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Satire in Spanien unter Druck
Kritik nur zwischen den Zeilen

Wie die Katalanen heute bei der Regionalwahl entscheiden, ist derzeit noch offen - eines scheint aber klar: Verlierer der Katalonien-Krise ist die künstlerische Freiheit. Denn immer mehr Satiriker, Humoristen und Medienmacher bekommen Strafanzeigen, wenn sie augenzwinkernd über die spanische Staatsgewalt berichten.

Von Julia Macher |
    Dreh am Set der politischen Satire-Serie "Polònia" am 25.10.2017. In der Mitte zu sehen ist der Schauspieler Queco Novell in der Rolle des katalanischen Regionalpräsident Carles Puigdemont.
    Diese Satire traut sich noch Kritik zu: Ein Dreh am Set der politischen Sitcom "Polònia" am 25.10.2017. In der Mitte zu sehen ist der Schauspieler Queco Novell in der Rolle des katalanischen Regionalpräsident Carles Puigdemont. (Deutschlandradio / Julia Macher)
    Senyor Bohigues ist ein Großmaul, das von nichts eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung hat. Nachmittags hechelt er im Comedy-Programm des Privat-Radios Rac1 mit einer Runde weiterer Kunstfiguren die Nachrichten des Tages durch, zum Beispiel die über das Polizeischiff, das im Oktober während der Auseinandersetzungen ums Unabhängigkeitsreferendum wochenlang im Hafen von Barcelona lag. Dort stapelte sich laut "El País" der Müll, und Ratten krabbelten übers Deck.
    Anzeige wegen Verunglimpfung
    "Die ersten 10.000 Ratten, die dicken, fetten, die brachte doch Madrid", poltert Senor Bohigues. Ein paar Tage später landete die Strafanzeige einer Polizeigewerkschaft auf dem Schreibtisch von Schauspieler Eduard Biosca. Er habe den Brief zuerst für ein Knöllchen gehalten und sei dann aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, erzählt Biosca. Eine Anzeige wegen Verunglimpfung:
    "Als Senyor Bohigues improvisiere ich. Das Wort Ratte stammte aus einem Artikel von 'El País', der die Zustände auf dem Schiff schilderte. Diese Zustände, die waren imageschädigend für die Polizei. Als Humorist nehme ich natürlich die Stimmung in der Bevölkerung in meiner Figur auf. 78 Prozent der Katalanen waren nicht mit dem Verhalten der Polizei am 1. Oktober einverstanden. Diese beiden Elemente habe ich dann in meiner Kunstfigur miteinander kurzgeschlossen."
    Senor Bohigues sei auch über Schauspieler, Unabhängigkeitsbefürworter und alle möglichen anderen Kollektive hergezogen, sagt Biosca, immer ohne Konsequenzen. Aber ein Gag über die Polizei, und schon klopft die Justiz vor der Tür. Auch die Satirezeitschrift "El Jueves" hat Ärger mit der Justiz. Grund: Eine Satire-Meldung. In der wurde scherzhaft behauptet, wegen der Dauerpräsenz der Polizei gingen Barcelonas Kokainbestände zu Ende. Zehntausend Mal wurde der Gag retweetet, dann kam die Anzeige.
    "Keine Beleidigung wird unverfolgt bleiben"
    Insgesamt 150 Anzeigen wegen Hassdelikten gab es in den letzten Wochen, überwiegend gegen Privatleute. So eine Häufung sei kein Zufall, sagt Chefredakteur Guille Martinez-Vela: "Ich glaube, mit solchen Anzeigen versucht die Polizei, ihr nach dem 1. Oktober ziemlich ramponiertes Image aufzupolieren. Dazu hat der spanische Innenminister sie explizit ermutigt, als er sagte, "keine Beleidigung wird unverfolgt bleiben". Das ist natürlich eine völlig kontraproduktive Strategie. Die Leute sind ja nicht blöd und schlagen sich natürlich auf die Seite der Humoristen.
    Dabei geht es längst nicht nur um die Katalanen. Anfang Dezember wurden fünf Hobby-Rapper aus Galizien zu zwei Jahren und einem Tag Gefängnis verurteilt - genau einen Tag mehr, als das Strafmaß, das normalerweise auf Bewährung ausgesetzt wird. "Verherrlichung des Terrorismus" war der Vorwurf. Sie hatten in einem ihrer Texte die ehemalige Untergrundorganisation GRAPO erwähnt.
    Kämpfen für die Meinungsfreiheit
    "Bei faschistischen Äußerungen drückt man ein Auge zu, aber wenn es einen systemkritischen Rap gibt, dann spricht man von 'öffentlicher Gefahr'. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Diese Entwicklung gibt es schon länger, seit den Kommunalwahlen 2015, bei denen die Volksparteien einen Denkzettel erhielten. Seitdem wird jede Kritik am Status Quo kriminalisiert – und dagegen muss man kämpfen, für die Meinungsfreiheit."
    Sorgen um seine Zeitschrift macht sich Martínez-Vela keine, er weiß einen großen Verlag hinter sich. Schauspieler Eduard Biosca aber ist vorsichtiger geworden, auf Bitten seiner Chefs:
    "Wir packen jetzt die Kritik wie zu Zeiten Francos zwischen die Zeilen. Tatsächlich kann man so viel mehr sagen, als wenn man es explizit ausdrückt."