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Ronaldo, Newcastle, LIV-Golftour
Welche Ziele Saudi-Arabien im Sport verfolgt

Cristiano Ronaldo, Karim Benzema, LIV-Golftour: Saudi-Arabien investiert massiv in den Sport. Das Land wolle so Einfluss gewinnen, sagt Journalist Robert Chatterjee im Dlf. EU-Politiker Hannes Heide nimmt die Sportverbände in der EU in die Pflicht.

Jürgen Kalwa, Robert Chatterjee und Hannes Heide im Gespräch mit Matthias Friebe und Maximilian Rieger |
Ein Fan von Newcastle United trägt eine Maske des saudischen Kronprinzen Mohammad Bin Salman. Ein saudischer Staatsfonds übernahm den englischen Traditionsclub im Oktober 2021.
Ein Fan von Newcastle United trägt eine Maske des saudischen Kronprinzen Mohammad Bin Salman. Ein saudischer Staatsfonds übernahm den englischen Traditionsclub im Oktober 2021. (imago images / NurPhoto / MI News via www.imago-images.de)
Spätestens seit der WM in Katar ist das Wort „Sportswashing“ ein Begriff. Dahinter steckt das Modell, durch Investitionen in den Sport oder dem Ausrichten von Sportevents von Missständen im eigenen Land abzulenken. Nach Katar ist nun Saudi-Arabien der nächste Staat, der massiv in den Sport investiert. Mit Cristiano Ronaldo spielt etwa schon ein internationaler Superstar im Golfstaat. Mit Karim Benzema folgt nun der aktuelle Weltfußballer.

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Und auch im Golfsport hat Saudi-Arabien einen Erfolg gefeiert. Denn die von Saudi-Arabien gegründete LIV-Tour fusioniert nun mit der traditionellen PGA-Tour. Die neue Tour wird maßgeblich mit saudischem Geld und unter saudischem Vorsitz starten. Dabei existiert die LIV-Tour gerade einmal seit zwei Jahren. Mit teilweise dreistelligen Millionenbeträgen haben die Organisatoren dann Spieler von der PGA-Tour abgeworben. Nun also die Fusion.

Chatterjee: "Strategie der Verflechtung"

Saudi-Arabien habe sich Einfluss gekauft, sagte Robert Chatterjee im Deutschlandfunk-Sportgespräch. Chatterjee ist Online-Chef des "Zenith"-Magazins, einer Fachzeitschrift für die arabische Welt.
"Das ist Teil einer Strategie der Verflechtung, die andere Golfstaaten bereits vorgemacht haben und die Saudi-Arabien jetzt in einem viel größeren Maßstab anwendet. Gerade der Golfsport nimmt da eine besondere Perspektive ein, weil man dort an ganz andere Kreise herankommt", sagt er. "Vieles, was mit diesem Sport assoziiert ist, ist extrem attraktiv für die Saudis."
Golf sei vor allem in den USA ein Volkssport, sagt Journalist und Golf-Experte Jürgen Kalwa. Auch in Großbritannien, Japan oder Deutschland sei der Sport beliebt. "Golfsport ist eine enorme kommerzielle Geschichte.“
Golf sei zudem auch wichtig für den Tourismus, so Kalwa. "In Ländern, in denen man nur Hotels bauen würde und vielleicht ein bisschen Strand hätte, könnte man mit Golfplätzen noch mehr Attraktivität erzeugen. Und es sieht so aus, als ob die Saudis sehr viel auf dem Zettel haben, was den Tourismus angeht."

Kalwa: "Weiße Fahne der PGA-Tour"

Doch warum fusioniert die etablierte PGA-Tour überhaupt mit dem neuen Konkurrenten LIV? "Es gibt Anzeichen dafür, dass es sich um so etwas wie eine weiße Fahne der PGA-Tour handelt", so Kalwa. Die PGA-Tour sei finanziell im Konkurrenzkampf mit der LIV-Tour an ihre Grenzen gekommen.
"Die Situation scheint relativ kritisch zu sein, was das Durchhaltevermögen der PGA-Tour angeht", erklärt Kalwa. "Die Luft, die sie Saudis haben, wenn sie wirklich auf etwas setzen, ist viel größer."
Gut möglich, dass Saudi-Arabien zukünftig auch andere Sportarten übernehmen könnte, sagte Chatterjee. "Was jetzt nach Golf kommen könnte, sind Sportarten, die ähnlich organisiert sind, beispielsweise Tennis." Auch Tennis sei im arabischen Raum sehr beliebt, da könne er sich ein solches Engagement durchaus vorstellen. Den großen Fokus sieht Chatterjee aber auf dem Fußball.

Heide: Einflussnahme auch in Europa

Das sieht auch Hannes Heide so, der für die SPÖ im EU-Parlament sitzt. Gerade im europäischen Fußball gebe es bereits in verschiedenen Traditionsclubs den Versuch von Golfstaaten, Einfluss zu nehmen, sagt Heide im Deutschlandfunk. „Ich erinnere an die Premier League, wo der Traditionsclub Newcastle United von genau dem Staatsfonds aus Saudi-Arabien erworben wurde, der auch beim Schlucken der PGA-Tour beteiligt ist."
Im Sportswashing habe die WM in Katar nun den Weg bereitet, sagte Robert Chatterjee. "Das hat gezeigt, dass man das als Staat so machen kann und letztendlich die Empörungswelle ganz gut an sich vorbeiziehen lassen kann."

