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Saturn in Farbe

1997. Dramatische Überschwemmungen an der Oder. Wissenschaftler klonen das Schaf Dolly. Jan Ullrich siegt bei der Tour de France. Die Raumsonde Cassini startet ins All.

Von Jan Lublinski | 09.01.2005
    Cassini ist die bislang ehrgeizigste Mission zur Erkundung des äußeren Sonnensystems: Die Sonde ist so groß wie eine Litfasssäule und hat 12 Experimente sowie den Lander Huygens an Bord. Mehr als zehn Jahre lang haben Wissenschaftler und Ingenieure dieses Projekt vorbereitet.

    Der wesentlichere Punkt für einen Ingenieur ist, wenn die Arbeit, an der man mitgewirkt hat, sich von der Erde wegbewegt. Und ich hatte das Glück und konnte bei dem Start dabei sein. Das ist natürlich ein besonderes Gefühl. ...Das ist schon vergleichbar mit der Geburt eines Kindes in einer Familie, das ist also ein besonderes Ereignis und das möchte ich auch nicht missen.

    1999. Helmut Kohls illegale Spendenpraktiken werden publik. Günther Grass erhält den Literaturnobelpreis. Die Raumsonde Cassini nimmt Kurs auf die Erde.

    Zuvor war Cassini einmal um die Sonne gewandert und hatte bei der Venus Schwung geholt. Kritiker befürchten, dass die Raumsonde in die Erdatomsphäre stürzen und eine Katastrophe auslösen könnte - mit den 33 Kilogramm Plutonium, die sie als Energiequelle an Bord hat.

    Das Jahr 2000. Das menschliche Erbgut ist entschlüsselt. George W. Bush entscheidet die US-Wahl für sich. Der Rinderwahnsinn kommt nach Deutschland.

    Cassinis Reise verläuft weiter nach Plan. Nachdem sie bei der Erde Schwung geholt hat, tut sie dies nun ein weiteres Mal beim Planeten Jupiter.

    Das Jahr 2004. George W. Bush wird wieder gewählt. Die Raumsonde Cassini erreicht nach siebenjähriger Reise ihr Ziel: Den Planeten Saturn. An Weihnachten koppelt sie den Lander Huygens ab und schickt ihn auf die Reise zu Titan, dem größten Mond des Ringplaneten.

    Cassini ist die erste Sonde, die in eine Umlaufbahn um Saturn eingeschwenkt ist. 78 Mal soll sie den Gasriesen in den kommenden vier Jahren umrunden und so viele Daten zur Erde funken, dass noch Generationen von Wissenschaftlern mit der Auswertung beschäftigt sein werden.

    An Weihnachten hat Cassini den Lander Huygens zum größten Saturn-Mond Titan geschickt. Nun wird Huygens am kommenden Freitag dort landen und erstmals Bilder zur Erde senden - von der Oberfläche dieses noch weitgehend unerforschten Mondes.

    An Bord von Huygens befinden sich auch Aufnahmen der französischen Musiker Julien Civanage und Louis Haén: "Music to Titan" heißt das Projekt.

    Die Raumsonde Cassini wird derweil weiter ihre Bahnen ziehen und an verschiedenen anderen Saturn-Monden vorbeifliegen, dort Schwung holen und so immer neue Umlauf-Bahnen ansteuern. - Eine besondere Herausforderung für die Navigations-Experten bei der NASA, deren Funk-Kommandos anderthalb Stunden unterwegs sind, bevor sie bei Cassini ankommen.

    Für die beteiligten Wissenschaftler besteht die Schwierigkeit darin, dass die verschiedenen Messinstrumente an Bord fest installiert sind, so dass das Raumschiff immer wieder um seine eigene Achse gedreht werden muss, wenn ein bestimmtes Gerät in eine bestimmte Richtung schauen soll. Ralf Jaumann vom Deutschen Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof.

