Ulrich Biermann: Erst war er nur die Stimme bei Roche und Böhmermann, im Neo Magazin Royale gibt er Böhmermanns Sidekick, immer gut in Form gehalten durch grelle Pullover, die - wären sie kurzärmelig und mit Knopfleiste versehen - auch Jürgen von der Lippe gut stehen würden. William Cohn, Ingenieur, Schauspieler, Sänger, Sprecher, und jetzt Berater in Stilfragen, gerade erschienen "Der gute Ton von Cohn". Willkommen, William Cohn zum Corsogespräch.
William Cohn: Einen wunderschönen guten Nachmittag meine Damen und Herren. Ich freue mich sehr, dass ich heute in einer - und das ist jetzt bitte tatsächlich wahr und nicht nur dem Moderator geschuldet - Lieblingssendungen von mir, die ich immer wieder höre, weil sie so schön vielfältig ist.
Biermann: Sie schmeicheln.
Cohn: In keiner Weise. Ich pflege zu sagen, was ich denke.
Biermann: Um ein großes Missverständnis zu klären: Style ist auf keinen Fall Stil, oder?
Cohn: Genau so ist es. Man kann ja stylisch sein, im Trend sein. Aber das heißt noch lange nicht, dass man Stil hat.
Biermann: Wenn ich Männer mit Lammfellpantoffeln durch die Fußgängerzone puscheln sehe, dann denke ich...
Cohn: Au! Wie bitte?
Biermann: Sie kennen doch diese Lammfell, beigefarbenen, ich weiß nicht wie ich das nennen soll.
Cohn: Ach, die Crocks, oder wie heißen die? Sie wissen was ich meine, die haben so einen komischen Namen, den kein Mensch aussprechen kann.
Biermann: Dabei ist doch viel wichtiger, Hauptsache geputzte Schuhe.
Cohn: Im Prinzip ja. Das ist natürlich immer eine Frage des Anlasses. Man kann von einem Feuerwehrmann nicht unbedingt erwarten, dass er seine Gummistiefel auf Hochglanz bringt, bevor er ins Feuer springt. Aber, normalerweise im täglichen Umgang wäre das wünschenswert.
Gesellschaftlicher Anstand und Schliff
Biermann: Aber bei Ihnen habe ich gelesen, Hauptsache geputzte Schuhe, da kann man alles zu tragen, auch die Jogginghose von kik.
Cohn: Also wenn man eine Jogginghose von kik tragen muss, dann kann man sie zu geputzten Schuhen allenfalls tragen.
Biermann: Seit wann beherrschen Sie die natürliche Eleganz? Wobei, man kann die ja nicht beherrschen. Natürlich ist halt natürlich. Wurde sie Ihnen angeboren?
Cohn: Da müsste ich meine Mutter, wenn ich könnte, noch fragen. Ich glaube, sie wäre anderer Meinung. Aber das sind Mütter ja meistens. Sagen wir mal, in dieser Richtung ist natürlich eine ganz große Referenz auch die im Vorwort erwähnte Willy Elmayer, die Wiener Tanzschule, in die zu gehen ich das Vergnügen hatte, und wo uns jungen Menschen, Mädchen wie Buben, ein gewisser gesellschaftlicher Anstand und Schliff beigebogen wurde. Und schließlich wollte man ja dann unbedingt mal debütieren bei einer Balleröffnung, Philharmonikerball oder irgendetwas in der Richtung. Also von daher, ein Diamant ist ja auch meistens erst mal roh. Man muss die Dinge schon ein bisschen schleifen.
"Ich beobachte eine ansteigende Gehetztheit"
Biermann: Sie bleiben stilvoll in der Kommunikation.
Cohn: Ich gebe mir äußerste Mühe.
Biermann: Stilvoll in der Kommunikation. Ihr Rat: Zuhören. Hören wir zu wenig zu?
Cohn: Das erlebt man immer wieder. Ich kenne das auch sehr gut, dass man einfach manchmal denkt, oh Gott, ich muss mich jetzt wirklich konzentrieren, um der Suada folgen zu können, aber ansonsten glaube ich, dass das zum guten Gespräch - überhaupt die Basis - dazugehört. Es ist die Basis eines guten Gesprächs, dass man versucht, wahrzunehmen, was der Andere versucht einem zu sagen, es ist eine Versuchsanstalt.
Aber es ist ja nur der Austausch, das Zusammenfinden, das Zusammenklingen in der Kommunikation führt zu einer guten Kommunikation. Ich möchte betonen, Streitereien sind nicht unbedingt gute Kommunikation.
