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Satzungsdebatte
Niederlage für Lucke bei AfD-Parteitag

Beim teilweise chaotischen AfD-Europaparteitag in Erfurt fährt Parteichef Lucke eine herbe Niederlage ein: Die von ihm gewünschte Stärkung des Vorstandes wird nicht beschlossen. Von rechten Tendenzen distanzierte sich Lucke derweil deutlich. Er verortet die Partei in der Mitte.

Von Henry Bernhard |
    AfD-Parteichef Bernd Lucke beim Europaparteitag in Erfurt
    Bundesparteichef Bernd Lucke musste beim AfD-Europaparteitag Kritik einstecken (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Der Antrag zur Annullierung aller Anträge steht für das Chaos, mit dem der AfD-Parteitag in Erfurt begann: Es dauerte ewig, bis Präsidium und Versammlungsleiter bestimmt waren; dazu kamen Anträge zur Geschäftsordnung en masse. Und dann der Antrag, der die Pläne von Parteichef Bernd Lucke zunichtemachte: "Ich beantrage, dass wir die ganze Satzungsdiskussion vertagen auf einen neuen Parteitag im Herbst".
    AfD-Chef Lucke wollte mit seinem Antrag zu einer neuen Satzung die Macht in der Parteispitze konzentrieren, einen einzigen Vorsitzenden etablieren und die Möglichkeit einrichten, Vorstandsmitglieder absetzen oder ganze Gebietsverbände der AfD auflösen zu können. Hier verließ die Basis ihren Chef und Parteigründer Lucke, der sich – wohl erstmals – Pfiffen und Buhrufen seiner eigenen Partei ausgesetzt sah: "Ich bitte mal, nein, dass sich die Gemüter nur ein bisschen beruhigen, warten Sie!"
    Etwa 80 Prozent der anwesenden Parteimitglieder stimmten dafür, die neue Satzung nicht in Erfurt zu diskutieren und zu verabschieden, sondern auf einem späteren Parteitag. Viele Anwesende waren hochzufrieden – wie auch Jörg Himmelreich, Landesvorstandsmitglied in Nordrhein-Westfalen: "Bernd Lucke hat die Ohrfeige sozusagen gesucht und hat sie von der Basis bekommen. Ich finde, es ist ein beeindruckendes Reifezeugnis einer basisdemokratisch regierten Partei, dass sie sich nicht so vereinnahmen lässt, wie sich das der Sprecher gedacht hat. Wir können die Botschaft weitergeben: 'Ermächtigungsgesetz' abgelehnt."
    Streit in den Landesverbänden bleibt unerwähnt
    So blieb für den AfD-Parteitag nur die Diskussion des Europawahlprogramms. Europa ja – aber vor allem für die Starken; so lässt sich das Programm zusammenfassen. Bernd Lucke hielt eine von viel Beifall unterbrochene Rede, die die bekannten Kritikpunkte an Euro und Schuldenkrise zusammenfasste, aber keine positive Zukunftsvision enthielt.
    "Meine Damen und Herren, wir wollen einen Staatenbund souveräner Staaten statt eines Bundesstaates. Wir wollen Europa und die Europäische Union als Ergänzung aber nicht als Ersatz. Da brauchen wir uns nicht hinter europäischen Interessen zu verstecken, wenn es tatsächlich um unsere eigenen geht. Wenn es um die Hoheit über unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik oder um unsere Sozialpolitik geht oder über unsere Bildungspolitik geht. Da brauchen wir Mut für Deutschland."
    Auf die erheblichen Streitigkeiten in den Landesverbänden, auf radikale Ausreißer in Interviews, auf "Spinner", wie sie in Hintergrundgesprächen genannt werden, ging Lucke nicht ein. Rechte Tendenzen würden der AfD von den Medien unterstellt. Davon distanzierte er sich deutlich. Hans-Olaf Henkel lokalisierte die AFD in der Mitte, rechts der CDU. Bernd Lucke wollte sich da nicht so festlegen: "Wir sind nicht Konservative oder Liberale, wir sind in allererster Linie AfD-ler."