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Saubere Dienstwagen für die Ökobilanz

Der Großteil der grün-roten baden-württembergischem Landesregierung möchte auch in punkto Dienstwagen etwas für die Umwelt tun. Doch trotz großer Auswahl an heimischer Autoindustrie ist die Suche nach einem verbrauchsarmen und dennoch komfortablem Fortbewegungsmittel nicht einfach.

Von Ulrike Mix |
    Schwarzer Anzug, blauer Helm. So kennt man Boris Palmer, den grünen Oberbürgermeister von Tübingen, wenn er auf seinem Elektro-Dienstrad von Termin zu Termin unterwegs ist. Auf seinen Dienstwagen verzichtet Palmer weitestgehend, wenn es die Distanz zulässt. Das Rad ist schnell, ökologisch – und die lästige Parkplatzsuche fällt weg.

    "Die Erfahrung insgesamt hat mich gelehrt: Ohne Auto geht's am besten. Heute fahr' ich Elektrofahrrad, 0,1 Liter auf 100 Kilometer und im Stadtverkehr genauso schnell. Außerdem immer wieder frische Luft und ein Mindestmaß an Sport. Ich bin damit sehr zufrieden."

    Palmers Weg zum ökologischen Gefährt war dornig: Als er 2007 in Tübingen Oberbürgermeister wurde, stand noch der alte Mercedes seiner Amtsvorgängerin vor der Tür. Ein Spritschlucker. Den schaffte er ab und stieg um auf das damalige Umweltauto Nummer eins: den Toyota Prius. Ein Auto in der Größe eines VW Passat. Eine Entscheidung, die ihm Ärger einbrachte:

    "Ich wollte eine Dienstlimousine, und ich wollte ein umweltfreundliches Fahrzeug, deswegen war für mich das Limit 130 Gramm CO2 pro Kilometer. Und mit diesem Wert gab es einfach von den deutschen Anbietern nichts. Deswegen kam am Ende dieses japanische Hybridmodell dabei heraus und der Vorwurf des Landesverrats durch den Ministerpräsidenten."

    Damals Günther Oettinger. Palmer sei schuld, wenn die baden-württembergische Autobranche vor die Hunde und Arbeitsplätze verloren gingen – warf der CDU-Politiker dem grünen Oberbürgermeister vor. Denn man könne sehr wohl umweltfreundlich und made in Baden-Württemberg fahren – mit einem smart! Palmer konterte damals:

    "Als Oberbürgermeister im smart, da würden die Kollegen lachen. Ich will sie beeindrucken mit moderner Technik und nicht mit einer Quetschkommode."

    Am Ende stieg Palmer dennoch auf den Zweisitzer um. Doch auch der ist inzwischen abgeschafft. Palmer fährt Rad, Bus, Bahn und Teilauto.

    Aus diesen und anderen Erfahrungen hat die grün-rote baden-württembergische Landesregierung gelernt - und ist nur mit den heimischen Autobauern Daimler und Audi im Gespräch. Porsche scheidet aus, denn der Sportwagenhersteller bietet nichts, was gleichzeitig mit der Umwelt vereinbar wäre UND mit dem Landeshaushalt. Doch auch bei den beiden anderen ist die Wahl gar nicht so einfach, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann:

    "Weil Dienstwagen natürlich größer sind, man muss ja darin arbeiten und wir darauf angewiesen sind, dass aus der Automobilindustrie auch dienstwagenfähige Autos kommen, die aber weniger Sprit brauchen als die Dienstwagenkarossen heute."

    Ein Blick auf die Verbrauchswerte zeigt: Wenn man die 130 Gramm CO2 einhalten will, kommt bei Daimler maximal eine E-Klasse infrage, bei Audi maximal der A6. Besser wären noch kleinere Modelle.

    Doch das scheint nicht allen im Kabinett zu schmecken. Die SPD betont hie und da, man habe Benzin im Blut, was wohl soviel heißen soll wie man habe ein Recht auf einen großen heimischen Wagen – und auch Grüne Minister scheinen zu befürchten, dass sie auf der Rückbank nicht genug Platz haben könnten, um während der Fahrt Akten zu wälzen.
    Testsitzen ist angesagt. In der Tübinger Mercedes-Niederlassung darf man leider nicht mit der Presse sprechen – das machen nur die Pressestellen - also auf zu Audi. Und da zeigt sich, ...

    ...dass im Audi A6 doch prompt die Knie an der Rückenlehne des Beifahrersitzes anstoßen. Und ein Aktenordner auf den Oberschenkeln – naja.

    Aber ist genügend Beinfreiheit schon alles, was ein Minister braucht – oder gar ein Ministerpräsident? Vielleicht noch getönte Scheiben, meint man im Staatsministerium – außerdem: Telefon, Internet, Fax – das gibt's bei den größeren Wagen serienmäßig – sogar mit W-Lan -, aber nachrüsten lässt sich natürlich fast jedes Modell.

    Auch deswegen sind kleinere Dienstwagen zumutbar, unterstreicht der VCD, der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland. Es sei nicht unter der Würde eines Ministerpräsidenten, in einer E-Klasse zu sitzen. Die sei groß genug. Der Audi-Mann bezweifelt das.

    "Also, was heißt groß genug – aber die Frage ist natürlich auch: Wie kann ich, wenn ich viele, viele Kilometer unterwegs bin, das halbwegs komfortabel über die Bühne kriegen?"

    Die Rettung so mancher Minister könnte sein, dass sie die von Kretschmann vorgegeben 130 Gramm CO2 nur im Durchschnitt erreichen müssen. Also, ist für den Chef ein weniger umweltfreundliches, größeres Auto drin, wenn die Mitarbeiter kleinere Wagen fahren.

    Kretschmann hat sich, wie man hört, für eine S-Klasse von Daimler als Dienstwagen entschieden. Ein Diesel, über den man aus Sicherheitsgründen nicht mehr erfährt, der aber aufgrund seiner Panzerung die 130 Gramm CO2 sicher nicht einhalten kann. Öko-Welten besser als der Dienstwagen seines Vorgängers Stefan Mappus wird er aber sein, denn Mappus war laut Statistik der Deutschen Umwelthilfe der deutsche Ministerpräsident mit den meisten PS – nämlich 517. Sein gepanzerter Dienstwagen schluckte im Schnitt über 14 Liter Benzin und blies 340 Gramm CO2 in die Luft.

    Diesen Spritfresser muss Kretschmann noch bis zum Spätsommer fahren. Erst dann läuft der Leasing-Vertrag aus – und der neue Dienstwagen kommt.

    Um dessen CO2-Bilanz auszugleichen hat Kretschmann jüngst ein Elektroauto von Daimler in Betrieb genommen – eine A-Klasse, die noch nicht auf dem Markt ist. Reichweite: rund 250 Kilometer. Sie kann also nur für kürzere Strecken genutzt werden – wie derzeit alle Elektroautos.

    Richtig nach unten drücken ließe sich der CO2-Ausstoß natürlich mit einem Elektrofahrrad, wie es Boris Palmer bei seinen Tübinger Stadtfahrten bevorzugt. Der Hilfsmotor wird mit Ökostrom betrieben und vermeidet lästiges Schwitzen am Berg. Keine Zumutung für Minister, sondern eine Alternative, findet Palmer.

    "Wenn das im Moment eine Zumutung sein sollte, dann nur weil in Stuttgart die Radwege so schlecht und unsicher sind. Wenn das behoben ist, dann wird man in Zukunft auch Anzugträger viel häufiger auf Fahrrädern sehen, man ist nicht dadurch ein besserer Manager, dass man eine größere Limousine fährt."