Biermann: Das hieße eigentlich: Man, Mensch trägt nicht nur wieder Hut, sondern man, Mensch trägt wieder Aufmerksamkeit.
Cohn: Das würde das genau so bedeuten. Weil die Aufmerksamkeit als Solches ist ja nun etwas, worum wir uns heute sehr bemühen in der Welt der institutionalisierten Ablenkungen.
Biermann: Schönes Beispiel für die Ablenkung: Sie bringen eine Minutenzahl. Abendessen, früher, in den 80er Jahren, glaube ichm dauerte es durchschnittlich 31 Minuten, heute gerade mal 14. Woran liegt das?
Cohn: Naja. Ich behaupte jetzt mal ganz frech, ohne jetzt verstaubt wirken zu wollen. Aber die Tatsache, dass viele Menschen so ein kleines Kasterle mit sich rumtragen, - ich drücke das jetzt mal Wienerisch aus, wenn es erlaubt ist -, das wie ein Tamagotchi um Aufmerksamkeit winselt, das trägt wesentlich dazu bei, dass man sehr schnell irgendwo hinmöchte. Und das andere ist - was ich auch beobachte - diese ansteigende Gehetztheit, keine Zeit mehr haben für irgendetwas: Ich muss noch schnell und das mailen müsste ich noch. Also ich weiß nicht, wie Ihnen das geht, aber ich kenne das sehr gut.
"Ich bin schwer allergisch gegen erhobene Zeigefinger"
Biermann: Elegant durch alle Lebenslagen versprechen Sie, auch auf dem Titel. Aber wie elegant ist Ironie?
Cohn: Wenn sie gut gemacht ist, ist sie sehr elegant.
Biermann: Aber sich über alles und jeden lustig zu machen ist es nicht?
Cohn: Ja, Ironie ist ja nicht lustig machen. Sondern Ironie ist ja eher, zu versuchen, dass was sie einem, jemandem sagt oder so zu beantworten, dass die Antwort eventuell nicht verletzt.
Biermann: Ihr Ratgeber in Stilfragen 'Der gute Ton', ist satirisch, aber er hat natürlich - wie jede Satire - einen realen Hintergrund. Können wir nur mit Satire noch darauf hinweisen, hallo, wir sollten im Umgehen miteinander, im Verhalten, einfach mal lernen, wieder anders zu sein?
Cohn: Naja, das liegt ein bisschen auch daran, was ich so im Laufe meines Lebens erfahren durfte mit diesen… - ich bin schwer allergisch gegen erhobene Zeigefinger. Also, sobald mir jemand sagt, du darfst nicht ... ist schon passiert, Schach matt. Und so ähnlich sehe ich das auch. Ich hab, bevor ich dann mit dem Buch anfing, also die gängigen, aktuellen Ratgeber in Sachen "Guter Ton" mir angeschaut und, ja, das mit dem erhobenen Zeigefinger ist mir da schon sehr ins Auge gesprungen, und ich erlebe einfach, dass das vielen Menschen ähnlich geht wie mir.
Wenn man versteht, warum man vielleicht Dinge nicht machen sollte, dann tut man sie, weil man es versteht, nicht. Also es ist keine gute Idee, irgendwelche Dinge zu mischen, die in die Luft fliegen und das nicht draußen im freien hinter Schutz zu machen. Deswegen, wenn man den Leuten sagt, du darfst das nicht, na wir haben ja die Bilanzen an Silvester. Aber wenn man ihnen erklärt, dass das wehtun könnte, vermeiden es manche.
Biermann: William Cohn, "Der gute Ton von Cohn", erschienen bei Goldmann. Danke Ihnen für das Corsogespräch. Aber noch eine kurze, letzte Stilfrage. Wie schaut man stilvoll in die Zukunft?
Cohn: Das ist eine ausgezeichnete Frage. Was würden Sie dazu sagen?
Biermann: Vertrauensvoll, hoffnungsvoll.
Cohn: Ich denke, das ist genau der richtige Ansatz. Wenn wir in die Hoffnungslosigkeit fallen, in die Angst, dann wird auch das passieren, wovor wir Angst haben. Wenn wir uns auf die Zukunft freuen, und bis jetzt konnten wir das glaube ich doch ganz gut, dann wird sie auch hoffentlich eine schöne werden. Und das wünsche ich auch allen Hörern: Ein wunderschönes, neues Jahr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
William Cohn "Der gute Ton von Cohn - Elegant durch alle Lebenslagen"
Goldmann Verlag, Leipzig 2017, 240 Seiten, 12,00 Euro.
Goldmann Verlag, Leipzig 2017, 240 Seiten, 12,00 Euro.