Archiv

Satiriker Wiglaf Droste gestorben
Mit Witz und Wut

Wiglaf Droste war provokant und stand damit ganz in der Tradition des von ihm verehrten Kurt Tucholsky. Zeitkritische Beobachtung wandelte er mit viel Sprachgefühl in beißende Verse. Der Schriftsteller, Dichter und Sänger ist im Alter von 57 Jahren gestorben.

Von Knut Cordsen |
Wiglaf Droste trägt Hut und seine Brille steckt zusammengefaltet in seiner Jacke. Er lacht und schaut an der Kamera vorbei.
Der Satiriker und preisgekrönte Schriftsteller Wiglaf Droste. (Imago / Hubert Jelinek)
"Alles gut!", "Alles gut!" / warum ist jetzt "Alles gut?" / Immer, immer "Alles gut!", / bis das Hirn im Hintern ruht, / sagen alle: "Alles gut!" / Nicht nur manches, "Alles gut!" / Manches aber ist "empörend!" / oder "schlimm!", das wirkt sehr störend. / Dann ist nicht mehr "Alles gut!" / Und schnell packt sie zu, die Wut."
Bei Wiglaf Droste war nie "alles gut", er wollte sich nicht abfinden mit dem Unsinn, der verzapft wird, mit den "Dämlackereien", die in Umlauf gebracht werden. Zur Welt gekommen war er in Herford, Ostwestfalen, und nannte sich einen "Westfalian Alien":
"Harry Rowohlt hat gesagt Ostwestfalen ist Quatsch. Ost und West heben sich gegenseitig auf und übrig bleibt Falen."
Streitbar und provokant
Als streitbarer Kolumnist, der seiner provokanten Äußerungen etwa über die Bundeswehr immer wieder auch Gerichtsprozesse über sich ergehen lassen musste, stand Wiglaf Droste ganz in der Tradition des von ihm verehrten Kurt Tucholsky. "Vor Gericht ist das ein Va-Banque-Spiel", sagte er: "Es gibt Richter, für die ist das durch die Meinungsfreiheit gedeckt, und andere wiederum halten das für eine ganz schwere Beleidigung, die bestraft werden muss. Man schreibt das ja nicht, um verklagt zu werden, sondern weil das ganz selbstverständlich ist und man es selbst für die richtige Formulierung hält. Und hin und wieder bekommt man dann von einem Richter gesagt: Das darfst du nicht."
Mit großer Lust legte sich Droste mit allen an – als erklärter "Grouchomarxist" auch gern mal mit humorlosen "Karlmarxisten". Die israelische Armee forderte er mal in einem Artikel auf, statt Beirut besser die Richard-Wagner-Stadt Bayreuth zu bombardieren: "Dass das kein ernstgemeinter Vorschlag war – es war ja ein Offener Brief an die Israelische Armee, der sie kaum erreicht haben dürfte –, zu der Abstraktionsleistung sind dann manche nicht fähig." Bei der taz und dem Satiremagazin Titanic war Wiglaf Droste kurz Redakteur, entscheid sich dann aber für das freie Schriftstellerdasein und schrieb z.B. Gedichte, aber auch immer wieder ätzend-brillante Sprachglossen, Polemiken und er gab als Gourmet zusammen mit seinem Freund, dem Sterne-Koch Vincent Klink, jahrelang die kulinarische Vierteljahreszeitschrift "Häuptling Eigener Herd" heraus.
"Ein großer Satiriker, ein begnadeter Polemiker"
Kostproben seines Könnens liefert ein jeder seiner Verse, etwa diese wenigen hier, in denen Wiglaf Droste dem von ihm neben Bob Dylan meistgeliebten Musiker Joe Cocker nachrief:
"Gute Rocker / sehn das locker. / 70 Jahre ward Joe Cocker. / Ich sah ihn zweimal live / er hat sich backstage übergeben, / der liebe Gott gibt ihm High Five, / es war ein hartes, also gutes Leben"
Zuletzt lebte Wiglaf Droste im oberfränkischen Pottenstein. Von dort erreichte den Verfasser dieser Zeilen erst vor ein paar Monaten ein langer Brief, in dem Wiglaf Droste u. a. von seinem gerade fertiggestellten Gedichtband "Tisch und Bett" erzählte, der hoffentlich bald veröffentlicht werde. Dieses Werk wird nun posthum erscheinen. Ein großer Satiriker, ein begnadeter Polemiker ist viel zu früh gestorben.