirkliche Gleichheit erreichen können."
Gina Belafonte will die Geschichte der USA neu erzählen. Und damit endlich der Mehrheit zu ihrem Recht verhelfen: "Wir müssen die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika neu schreiben. Sie wurde geschrieben von reichen weißen Männern, die die Vorherrschaft der Weißen zementieren und Reiche bevorzugen sollte."
Auch wenn sich die Ausdrucksformen der sozialen Bewegungen in verschiedenen Ländern deutlich unterscheiden. Das diesjährige Festival "Zuhören" hat gezeigt: Die Zeit ist reif für einen Wandel. Weltweit schließen sich Menschen zusammen, um gemeinsam dafür einzutreten.