Saudi-Arabien setzt seit Jahren auf gezielte Sportinvestitionen - auch im Rahmen seiner „Vision 2030“. Dieser umfassende Reformplan von Kronprinz Mohammed bin Salman zielt darauf ab, das Land von seiner Abhängigkeit vom Öl zu befreien und neue Wirtschaftszweige wie Tourismus, Technologie und Kultur zu stärken.
Inhalt
- Welche Sportevents hat Saudi-Arabien in den letzten Jahren dazugewonnen?
- Warum investiert Saudi-Arabien so massiv in den Sport?
- Welche Rolle spielt der Staatsfonds PIF?
- Was wird Saudi-Arabien konkret vorgeworfen, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht?
- Wie reagiert die Sportwelt auf den wachsenden Einfluss Saudi-Arabiens?
Welche Sportevents hat Saudi-Arabien in den letzten Jahren dazugewonnen?
Saudi-Arabien hat sich in den letzten Jahren zu einem Hotspot für internationale Sportevents entwickelt: Neben dem hochdotierten Pferderennen Saudi Cup gehörten der Diriyah Tennis Cup, die WTA-Finals, Formel-1-Rennen, Kampfsport-Veranstaltungen und der neue Golfwettbewerb LIV Golf zu den Highlights.
Seit 2021 zählt der Jeddah Corniche Circuit in Dschidda zum festen Kalender der Formel 1, während die Hauptstadt Riad zum Schauplatz spektakulärer Boxkämpfe avanciert ist – darunter das mit großer medialer Aufmerksamkeit begleitete zweite Schwergewichtsduell zwischen Oleksandr Usyk und Tyson Fury am 21. Dezember.
Ab 2025 wird das Land auch Gastgeber der olympischen E-Sport-Spiele sein. 2029 werden die Asien-Winterspiele dort ausgetragen. Auch die Asienspiele 2034 finden in Saudi-Arabien statt - und der Zuschlag für die Fußball-WM 2034 ist nur noch Formsache.
Auch diverse wichtige Fußballspiele wie die Supercups aus Spanien und Italien werden in Saudi-Arabien ausgetragen - ebenso wie die neue FIFA-Klub-WM 2025. Die Saudi Pro League hat zudem internationale Fußballstars wie Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und Neymar mit hohen Gehältern ins Land gelockt. Saudi-Arabien investiert zusätzlich in klassisches Sponsoring im globalen Fußball und hat praktisch den Premier-League-Club Newcastle United übernommen: Es hält die Mehrheit der Anteile.
Nach Recherchen der dänischen Initiative "Play the Game" unterhält das Land fast 200 Partnerschaften mit Fußballbezug, darunter Wettbewerbe der Kontinentalverbände in Nordamerika, Asien und Afrika. saudische Unternehmen sponsern Verbände oder Topklubs in Europa wie AS Rom oder Manchester City.
Warum investiert Saudi-Arabien so massiv in den Sport?
Die Bemühungen Saudi-Arabiens sind zum einen Teil der Vision 2030, einer umfassenden Reformagenda von Kronprinz Mohammed bin Salman. Ziel ist es, die saudische Wirtschaft von ihrer Abhängigkeit vom Öl zu lösen und das Land als touristisches und kulturelles Zentrum zu etablieren. Sport ist dabei ein zentraler Hebel, um Saudi-Arabien international positiv zu präsentieren, junge Menschen im Land zu inspirieren und neue Einnahmequellen zu erschließen.
Nahost-Experte Sebastian Sons sieht diese Strategie auch als Versuch, die eigene Bevölkerung durch neue Freizeitangebote zufriedenzustellen und internationale Kritik an Menschenrechtsverletzungen zu entschärfen. "Sport wird hier als Mittel der Soft Power eingesetzt, um Saudi-Arabien als modernes und attraktives Land zu präsentieren."
Gleichzeitig dient es der politischen Imagepflege, indem es die Wahrnehmung Saudi-Arabiens von einem Land mit autoritärem Regime hin zu einem modernen und weltoffenen Staat verschieben soll. Saudi-Arabien nutzt den Sport auch, um geopolitischen Einfluss zu gewinnen. Der Fußballverband SAFF hat laut "Play the Game" fast 50 Vereinbarungen mit anderen Verbänden weltweit getroffen, ähnlich wie es Katar vor der WM 2022 tat. Diese Partnerschaften stärken das diplomatische Netzwerk des Königreichs und ermöglichen Zugang zu wichtigen Entscheidungsträgern im Fußball.
Auch Robert Chatterjee, Online-Chef des Magazins Zenith, betonte im Deutschlandfunk, dass Saudi-Arabien durch gezielte Investitionen in Sport, insbesondere Golf, strategisch Einfluss kauft. Diese Vorgehensweise sei eine Weiterentwicklung der Strategien anderer Golfstaaten, jedoch auf deutlich größerem Maßstab. Golf biete den Saudis Zugang zu einflussreichen Kreisen und werde wegen seiner prestigeträchtigen Assoziationen als besonders attraktiv wahrgenommen.
Welche Rolle spielt der Staatsfonds PIF?