    Wir wollen dann und dann einschalten, wir wollen unter dem und dem Winkel, wir wollen das Raumschiff so und so orientiert haben." - Und das machen alle Instrumente. Wenn man es nur für das eigene Instrument machen würde, wäre das wunderbar. Aber wenn man das fertig hat muss man mit allen anderen - ich sag jetzt nicht streiten - aber doch länger diskutieren. Und das frisst dann doch ne Menge Zeit, bis dann so eine Sequenz wie ein Titan-Vorbeiflug wirklich fertig ist, dass das Radar beobachten kann, die Spektrometer beobachten können, dass die Kamera beobachten kann - alle mehr oder weniger gleichzeitig oder hintereinander, je nachdem wie es geht. Das ist natürlich eine Schwierigkeit. Der eine will da hin gucken, der andere will ganz wo anders hin gucken. Es ist ziemlich schwierig und kostet viel Zeit, viel Telefonkonferenzen.

    Dazu kommt, dass die wissenschaftliche Mitarbeit an der Cassini-Mission ein sehr langfristiges Engagement fordert. Der Geologe Jaumann ist schon seit 20 Jahren dabei, seit den ersten Planungskonferenzen in Sachen Cassini.

    Solche Weltraummissionen, hauptsächlich, wenn sie ins äußere Sonnensystem gehen, die kosten ein Wissenschaftler-Leben. Das ist ganz klar. Man hat da doch einen erheblichen Teil seiner Karriere reingehängt.

    Für Jaumann hat sich die lange Vorbereitungszeit gelohnt: Er durchlebt in diesen Monaten immer neue Höhepunkte seiner wissenschaftlichen Laufbahn: Immer wenn Cassini einen neuen, interessanten Saturn-Mond ansteuert, fliegt Jaumann von Berlin in die USA, um dort die Nächte durchzuarbeiten.

    Man ist ziemlich angespannt, man würde sowieso nicht ins Bett gehen, wenn man diese Daten hat. Und das meiste passiert ja dort, wo die Daten auf den Boden kommen. Es gibt zwar inzwischen Internet und alles Mögliche, wir kriegen die Daten auch schnell nach Berlin. Aber man fährt natürlich nicht nur wegen der Daten hin, sondern wegen der ganzen Kollegen. Man will natürlich gemeinsam drauf gucken und man will natürlich auch die Informationen schnell austauschen. Das können sie wirklich am besten, wenn Sie zusammen in einem Raum sitzen. Na ja, und dann sind sie auf einer Reise - und ich geh dann ins Hotel, wenn ich so müde bin, dass ich nicht mehr stehen kann.

    Larry Esposito von der Universität Boulder in Colorado ist bereits seit den 70er Jahren Planetenforscher. Bei der "Pioneer 11"-Mission, der ersten Sonde die an Saturn vorbei geflogen ist, war er derjenige, der in den neuen Bildern den sechsten Saturn-Ring entdeckte, den so genannten F-Ring.

    Die Daten kamen langsam damals, Zeile für Zeile, wie ein sehr verzögertes Fernsehbild. Und dann war plötzlich der neue Ring zu sehen. Ich überprüfte seine Position und seine Helligkeit, und im September 79 konnten wir die Entdeckung bekannt geben.

    Bald darauf stießen Espositos Kollegen auf den G-Ring und später noch auf viele weitere, feinere Strukturen der Saturnringe.

    In den vergangenen 25 Jahren hat sich Esposito sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, wie und wann sich die Ringe gebildet haben - ob gleich mit der Entstehung des Planeten, vor Milliarden von Jahren, oder erst in jüngster Zeit - vor wenigen Millionen Jahren:

    Seit etwa 20 Jahren ist diese Frage umstritten. Meine neuesten Computersimulationen zeigen, dass vermutlich beide Ideen richtig sind: Das Material der Ringe ist alt, und doch sind die Ringe relativ jung. Denn: Sie bilden sich immer wieder neu. Angefangen hat es damit, dass bei der Entstehung des Planeten Material übrig geblieben ist, zuerst in Form von Monden. Diese Monde wurden durch Zusammenstöße zerstört, und aus den Bruchstücken sind die Ringe hervorgegangen. Zugleich aber klumpte sich das Ringmaterial auch wieder an und bildete neue Monde. Wir haben also ein ständiges Recycling zwischen Ringen und Monden. So lässt es sich erklären, dass die Ringe so alt werden konnten wie das Sonnensystem.