Mehr Hinrichtungen in Saudi-Arabien

Saudi-Arabien sei jedoch noch einmal eine andere Nummer als Katar. "In Katar werden bei weitem nicht so viele Menschen hingerichtet", sagte er. "Und es gibt natürlich den prominenten Fall Jamal Khashoggi, der zu Recht auch immer wieder hervorgebracht wird."
Der Journalist Khashoggi wurde am 2. Oktober 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul ermordet, höchstwahrscheinlich im Auftrag der saudischen Regierung um Kronprinz Mohammad Bin Salman. "Das heißt, die Saudis haben ein viel größeres Interesse an Sportswashing als Katar", sagte Chaatterjee.
Kalwa ergänzte, die "Urmutter" des Sportswashing sei Kuwait gewesen, "die schon früh angefangen haben, Funktionäre in Verbände zu schicken. Und mit Saudi-Arabien ändert sich die Größenordnung."

Saudi-Arabiens Ziel: "Das neue Zentrum der Welt sein"

Das große Ziel Saudi-Arabiens sei, so, Chatterjee, "das neue Zentrum der Welt zu sein - politisch, strategisch, im Sport, in jeder Hinsicht also. Mit diesem Selbstvertrauen tritt Mohammed bin Salman auch offen nach außen. Und letztendlich sind die Instrumente doch irgendwie dieselben, nur mit sehr viel mehr Ressourcen. Nach außen ist es das Prinzip der strategischen Verflechtung, was auch Katar schon vorgemacht hat. Das heißt, sich international so unentbehrlich zu machen, dass niemand sich irgendwelche Sanktionen oder Ausschlüsse erlauben kann."
Im Inneren sei die Zielgruppe von Kronprinz Bin Salman vor allem Jugendliche. "Und wenn man sich in die Situation von jungen Menschen in Saudi-Arabien versetzt, was die machen können, davon haben ihre Eltern geträumt", sagte Chatterjee. "Und dafür sind die auch bereit, über andere Sachen hinwegzusehen, weil das für ihre Lebensrealität viel wichtiger ist."
Man müsse sich darauf einstellen, dass sich die Sportwelt verändere, sagte Kalwa. "Ich kann mir eine Zeit vorstellen, in der ist das IOC genauso unwichtig wie die FIFA, weil sich andere Dinge entwickeln. Wir können nur hoffen, dass Fußball weiter, so wie wir das kennen, die Massen fasziniert und das Geld einspielt. Aber es wird Grenzen geben. Und wir sollten uns zumindest geistig darauf einstellen, dass sich über zehn, 20 Jahre noch sehr viel tun kann."

Geldhunger des Sports als Problem

Chatterjee sieht in der steilen Wachstumskurve und dem Geldhunger des Sports, gerade des Fußballs, das größte Problem. Denn es gebe nicht viele Quellen, um diesen Geldhunger zu stillen. "Es gibt entweder internationale Hedgefonds, Investorengruppen und Staatsfonds. Mehr ist da nicht. In der Premier League hat man versucht, die Lücken durch windige Krypto-Firmen zu schließen. Das hat nicht geklappt."
Ein Ansatzpunkt wäre deshalb, über Grenzen wie eine Gehaltsobergrenze nachzudenken. Auch Regularien wie das Financial Fairplay müssten konsequenter durchgesetzt werden. "Manchester City war eigentlich verurteilt worden und hätte zwei Jahre nicht in der Champions League antreten dürfen. Das wurde dann umgewandelt in eine Geldstrafe wegen Verjährung. Das ist natürlich ein fauler Handel."
Ein anderer Ansatz sei es, Statuten zu Menschenrechten in Satzungen zu verankern, so Chatterjee. "Dass man sich selbst zu etwas verpflichtet oder dass eben eine staatliche Regulation endlich mal eingreift. Das ist ja das, was viele auch fordern: Dass dieses Parallelsystem Sport stärker reglementiert wird, gerade weil auch viel Finanzkriminalität dort stattfindet."

Heide sieht Einflussmöglichkeiten in Europa begrenzt

SPÖ-Politiker Heide sieht die Einflussmöglichkeiten Saudi-Arabiens im europäischen Sport begrenzt. „Das europäische Sportmodell war bisher ein Garant dafür, dass die Interessen des Sports im Vordergrund stehen. Anders als in den USA zum Beispiel ist es ja in Europa so, dass in vielen Sportarten öffentlich-rechtliche Verbände den Sport organisieren. Und deshalb sind auch die Verbände, und da nenne ich jetzt mal besonders die UEFA, in der Pflicht, für Glaubwürdigkeit und europäische Interessen einzustehen.“
Im Sport gehe es um mehr als nur ums Geld, sagte Heide. „Es geht um Fans und es geht auch um einen guten Zugang zu Menschenrechten. Es ist natürlich zu bedauern, dass das Geld jetzt eine so große Rolle spielt. Aber wir sollten nicht vergessen: Begeisterung kann man nicht kaufen.“
Die Investitionen von Saudi-Arabien in den Sport werden aber auf absehbare Zeit weitergehen. Ein Ziel ist auch, eine Fußball-WM auszutragen. Eine mögliche Bewerbung zusammen mit Ägypten und Griechenland steht seit längerer Zeit im Raum.
Eine Beteiligung von Griechenland kann sich EU-Sportpolitiker Heide aber nicht vorstellen. "Das würde zu massiven Verwerfungen und massiver Opposition führen, auch aus dem politischen System und der Europäischen Parlament", so der Österreicher.