Seit 2021 hat Saudi-Arabien über den Public Investment Fund (PIF) mehr als fünf Milliarden Euro in die Sportbranche investiert. Der 650 Milliarden Euro schwere Staatsfonds finanziert Formel-1-Rennen, Boxkämpfe und andere Großereignisse. Zudem hält der PIF 75 Prozent der Anteile an vier Fußballklubs im Land und gab allein 2023 fast eine Milliarde Euro für Spielertransfers und Gehälter aus - darunter 190 Millionen Euro jährlich für Cristiano Ronaldo bei Al Nassr.
Saudi Aramco ist der zweite große saudische Akteur im Sportbereich. Aramco ist der größte Ölkonzern der Welt und gehört zu mehr als 90 Prozent dem Staat. Seit 2024 fungiert Aramco auch als Sponsor der FIFA, was ihm Sponsorenrechte für die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM 2027 einbringt.
Welche Menschenrechtsverletzungen werden Saudi-Arabien vorgeworfen?
In Saudi-Arabien herrscht Kronprinz Mohammed bin Salman mit absoluter Macht. Journalisten und Regimekritiker werden verfolgt, Streiks, Demonstrationen und politische Parteien sind verboten. Diese strikte Kontrolle durch das autoritäre Regime schafft ein Klima der Einschüchterung, das sowohl Proteste als auch die Kriminalitätsrate gering hält.
Das Land belegt Platz 166 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit 2024 von "Reporter ohne Grenzen" und gehört zu den Ländern mit den größten Einschränkungen der Meinungsfreiheit weltweit. Es gibt keine unabhängigen Medien.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die häufigen und unfairen Gerichtsverfahren, die sogar zu Todesurteilen führen können. Allein 2023 hat das Regime mindestens 170 Menschen hinrichten lassen. Der Fall des Mordes an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 in Istanbul, bei dem Hinweise auf eine Beteiligung des Kronprinzen vorliegen, verstärkte die internationale Kritik an der saudischen Führung.
Das saudische Regime wird auch für die Unterdrückung von Frauenrechten und die strafrechtliche Verfolgung von Homosexualität scharf kritisiert. Frauen haben weiterhin eingeschränkte Rechte. Zudem leiden Arbeitsmigranten unter Ausbeutung, Zwangsarbeit und schlechten Arbeitsbedingungen.
Das saudische System unterdrückt jegliche Form politischer Opposition, was durch die Verhaftung von Dissidenten wie dem Blogger Raif Badawi und zahlreichen anderen Aktivisten deutlich wird. Internationale Organisationen wie Amnesty International werfen dem Land vor, Menschenrechte systematisch zu verletzen und politische Freiheit zu unterdrücken.
Wie reagiert die Sportwelt auf den wachsenden Einfluss Saudi-Arabiens?
Der wachsende Einfluss Saudi-Arabiens im internationalen Sport stößt zunehmend auf Kritik. Top-Spieler wie Cristiano Ronaldo und Karim Benzema sehen sich Vorwürfen ausgesetzt, sich von lukrativen finanziellen Angeboten des Landes verführen zu lassen, während sie die problematische Menschenrechtslage dort ignorieren. Fans von Newcastle United gründeten die kleine, aber wachsende Gruppe "Newcastle United Fans gegen Sportswashing".
Der ehemalige Weltmeister Toni Kroos hatte sich vor dem Ende seiner Karriere gegen einen Wechsel nach Saudi-Arabien entschieden, da die Menschenrechtslage für ihn ein entscheidender Faktor war. „Wenn Geld wichtiger als alles andere ist, wird es schwierig für den Fußball, den wir alle kennen und lieben“, so Kroos.
Die Austragung eines hoch dotierten Show-Tennisturniers und der WTA-Finals sorgten bei Tennis-Legenden wie Chris Evert und Martina Navratilova für Empörung. Sie kritisierten dies als unvereinbar mit den Werten des Damen-Tennis. Auch der deutsche Verbandspräsident Dietloff von Arnim bemängelte, dass die Menschenrechtsdebatte bei der Turniervergabe zu wenig berücksichtigt wird.
Der WM-Zuschlag für 2034 hat weltweit Proteste ausgelöst. Menschenrechts- und Fan-Organisationen wie „Fairness United“ werfen Saudi-Arabien vor, den Sport als Mittel zu nutzen, um von den politischen und sozialen Problemen im Land abzulenken – ein Phänomen, das als „Sportswashing“ bekannt ist. Zudem haben mehr als 100 Profifußballerinnen aus 24 Ländern die FIFA aufgefordert, den Sponsorenvertrag mit dem Ölriesen Aramco zu beenden, da dieser die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien legitimieren würde.
Die FIFA verteidigte den Vertrag jedoch. Sie erklärte, dass von den Verträgen mit Aramco und anderen Unternehmen auch der Frauenfußball profitiere. Aus dem organisierten Fußball gibt es kaum nennenswerte Widerstände gegen die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien. Auch der Deutsche Fußball-Bund hat angekündigt, für die umstrittene WM zu stimmen.