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Sauber durch Sonnenlicht
Photokatalytische Oberflächen reinigen sich von selbst

Durch eine Beschichtung aus Titandioxid sollten sich Gartenmöbel nur durch Sonnenlicht wie von selbst reinigen, versprach vor vier Jahren die Fraunhofer-Gesellschaft: Angeregt durchs Licht sollte sie chemische Reaktionen in Gang setzen, die Bakterien, Algen und Pilze zersetzen. Die Pilotversuche verliefen vielversprechend – doch was ist aus der Entwicklung geworden?

Von Frank Grotelüschen |
    Drei mit Titandioxid beschichtete Plättchen im Vergleich - von ganz sauber bis ganz fettig, je nachdem, wieviel UV-Licht sie ausgesetzt waren
    Drei mit Titandioxid beschichtete Plättchen im Vergleich - von ganz sauber bis ganz fettig, je nachdem, wieviel UV-Licht sie ausgesetzt waren (Frank Grotelüschen)
    "Ich habe hier drei kleine Glasproben vor mir. Diese Glasproben sind jeweils mit Fettsäuren beschichtet."
    Braunschweig, das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik. Ingenieur Frank Neumann hält drei Glasplättchen in der Hand: Das rechte zeigt einen satten Fettfleck, auf dem mittleren ist der Fleck halb verschwunden, das linke erstrahlt in hochreinem Glanz. Alle drei Plättchen sind mit derselben Spezialschicht überzogen, wurden jedoch unterschiedlich lange mit UV-Licht beleuchtet: das fettige gar nicht, das mittlere 30 Minuten, das saubere anderthalb Stunden. Frank Neumann:
    "Bei längerer Bestrahlung der Oberfläche mit UV-Licht wird der Fettsäurefilm komplett abgebaut. Ein sehr schönes Beispiel für eine selbstreinigende Oberfläche."
    Hinter dieser selbsteinigenden Oberfläche steckt ein vergleichsweise einfaches Molekül: Titandioxid, eine Verbindung aus Titan und Sauerstoff:
    "Titandioxid ist ein Weißpigment, das kennen Sie sicherlich von Wandfarben, es ist in Zahnpasta und ähnlichem enthalten. Es ist sehr günstig und sehr einfach in großen Mengen herzustellen. Und man kann es sehr einfach in die verschiedensten Produkte einbetten oder Beschichtungen aufbringen."
    Eine Prüfanlage für selbstreinigende Titandioxid-Beschichtungen
    Eine Prüfanlage für selbstreinigende Titandioxid-Beschichtungen (Frank Grotelüschen)
    In seiner kristallinen Form wird Titandioxid zu einem Photokatalysator: Unter Einfluss von UV-Licht bildet es sogenannte Radikale - chemisch aggressive Substanzen, die sich über nahezu alles hermachen, was in der Nähe ist, Algen zum Beispiel, Pilze, Fett und Bakterien. Im Idealfall bleibt kaum mehr als Wasser und CO2 zurück, erklärt Frank Neumann:
    "Die Materialien können dann für Luftreinigung, Wasserreinigung und Selbstreinigung eingesetzt werden."
    Photokatalyse greift nicht nur Schmutz, sondern alle Organik an
    Was die Selbstreinigung angeht, präsentierten Fraunhofer-Forscher aus Stuttgart vor vier Jahren ein vielversprechendes Projekt: Sie hatten die Kunststoff-Armlehnen von Gartenstühlen mit Titandioxid beschichtet, anschließend mit einer Mixtur aus Moosen, Algen und Bakterien besprüht und dann zwei Jahre lang der Witterung ausgesetzt.
    Das Resultat: Anders als unbeschichtete Armlehnen blieben die behandelten Gartenmöbel weitgehend sauber und weiß. Doch die Sache, sagt Frank Neumann, hatte einen Haken:
    "Hierzu muss man sagen, dass die Photokatalyse alles an Organik angreift - insbesondere auch den Kunststoff dieser Gartenstühle. In diesem Fall musste man erst mal eine Schutzschicht aufbringen, um den Kunststoff zu schützen."
    Das Titandioxid geht also nicht nur auf Mikroben und Algen los, sondern auch auf das zu schützende Objekt - den Gartenstuhl. Das kann nur eine zusätzliche Grundierung verhindern:
    "Das macht das Verfahren aufwendiger, weil es eine Doppelbeschichtung bedeutet: erst die Schutzschicht, dann der Photokatalysator. Das macht das Verfahren natürlich teurer und für viele Anwendungen unwirtschaftlich."
    Mit Titandioxid beschichtete Gartenstühle sind zwar unter Sonneneinfluss selbstreinigend, zum Schutz des Kunststoffs ist aber eine zusätzliche Schutzbeschichtung notwendig, die das Verfahren in vielen Bereichen zu teuer macht
    Mit Titandioxid beschichtete Gartenstühle sind zwar unter Sonneneinfluss selbstreinigend, zum Schutz des Kunststoffs ist aber eine zusätzliche Schutzbeschichtung notwendig, die das Verfahren in vielen Bereichen zu teuer macht (ZB/Robert Schlesinger/dpa picture alliance)
    Was der Grund dafür sein dürfte, dass heute noch keine selbstreinigenden Gartenstühle auf unseren Terrassen stehen. Anders bei Untergründen, die nicht vom Titandioxid angegriffen werden - Keramik etwa oder Glas. Hier gibt es mittlerweile Produkte, zum Beispiel selbstreinigende Kacheln für die Außenbereiche von Schwimmbädern. Auch in der Autoindustrie finden sich erste Anwendungen:
    "Zum Beispiel bei selbstreinigenden Spiegeln. Das heißt dass das Wasser einen benetzenden Film bildet und dann abperlt und Schmutz mit abwischt."
    Die Titandioxidschicht auf dem Außenspiegel löst den Schmutz, den der nächste Regen dann wegspült. Eine andere Hoffnung dagegen hat sich noch nicht erfüllt:
    "Es war auch mal angedacht, das auf Handy-Oberflächen einzusetzen. Und da ist es so: Wenn man eine gute Wirksamkeit haben möchte, muss man mit extrem dicken Schichten arbeiten, was das Display mehr verspiegelt. Und deswegen ist da noch keine Marktdurchdringung zu sehen."
    Titandioxid als Luftreiniger
    Hinzu kommt, dass das Titandioxid nur organische Substanzen angreift, aber kein Salz und keinen Staub. Im Labor wird es mit Schmutzfilmen aus reinem Fett zwar fertig. Aber die Fingerabdrücke auf dem Smartphone-Display enthalten auch Stoffe wie Salz aus dem Hautschweiß und lösen sich deshalb nicht komplett auf. Auch sei die Effizienz der heutigen Beschichtungen noch verbesserungswürdig, meint Neumann, und ihre Haltbarkeit:
    "Da die Produkte noch nicht allzu lange im Markt sind, muss man sehen, wie die Langzeitstudien ausfallen."
    Also: Beschichtungen, die sich bei Sonnenlicht selbst reinigen, gibt es zwar schon. Aber für den Massenmarkt scheinen sie noch nicht geeignet. Für eine andere Anwendung dagegen setzen sie sich gerade durch, sagt Jan Gunschera vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung:
    "Systeme, die an der Oberfläche Schadstoffe oder ungewünschte Stoffe adsorbieren können und abbauen. Diese Produkte sind im Wesentlichen im Außenbereich im Einsatz, an Fassaden zum Beispiel, zum Stickoxidabbau."
    Titandioxid als Luftreiniger also - laut Gunschera das derzeitige Haupteinsatzfeld des reinlichen Moleküls.