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Satirischer Wochenrückblick
Nicht zum Lachen

Angesichts der Anschläge auf die französische Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" vergeht Klaus Nothnagel im satirschen Wochenrückblick das Lachen. Stattdessen macht er sich Gedanken über die Grenzen der Satire und die fragwürdige Haltung mancher Satire-Kritiker.

Von Klaus Nothnagel |
    Mohammed-Karikatur
    Gresers erste Mohammed-Karikatur in der FAZ (DLF/Schillmöller; Copyright FAZ/Greser und Lenz)
    In unserer Gesellschaft gilt: Wer grobe Scherze macht, muss auch grobe Antworten ertragen und muss manchmal sogar vor Gericht - vor ein ordentliches Gericht natürlich; denn der Traum aller Satiriker – das Satiregericht mit lauter Humoristen als Laienrichter – der wird wohl unerfüllt bleiben.
    Und dann gibt es leider Leute, die sagen: Wer grobe Scherze macht und mich damit kränkt, der wird erschossen. Mit Religion hat das wenig zu tun, denn die Kränkung definiert ja der angeblich Gekränkte, und dass diese Kränkung angeblich eine religiöse ist, spielt eine Nebenrolle, Hauptsache, der Spötter wird erschossen. Der Unterschied zwischen "Zurückstänkern oder vors Gericht rennen" und "Mord-Überfall mit Kalaschnikows" ist nicht zum Lachen, und darum verzeihen Sie mir bitte, wenn das "Is was?!" heute ein bisschen weniger witzig wird.
    Mir fallen noch andere, harmlosere Haltungen zur Satire ein, die ich auch nicht verstehe. Eine Zuhörerin schrieb mir vor Jahren: "Satire ja, aber objektiv muss sie sein". Quadrat ja, aber rund muss es sein! Satire, liebe Zuhörerin, benutzt Übertreibung, Ironie und Spott, gibt Personen, Ereignisse und Zustände der Lächerlichkeit preis und peitscht sie mit scharfem Witz.
    Als ich vor vielen Jahren bei einer Tageszeitung arbeitete, drohten Leserinnen und Leser regelmäßig mit der Kündigung ihrer Abos, wenn die Redaktion mir nicht das fiese Spotten und Stänkern verbieten würde. Ich schlug damals vor, dass die Zeitung den Lesern ihre Abos entziehen möge. Auch keine sehr tolerante Idee von mir; ich war jung, und ich brauchte die frechen Antworten.
    Immer wieder hört und liest man: So, wie das hier geschrieben wurde, kann und darf spöttischer Humor nicht sein! Das geht nicht! Das ist nicht witzig. Und das von Leuten, die Witzigkeit mangels Humor gar nicht beurteilen können! Dabei wäre es so einfach, angemessen auf Scherz, Spott, Satire zu reagieren: Wenn's nicht gefällt, liest oder hört man den Text einfach nicht zuende oder man legt die Karikatur beiseite und beschließt, von diesem Karikaturisten nichts mehr anzusehen. Es mögen eben nicht alle das Gleiche. Noch schöner wäre es, wenn wir wieder wahrnehmen lernen würden wie's die Kinder tun: Man nimmt sich aus einem Text, was man braucht - den Rest ignoriert man einfach. In den meisten Texten steht ja wenigstens ein guter Satz.
    "Was darf die Satire? Alles!", schrieb Tucholsky bekanntlich 1919. Oder 1993 die Aktualisierung von Hape Kerkeling: "Witzischkeit kennt keine Grenzen" - außer natürlich dort, wo auf Witzbolde wegen ihrer Witze geschossen wird.