    Horst Uwe Keller vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung:

    Er hat das aufgebracht, vor ein paar Jahren und da war das gegen die Lehrmeinung, wenn sie so wollen. Aber das ist jetzt anerkannt als Antithese. Es wird ernsthaft betrachtet. Aber es ist nicht entschieden.

    Viele Experten halten es aber auch für möglich, dass die Saturn-Ringe vor wenigen hunderttausend Jahren zum ersten Mal entstanden sind. Die Ringe wären damit nicht Teil eines ständiges Recyclings sondern ein besonderes Phänomen der Gegenwart - astronomisch gesehen.

    Larry Esposito hat, aufgrund seiner Computersimulationen, auch eine Erklärung dafür parat, warum die Erde nur einen Mond hat - und keinen Ring wie Saturn.

    Die Erde war erst einmal alleine da. Dann wurde sie von einem anderen Objekt getroffen bei dieser Kollision wurde Material aus beiden Objekten herausgeschlagen. Und dieses Material hat einen Ring gebildet und sich dann zu einem Mond zusammengefunden. Warum aber hat sich nur ein einziger Mond gebildet? Die Antwort, die unsere Simulationen geben, lautet: weil in dem Ring um die Erde sehr große Material-Mengen vorhanden waren. 1000 mal mehr als in den Saturn-Ringen. Darum kam es zu diesen kollektiven Phänomen, darum bildete sich bei der Erde nur ein Mond.

    Um den endgültigen Beweis für seine Theorien anzutreten, will Esposito detaillierter Computersimulationen anstellen. Dazu aber fehlen ihm noch wichtige Informationen - etwa: wie viele Monde sich in den Ringen des Saturn befinden. Wie groß diese Gesteinsbrocken sind. Und: Was genau passiert, wenn zwei Monde aufeinander prallen. Diese Informationen soll die Raumsonde Cassini in den kommenden Monaten liefern.

    Bereits in den ersten Bildern, die Cassini zur Erde gefunkt hat, zeigt sich, dass die vielen tausend Ringe des Saturn unterschiedliche Farben haben. In ihnen fliegen Brocken hin und her, die aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt sind und die bis zu etwa 100 Meter groß werden können. - 100 Meter - das ist zugleich auch etwa die Dicke der Ringe insgesamt. Zugleich sind die Ringe 50 000km breit - so gesehen ist das Verhältnis von Dicke zu Breite auf unsere Maßstäbe übertragen also noch viel dünner als das dünnste Papier.

    In den äußeren Ringen bestehen die Brocken überwiegend aus Eis, in den inneren Ringen setzen sie sich aus Staubverbindungen zusammen, mit meist rötlicher Farbe.

    Auch zeigen die neuen Bilder von Saturn erstmals, dass die Kanten der Ringe erstaunlich scharf sind. Dieses Phänomen ist das Ergebnis eines komplizierten Wechselspiels der Anziehungskräfte von Saturn und seinen Monden. Die Monde üben Gezeitenkräften auf die Ringe aus, und dabei kommt es zu so genannten Resonanzphänomenen, die dazu führen, dass die Brocken immer in bestimmten Bereichen bleiben - nämlich in den Ringen.

    Daneben aber gibt es noch ein zweites Phänomen, das zur Bildung der Ringe führt: In manchen Lücken zwischen zwei Ringen bewegen sich auch kleine Monde und räumen den Weg frei.
    Pan 20 km im Durchmesser, benannt nach dem Gott der Wälder, Felder und Herden.

    Im Jahr 1990 entdeckte ein junger Doktorand diesen Mond auf alten Fotos der Voyager-Mission. Pan verursacht die zweitgrößte Rille in den Saturn-Ringen: die so genannte "Enckesche-Teilung". Er dreht dort seine Runden und wirkt wie eine Art Staubsauger, der alle Gesteinsbrocken, die in seiner Rille liegen, anzieht und anschließend zur Seite fegt.

