Sponsoren aus der arabischen Welt sind im Radsport omnipräsent. Die Teams Bahrain Victorious und UAE Emirates werden hauptsächlich von Bahrain und Abu Dhabi finanziert. Beim australischen Team Jayco AlUla ist die regionale Großmacht Saudi-Arabien als Co-Sponsor eingestiegen – und wird durchaus geschätzt.
"Es ist exzellent. Sie sind wunderbar. Und wir haben jetzt unsere erste saudische Rennfahrerin im Programm. Das verschafft mir Befriedigung", zeigt sich Gerry Ryan im Dlf-Interview hochzufrieden mit den arabischen Investoren. Ryan ist Multimillionär, besitzt den Wohnwagenhersteller Jayco, der für den Namen des Radrennstalls Pate steht. In diesem nahm er vergangene Saison die Tourismus-Agentur der saudi-arabischen Region AlUla auf.
Denk: "Ich glaube, man kann sich nicht wehren"
Auch bei anderen Rennställen herrscht keine prinzipielle Abwehrhaltung gegenüber saudischen Investoren. Viele Teams waren schon bei der Saudi Tour am Start, einem vom saudischen Sportministerium gemeinsam mit Tour de France-Ausrichter ASO organisierten Rennen. Und nach neuen Geldquellen suchen sowieso alle.
So erklärt Ralph Denk, Teamchef des deutschen Rennstalls Bora-hansgrohe: "Klar, das ist ein Thema, wo man lange drüber philosophieren kann. Ich glaube, man kann sich nicht wehren. Und man soll sich ja nicht wehren gegen Investoren aus dem Mittleren Osten."
Möglicher saudischer Einstieg bei Jumbo-Visma sorgt für Unruhe
Für etwas Unruhe sorgen freilich Anzeichen, dass saudische Geldgeber ausgerechnet beim aktuell stärksten Rundfahrt-Team der Gegenwart einsteigen könnten: bei Jumbo-Visma. In den vergangenen Jahren haben die Niederländer alle drei Grand Tours gewonnen. Und Jonas Vingegaard könnte in diesem Jahr seinen Tour-de-France-Titel verteidigen.
Bei der Nummer eins einzusteigen – das passt zu Saudi-Arabien. Die "Financial Times" hat die Investitionen des Landes in den Weltsport jüngst als "Bulldozer-Ansatz" bezeichnet. Die LIV-Tour wurde im Golf aus der Taufe gehoben und hat jetzt die PGA quasi übernommen. Im Fußball werden Abermillionen für alternde Weltstars wie Cristiano Ronaldo (38 Jahre) und Karim Benzema (35) bezahlt.
Beim Radsport geht es vergleichsweise um kleine Beträge. Interessant ist dieser Sport für Saudi Arabien nur wegen der Tour de France. Das drittgrößte Sportereignis der Welt garantiert globale Aufmerksamkeit, gerade für das stärkste Team.
Sportlicher Leiter bei Sponsorensuche "nicht involviert"
Bei Jumbo-Visma möchte man den Ball derweil flach halten. Arthur van Dongen, Teammanager, betont: "Ich weiß nichts darüber, aber es ist ja auch nicht mein Bereich. Wir sind für den Sport verantwortlich. Aber es gibt keine interne Information dazu, zu den Trainern oder anderen Personen. Wir sind fest überzeugt, dass es mit dem Team weitergehen wird in den nächsten Jahren." Doch "wer der neue Sponsor sein wird", wisse er auch nicht. "Jumbo hat immerhin noch einen Vertrag für das kommende Jahr."
Auch Grischa Niermann sagt trocken: "Ich habe noch keine Gehaltserhöhung bekommen." Der Sportliche Leiter des Teams bestätigte zwar, "hinter den Kulissen" werde nach einem "Nachfolgesponsor" gesucht: "Aber da bin ich auch nicht drin involviert. Und soweit ich weiß, ist da jedenfalls absolut noch nichts in trockenen Tüchern und es wird mit vielen Parteien verhandelt."
Saudischer Einstieg könnte Budget-Unterschiede weiter verstärken
Möglicherweise wird Jumbo-Visma noch stärker, sollte in Zukunft saudisches Geld in den Rennstall fließen. "Das kommt darauf an, wie groß die Saudis einsteigen. Vielleicht steigen sie auch kleiner ein mit Jumbo", scherzt Bora-Chef Denk. Ganz egal ist ihm das Thema natürlich nicht.
Schon jetzt klaffen große Abstände in den Budgets der einzelnen Rennställe. Es handelt sich um eine Drei-Klassen-Gesellschaft mit Ineos Grenadiers, UAE Emirates und Jumbo-Visma an der Spitze. Deren Etats betragen zwischen 40 und 50 Millionen Euro pro Saison. Es folgen Mittelklasse-Rennställe wie Bora-hansgrohe mit Budgets zwischen 20 und 30 Millionen Euro. Die kleinsten Teams sind mit etwa zehn Millionen Euro nur eingeschränkt konkurrenzfähig.
50+1-Regel? Denk sieht UCI vor tiefgehenden Fragen
Denk warnt deshalb vor einer Verschärfung der Gegensätze: "Und die Frage ist nur, lässt man das Scheunentor komplett offen oder limitiert man es irgendwie eben wie in der Formel 1? Oder wie im deutschen Fußball, dass die Besitzverhältnisse limitiert sind? Da muss die UCI entscheiden, was sie will. Sie hat den Hebel, das zu reglementieren. Wem dürfen die Teams gehören? Wie viel Budget dürfen die Teams haben? Wollen sie eine Draft-Regelung wie im amerikanischen Sport?"
Budget-Begrenzungen, nach dem Vorbild der Formel 1, wären am leichtesten umzusetzen. Auch eine Art 50+1-Regelung wie im deutschen Fußball ist denkbar, bei der der Stammverein stets die Stimmenmehrheit behält. Allerdings sind die Rennställe keine Vereine. Ineos Grenadiers zum Beispiel gehört schon jetzt komplett dem namensgebenden Chemieunternehmen.
Strukturen im Radsport für Draft noch nicht passend
Interessant könnte die Idee des Drafts nach US-amerikanischem Schema sein. Der jeweils schlechteste Rennstall der Saison darf für die nächsten zwei Jahre das größte Nachwuchstalent für sich verpflichten.
Allerdings müsste der Radsport dafür ein System von Ablösesummen und Ausbildungsabgaben etablieren. Davon ist man noch weit entfernt. Es gilt, diese Probleme anzuehen, bevor das große Geld aus dem arabischen Raum für die nächsten Verwerfungen sorgt.