Archiv

Satellit "LISA Pathfinder"
Vorhut für ein Riesenteleskop

Im Jahr 2034 soll das Weltraumteleskop eLISA ins All starten und dort auf Gravitationswellen lauern. Das sind winzige, bislang hypothetische Dellen in der Raumzeit, hervorgerufen durch kosmische Gewaltakte. eLISA soll neue Details über schwarze Löcher liefern, über die Entwicklung von Galaxien und sogar den Urknall.

Von Frank Grotelüschen |
    Heute morgen um 5:04 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guayana startet eine Vega-Rakete. Knapp zwei Stunden später, in 250 Kilometern Höhe koppelt sie ihre Nutzlast ab – den Satelliten LISA Pathfinder. Thomas Reiter, Direktor bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA, vermeldet den erfolgreichen, wenn auch um einen Tag verschobenen Start.
    "After a launch delay of a day we are now even more happy that LISA Pathfinder has successfully launched. Lift-off was on the spot."
    Der 400 Millionen-Euro-Satellit hat die Form einer achteckigen Scheibe, Durchmesser zwei Meter. In seiner Mitte steckt eine Wäschetrommel-ähnliche Box, darin die beiden Kernstücke - zwei Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung. Nur knapp fünf Zentimeter Kantenlänge, aber durchaus gewichtig, sagt Dieter Kolbe von der Raumfahrtsparte von Airbus, dem Hersteller des Satelliten.
    "Ist zwei Kilogramm schwer. Wenn man ihn auf dem Tisch stehen hat und würde ihn anheben - man meint, er sei festgeschraubt."
    Speziallaser im Inneren des Satelliten in Aktion
    Jetzt steuert LISA Pathfinder einen der sogenannten Lagrangepunkte im All an, 1,5 Millionen Kilometer entfernt. Hier heben sich die Gravitationsfelder von Sonne und Erde auf, es herrscht fast perfekte Schwerelosigkeit. Anfang März entlässt eine Mechanik die Gold-Platin-Würfel aus ihrer Halterung, dann können sie im Inneren des Satelliten schweben, in einem definierten Abstand voneinander. Anschließend treten Speziallaser im Inneren des Satelliten in Aktion: Sie messen, wie sich der Abstand der Würfel im Laufe der Zeit ändert. Das Ziel ist ehrgeizig:
    "Wir werden den Abstand zwischen den beiden Testmassen messen können in einer Genauigkeit von einem Pikometer."
    Satellit LISA Pathfinder
    Anfang März entlässt eine Mechanik die Gold-Platin-Würfel aus ihrer Halterung, dann können sie im Inneren des Satelliten schweben, in einem definierten Abstand voneinander. (Frank Grotelüschen)
    Ein Pikometer, das ist ein milliardstel Millimeter. Sechs Monate sollen die Experimente laufen. Danach werden die Experten wissen, ob die Technik funktioniert und für eine spätere Mission taugt: Denn LISA Pathfinder ist eine Pfadfindermission im wahrsten Sinne des Wortes: Sie soll ein größeres Projekt namens eLISA vorbereiten - ein Weltraumteleskop, das Gravitationswellen aufspüren soll. Gravitationswellen sind winzige, sich lichtschnell ausbreitende Dellen in der Raumzeit, Albert Einstein hatte sie einst vorausgesagt. Sie sollten bei kosmischen Gewaltprozessen entstehen, etwa wenn schwarze Löcher zusammenstoßen. Um diese Gravitationswellen aufspüren zu können, besteht eLISA aus drei Satelliten. Sie sollen im All ein Dreieck von gewaltigen Dimensionen aufspannen.
    "Für die große LISA-Mission wird man auf Millionen Kilometer auseinandergehen. Die Gravitationswellen-Bewegung kann man dort besser detektieren."
    Hochpräzise Lasersensoren
    Die drei Satelliten werden Laserstrahlen hin und her schießen und dadurch die Abstände zwischen sich präzise überwachen. Kommt nun eine Gravitationswelle vorbei, sollte sie den Raum zwischen den Satelliten ein kleines Bisschen stauchen und strecken - was den hochpräzisen Lasersensoren nicht entgehen dürfte. Allerdings soll eLISA erst 2034 starten - und wird damit wohl nicht die erste Anlage sein, die Gravitationswellen aufspürt. Denn seit Kurzem laufen technisch verbesserte Laserdetektoren am Boden, kilometerlange Anlagen wie das LIGO-Projekt in den USA.
    "Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass diese Generation nichts misst", sagt Karsten Danzmann vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover. Dass die Fachleute dennoch ein Weltraumteleskop konstruieren, hat seinen Grund: Sie wollen damit eine neue Art von Astronomie erschließen. Denn Gravitationswellen könnten ganz neue Details über kosmische Gewaltakte verraten, etwa über Supernova-Explosionen. Dabei wird eLISA im Weltraum für andere Signale empfänglich sein als die Bodendetektoren - für Gravitationswellen etwa, die beim Verschmelzen riesiger schwarzer Löcher entstanden waren oder sogar beim Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren. Und damit hätten Fachleute wie Karsten Danzmann die Chance, viel detaillierter nachvollziehen zu können, wie das Universum einst begonnen hatte.
    "In 20 oder 30 Jahren werden wir eine blühende Gravitationswellen-Astronomie als Ergänzung der klassischen Astronomie vorfinden. Und zwar nicht nur auf der Erde, sondern auch im Weltraum. Und ich werde den Urknall noch hören mit Gravitationswellen!"
    Das allerdings kann nur klappen, wenn LISA-Pathfinder ein Erfolg wird und beweist, dass die Messtechnik einwandfrei funktioniert.