    Jaumann:
    Und zwar die, die näher sind beschleunigt er nach innen. Und die die weiter weg sind, die bremst er ab und beschleunigt sie nach außen.

    Prometheus, benannt nach dem Sohn des Iapetus, der dem Zeus das Feuer raubte und es den Menschen gab. Und: Pandora, benannt nach der verführerischen Frau, die dem Menschen alles Übel brachte. Beide 90 Kilometer im Durchmesser.

    Prometheus und Pandora sind zwei Monde, die auf der Innenseite und der Außenseite eines Rings, nämlich des F-Rings fliegen und durch ihre Gravitationskraft die Ringpartikel entweder nach Innen oder Außen beschleunigen, also damit den Ring ganz eng zusammen halten. Deswegen werden sie Schafhirtenmonde genannt, weil sie die Ringpartikel wie die Hunde einer Schafherde zusammenhalten.

    Enceladus, 500 Kilometer im Durchmesser. Benannt nach einem Titanen, der in der Schlacht getötet und von der Athene unter dem Ätna begraben wurde.

    Dieser Mond hat eine sehr glatte Oberfläche, die sich erst vor relativ kurzer Zeit gebildet haben kann. Sie weist keine Einschlagskrater auf und reflektiert viel Licht. Enceladus ist das hellste Objekt im Sonnensystem.

    Heißt also, dass die gesamte Oberfläche aus Eis besteht und zwar ohne große Verschmutzungen, dann kann es nur sein, dass dort Vulkanismus mit Wasser stattfindet. D.h. aus dem Inneren muss Wasser nach außen kommen und dann wieder gefrieren und somit die neue Oberfläche bilden. Jetzt hat so ein kleiner Körper gar nicht so viel Energie, dass er sein Wasser gar nicht wieder zum Schmelzen bringen kann und die Energiequelle für so einen Prozess, die ist noch völlig offen - und wir sind ziemlich sicher, dass uns da Cassini ein kleines bisschen weiter hilft.

    Aber wie entsteht ein Planetensystem wie der Saturn mit seinen Monden und Ringen? Am Anfang, erklärt Horst Uwe Keller vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung, war eine Molekülwolke.

    Wir haben eine Molekülwolke, wo Moleküle drin sind und Staub. Die rotiert und die fällt in sich zusammen. Durch ihre Eigen-Gravitation. Und wenn sie kollabiert, fängt sie immer schneller an zu drehen. So wie wenn man eine Pirouette macht und die Hände anzieht, dann geht es schneller. Dann bildet sich eine Achse aus, eine Rotationsachse. Und dadurch, dass es so schnell rotiert, wird die ganze Sache flach. Und die Wolke dehnt sich aus in der Rotationsebene. Und der Staub fängt dann an zusammenzustoßen und die Partikel werden immer größer, es bilden sich dann größere Körper wie die Kometen, die stoßen zusammen, bilden noch größere Körper und dann ist ein Körper da, der ist so groß, dass er anfängt, die ganze Umgebung zu stören und die Körper einzufangen. Und dann ist die Gravitationsanziehung so groß, dass wenn ein Körper da reinknallt, dass der kaputte Körper dann nicht wieder wegfliegen kann weil er zu stark angezogen wird.

    Im Zentrum der rotierenden Scheibe bildet sich also ein Planet und um ihn herum entstehen Monde und Ringe. Auf ganz ähnliche Weise hat auch unser Sonnensystem seinen Anfang genommen: Eine noch viel größere Scheibe aus Material dreht sich im Kreis, und in ihrem Inneren bildet sich ein großer Gasball, in dessen Mitte die Materie so dicht zusammengepresst wird, dass die Atomkerne verschmelzen und ein Sonnenfeuer entfachen. Larry Esposito.

    Wenn eine Sonne zu brennen beginnt und aufleuchtet, dann werden Partikel aus ihr herausgeschleudert, die dafür sorgen, dass der ganze Staub weggeblasen wird, der sich bis dahin nicht zu Planeten verdichtet hat. Um die Planeten aber bilden sich Monde. Wenn man so will, ist das Saturnsystem ein Sonnensystem im Kleinen.

    Wenn es mit Cassinis Reise also gelingt, neue Einblicke in das komplexe Uhrwerk des Saturns und seiner Begleiter zu gewinnen, so ist dies zugleich auch eine Reise zum Anfang unseres Sonnensystems, in dem viele geheimnisvolle Objekte ihre Bahnen ziehen. Jaumann:

    Also für mich gehören die zu den verrücktesten Monden, denn die kreisen fast auf derselben Bahn, der Abstand zwischen diesen beiden Bahnen sind fast 20 km, was bei diesen Dimensionen aber sehr viel weniger ist. Der Durchmesser von diesen beiden Körpern ist aber größer ist 70 bzw. 100 km, das heißt es fliegt der eine dem anderen hinter her. Aber, der der auf der inneren Bahn fliegt ist immer ein bisschen schneller. Und alle 4 Jahre holen die sich ein. Und jetzt können sie aber nicht aneinander vorbei. Jetzt können sie eigentlich nur zusammen stoßen, indem der Hintere auf den Vorderen auffährt. Das passiert aber, nicht, denn sobald sie in eine gewisse Nähe kommen, fängt ihre Gravitationskraft an, zu wirken und der Vordere, der weiter außen, ist und schneller fliegt, beschleunigt den Hinteren und der Hintere bremst den Vorderen gleichzeitig ab - so dass, sie nicht anderes tun als ihre Bahnen tauschen.

    Womit das Spiel wieder von vorne beginnt: Ianus und Epimetheus fliegen hintereinander her, bis der eine nach vier Jahren den anderen einholt und sie wieder die Plätze tauschen.

    Mimas: 400 km im Durchmesser. Benannt nach einem Titanen, der von Herkules erschlagen wurde.

    Wir sehen dort sehr viele Einschlagskrater, was ein Zeichen dafür ist, dass Mimas sehr alt ist. Hat aber einen sehr großen Einschlagskrater, den Krater Herschel mit 130 km Durchmesser. dieser Einschlag der dort passiert ist hat einen drittel seines Durchmessers, und das ist immer schon so hart an der Grenze, dass bei dieser Kollision Mimas schon fast hätte zerstört werden müssen.

    Neben den gut sichtbaren Himmelskörpern im Saturnsystem - den Monden, den Ringen und dem Gasplaneten selbst - sind für Wissenschaftler zunehmend auch sehr kleine, unsichtbare Objekte von Interesse, die im Magnetfeld des Ringplaneten umherfliegen. Norbert Krupp vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung interessiert sich für diese verborgene Seite des Saturnsystems. Sein Ziel:

    Das Unsichtbare sichtbar zu machen, indem wir versuchen, eine Kamera für Nicht-sichtbare-Teilchen im Saturnsystem fliegen zu lassen. Und die Ästhetik ist mindestens genau so schön, wie die der Ringe selbst, denn man sieht die Dynamik, man sie Prozesse, man sieht Wellenbewegungen, man sieht die Rotation des Planeten. Das ist schon mindestens genau so faszinierend wie die sichtbaren Ringe.

    Die Kamera für Nicht-sichtbare-Teilchen an Bord von Cassini - das so genannte Magnetosphären-Teilchen-Experiment - registriert die Geschwindigkeit kleinster Partikel, ihre Ladung und ihre Masse. Norbert Krupp hat bereits erste Daten ausgewertet und herausgefunden, dass in der scheinbar leeren Umgebung des Saturn überwiegend Wasser-Ionen herumfliegen, also geladene Wasserstoff-Sauerstoff-Verbindungen. Sie werden aus dem Eis in den Ringen herausgeschlagen, wenn dort energiereiche Elektronen auftreffen. Solche Prozesse sind von grundlegender Bedeutung, denn...
    Je mehr Teilchen da raus geschlagen werden, desto schneller ist dieses Ringsystem irgendwann mal verschwunden. Es gibt also nach ersten Ergebnissen, Anzeichen dafür, dass die Lebensdauer dieser Ringe viel kürzer ist als man vorher angenommen hat. Das heißt, es könnte durchaus sein, dass in ein, zwei Millionen Jahren, was astronomisch gesehen sehr kurz ist, einige der Ringsysteme gar nicht mehr existieren.

    Mit der Dynamik etwas größerer Partikel befasst sich Ralf Srama vom Max Planck Institut für Kernphysik in Heidelberg. Er ist verantwortlich für ein Experiment, das unter deutscher Federführung läuft: Den Kosmischen-Staub-Analysator. Mit ihm ist es möglich, Eis- und Staubpartikel zu messen, die aus wenigen Molekülen bestehen können, die aber auch so groß werden können wie Hausstaub-Körner. Der wissenschaftliche Staubfänger ist seit dem Start von Cassini ständig eingeschaltet und hat bereits Informationen über Partikel geliefert, die im scheinbar leeren Raum zwischen den Planeten aber auch zwischen den Sternen herumfliegen - den interplanetaren und den interstellaren Staub.

    Seit Cassini nun im Saturnsystem kreist, fliegen besonders viele Partikel in den Staub-Analysator. Ebenso stehen die Saturn-Monde unter Dauerbeschuss, was wiederum dazu führt, dass auch auf den Mondoberflächen viele Staubteilchen aufgewirbelt werden.
    Einige können aber auch die Mondoberfläche richtig verlassen und dann zum Ring-Teilchen werden oder zum Staubteilchen im Saturnsystem. Die Staubdichte wird um die Monde herum also wesentlich größer sein. Und die Staubdichte um die Monde herum, die wollen wir also vermessen. Und wenn man dann während des Vorbeifluges Staubteilchen misst und die Eigenschaften dieser Staubteilchen bestimmt, kann man Informationen über die Oberfläche dieser Monde erhalten - ohne dort zu landen.

    Iapetus - Durchmesser: 1500 km. Benannt nach dem Vater von Prometheus und Atlas. Ein Vorfahr der Menschheit.

    Dieser Mond besitzt eine helle und eine dunkle Seite, letztere ist vermutlich der dunkelste Fleck im Sonnensystem. Jaumann:

    Wir wissen nicht, was die dunkle Seite ausmacht. Es gibt zwei Theorien, die eine sagt, es gibt Vulkanismus. Da kommt dunkles Material aus dem Inneren. Die andere sagt, das ist schon von außen drauf gekommen. Was sicherlich einen gewissen Anreiz hat, denn dieses dunkle Material liegt sozusagen nur auf der Frontseite, mit der er um das Saturnsystem herumfliegt, also quasi wie die Windschutzscheibe. Man geht also davon aus, dass er das durch irgendeinen Prozess eingesammelt haben muss.

    Phoebe. 220 km im Durchmesser - benannt nach der Göttin der Jagd und des Mondes.

    Dieser Mond gilt als der exotischste im Saturnsystems. Er fliegt anders um den Saturn herum als all die anderen Monde - also in Gegenrichtung. Cassini ist im vergangenen Sommer, direkt vor dem Eintritt in die Saturn-Umlaufbahn, an Phoebe vorbei geflogen.

    Wir sind mit der Untersuchung von Phoebe noch nicht ganz zu Ende. Die attraktivste Theorie war, dass der Sonnenwind Material aus der Oberfläche von Phoebe herausschlägt, dieses Material wird von der Gravitation von Saturn gepackt und nach Innen beschleunigt und irgendwann gerät es auf die Bahn von Iapetus und der sammelt's ein. Die ersten Untersuchungen, die wir haben zeigen, dass das Material von Phoebe nicht so rötlich ist, wie wir das von dem Iapetus-Material kennen, und das spricht dann doch dafür, dass diese Theorie nicht so ganz stimmt.

    Während also bis auf weiteres ungeklärt bleibt, woher Iapetus sein dunkles Material erhält, scheint mit den neuen Daten von Cassini eine andere umstrittene Frage beantwortet zu sein: nämlich die nach dem Ursprung des Mondes Phoebe. Offenbar stammt Phoebe nicht aus dem Saturn-System, sie ist vielmehr ein fremdes Objekt aus einem fernen Außenbezirk unseres Sonnensystems. Vermutlich kommt sie aus dem so genannten Kuiper-Gürtel, der jenseits des Neptun liegt. Phoebe hat von dort den Weg zum Saturn gefunden und konnte so in eine Umlaufbahn gehen, die andersherum verläuft als die der anderen Monde und Ringe.

    Titan. 5100 Kilometer im Durchmesser, der größte und zugleich geheimnisvollste Saturn-Mond.

    Titan besitzt eine eigene Atmosphäre. Sie besteht aus Stickstoff und Methan und ist so dicht, dass es sehr schwer ist, durch sie hindurchzuschauen. Cassini ist inzwischen bereits zweimal an Titan vorbei geflogen, und dennoch bleibt der Mond den Forschern ein Rätsel. Immerhin gilt es inzwischen als sicher, dass Titan festes Material an seiner Oberfläche hat. Um welches Material es sich aber genau handelt, und wie es strukturiert ist, ob sich auf Titan Berge oder Vulkane befinden - das ist weiter offen. Ralf Jaumann ist in den vergangenen Wochen mehrfach in die USA gereist, um mit seinen Kollegen dieses große Rätsel zu lösen, aber es ist ihnen noch nicht gelungen.

    Wir waren jetzt alle irgendwie - das ging nicht nur mir und meinen Kollegen so, sondern auch den anderen Teams so - wir waren nicht frustriert, wir waren ein bisschen verstört: Wir sehen da was, das unterscheidet sich grundsätzlich von allem, was wir bisher in diesem Sonnensystem gesehen haben, und wir können es nicht interpretieren. Da ist man erst mal ein bisschen verstört. Was ist da los? Was sehen wir da?


    Nun soll Ende dieser Woche ein Projekt weiterhelfen, das von den Europäern finanziert wird: Der Lander Huygens. Er wurde bereits an Weihnachten von der Raumsonde Cassini abgekoppelt, und wenn alles nach Plan läuft, wird er am kommenden Freitag in die Titan-Atmosphäre eintreten, an einem Fallschirm hinabsegeln und auf der Oberfläche des Mondes Titan landen. Keller:

    Das Aufregende ist: Das ist das letzte wo man keine Ahnung hat, wie es aussieht. Wir werden zum ersten Mal die Titan-Oberfläche sehen und berühren, das ist sehr aufregend, denn dann hat man alles gesehen im Sonnensystem mehr oder weniger. Und dann geht es nur noch darum es besser zu sehen. Und noch mehr Erfahrungen zu sammeln. Klar. Aber dass es einen Körper gibt, der so stark eingehüllt ist, einen Mond, der eine so starke Atmosphäre hat wie die Venus, da kann man ja auch nicht durchschauen - aber da hat man mit dem Radar durchgeguckt und man ist auch schon gelandet. So ähnlich ist das. Das ist sehr aufregend. Das ist einer der Höhepunkte in der Planetenforschung. Wenn das gelingt ist das eine ganz tolle Sache. Eine ganz tolle Sache.

    Horst Uwe Keller vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung gehört zu dem Wissenschaftler-Team, das die Spezial-Kamera an Bord von Huygens entwickelt und getestet hat.

    In seinem Büro hängen leicht vergilbte Luftaufnahmen von landwirtschaftlich genutzten Flächen - Fotos, die die Huygens-Kamera während eines Testfluges im Jahr 1997 gemacht hat - über Arizona, an Bord eines Hubschraubers.

    Da kann man sehen, wie das funktioniert. Die Kamera macht drei verschiedene Bilder, sie guckt zur Seite, dann guckt sie schräg runter und dann guckt sie fast ganz nach unten. Das kann man hier sehen: das gibt immer so Segmente. Die drei werden zusammen aufgenommen. Die Sonde rotiert, und das Bild muss dann zusammengesetzt werden. Das ist sehr aufwändig, wenn man das zu der Qualität machen will, die man hier sieht.

    Es ist Hektik vor dem Sturm. Obwohl alle wissen, seit 8 Jahren, wann Huygens landen wird, kommt das mit Riesenschritten näher,

    erzählt Björn Grieger, der in der Nacht zum kommenden Samstag mit einer Gruppe von Kollegen die Huygens-Bilder auswerten will. Daneben möchte er auch möglichst schnell erste Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Atmosphäre bündeln - vorausgesetzt natürlich, die Daten von Huygens kommen auf der Erde an.

    Eine Kleinigkeit, vor der man doch ein bisschen Angst hat, ist: Dass bei der Landung der Fallschirm auf die Sonde fällt. Das wäre nicht so schlimm, der Schwerpunkt der Mission ist, dass man während des Abstiegs die Atmosphäre misst. Aber es gibt auch ein Package, das am Boden Messungen macht. Man möchte, falls die Sonde den Aufprall überlebt, auch am Boden Fotos machen. Und es wird ja nicht wie bei den Mars-Missionen mit so einem Airbag gelandet, wo dann der Fallschirm vorher abgesprengt wird, sondern die Sonde fällt wirklich am Fallschirm auf den Boden und dann könnte der Fallschirm auf die Kamera fallen und dann könnte man auf dem Boden kein Bild mehr machen.

    Auch ist nicht ausgeschlossen, dass beim Funkkontakt zwischen Cassini und Huygens etwas schief laufen wird. Dass hier ein Problem besteht, haben die Wissenschaftler erst nach dem Start der Mission bemerkt. Beim Bau von Cassini war übersehen worden, dass der so genannte Doppler-Effekt auftreten würde: Dadurch dass die beiden Sonden seit ihrer Abkoppelung mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind, verschiebt sich auch die Frequenz der Signale, die Huygens an Cassini schickt. Darauf aber war die Elektronik an Bord von Cassini nicht vorbereitet worden - aufgrund eines Versehens. Um die Frequenz-Verschiebung durch den Doppler-Effekt nun möglichst gering zu halten, war das gesamte Bahn-Manöver neu geplant worden. Auch ist die komplette Bord-Software von Huygens in den vergangenen Wochen noch einmal umprogrammiert worden.

    Huygens ist also eine weitere Risiko-Mission der Europäer. Die Raumfahrtexperten haben viel Zeit und Geld in dieses Projekt gesteckt, das nach sieben Jahren Reise durchs All möglicherweise scheitern wird. Dem hohen Risiko aber steht auch ein großer möglicher Gewinn gegenüber: Gelingt die Huygens-Mission, wissen wir in wenigen Tagen, wie es auf Titan aussieht. Der letzte weiße Fleck auf der Landkarte des Sonnensystems wäre dann erkundet.
    Ganz aus der Nähe hat Cassini die Ringe des Saturn aufgenommen.
    Ganz aus der Nähe hat Cassini die Ringe des Saturn aufgenommen. (CICLOPS)
    Dieses Bild vom Saturn hat die Sonde Cassini-Huygens am 16. Mai 2004 aufgezeichnet.
    Dieses Bild vom Saturn hat die Sonde Cassini-Huygens am 16. Mai 2004 aufgezeichnet. (AP)
    Bob Mitchell, Projektdirektor, und Julie Webster, Flugdirektorin, freuen sich über die geglückte Ankunft der Raumsonde Cassini am Saturn
    Bob Mitchell, Projektdirektor, und Julie Webster, Flugdirektorin, freuen sich über die geglückte Ankunft der Raumsonde Cassini am Saturn (AP)
    Der Saturnmond Titan, aufgenommen von der Voyager-Sonde am 25. August 1981.
    Der Saturnmond Titan, aufgenommen von der Voyager-Sonde am 25. August 1981. (Nasa)