Fußball-WM 2030 und 2034
Braucht es die nächsten Winter-Turniere?

Die FIFA hat die Weltmeisterschaften 2030 und 2034 an Länder vergeben, in denen es im Sommer sehr heiß werden kann. Gerade für die Fans könnte das zur Gefahr werden. Für 2034 in Saudi-Arabien deutet sich bereits eine Verlegung in den Winter an.

Von Maximilian Rieger |
Florian Wirtz trägt das Trikot der deutschen Nationalmannnschaft und trinkt aus einer Flasche.
Ob mit oder ohne Florian Wirtz: Bei den kommenden Weltmeisterschaften dürfte es sehr warm werden. (IMAGO / Claus Bergmann / IMAGO / CB)
Im Bewerbungsvideo für die WM 2030 zeigen Spanien, Portugal und Marokko ihre schönsten Seiten. Die Gastfreundlichkeit, die Wärme und die Sonne – das alles präsentieren die Gastgeber als Vorzüge.

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Auch im sogenannten Bid Book, in den offiziellen Bewerbungsunterlagen, preisen die drei Verbände das Wetter im Juni und Juli: „Sonnig und moderat warm“, „ideale klimatische Bedingungen“, um Fußball zu spielen und zu gucken.

Hitze und Wassermangel bei EL-Finale 2022 in Sevilla

Ronan Evain von der Fanvereinigung Football Supporters Europe hat andere Erfahrungen gemacht. Am Tag des Europa-League-Finales 2022 sei es in Sevilla am Nachmittag fast 40 Grad warm gewesen. Als im Stadion die Wasserversorgung zusammenbricht, leiden viele Fans unter Dehydrierung.
Solch hohe Temperaturen kommen in Sevilla regelmäßig vor. Im Bid Book wird die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur im Juli mit 36 Grad angegeben. So hoch sind laut Bid Book auch die Temperaturen in der marokkanischen Stadt Fes. Für Marrakesch werden sogar 37 Grad angegeben.

FIFA nutzt falsche Wetterdaten für Spanien im Evaluationsbericht

Für die FIFA offenbar kein Problem. In ihrem Evaluationsbericht kommt nicht einmal das Wort „Hitze“ vor. Stattdessen heißt es:
„Die Bewerbungsunterlagen zeigen, dass der vorgeschlagene Event-Zeitraum in Hinblick auf die klimatischen Bedingungen optimal wäre. Das Wetter in Marokko, Portugal und Spanien wäre in dieser Phase generell angenehm.“
Die Wetterdaten, die die FIFA in ihrem Evaluationsbericht benutzt, sind aber teils irreführend, widersprüchlich oder sogar falsch.
An einer Stelle schreibt die FIFA zum Beispiel, dass die durchschnittlichen Tagestemperaturen in den Austragungsorten 18 bis 23 Grad betragen würden. An einer anderen Stelle ist aber von 18 bis 29 Grad die Rede. Und Fanvertreter Evain versteht generell nicht, warum die FIFA die Durchschnittstemperatur des gesamten Tages nutzt, schließlich werde ja nicht um 4 Uhr morgens gespielt. Die Durchschnittstemperatur sei deswegen komplett irrelevant.

Laut FIFA hat Madrid durchgängig eine Luftfeuchtigkeit von 0 Prozent

Das scheint auch die FIFA zu wissen: Der Evaluationsbericht enthält eine Tabelle mit den Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit in den Austragungsstädten zwischen 12 Uhr mittags bis 22 Uhr abends – den möglichen Anstoßzeiten. Die Daten für die spanischen Städte sind aber höchst auffällig.
So soll es in Bilbao, La Coruna und San Sebastian zum Beispiel im Juli immer durchgängig 21 Grad warm sein. Und die Werte für die Luftfeuchtigkeit verändern sich innerhalb eines Tages sogar bei praktisch allen spanischen Städten nicht. Madrid soll laut FIFA sogar durchgängig eine Luftfeuchtigkeit von 0 Prozent aufweisen. Daten von Wetterstationen widerlegen das.
Die FIFA lebe unter Präsident Gianni Infantino in ihrer eigenen Realität, meint dazu Fanvertreter Evain.
Eine Deutschlandfunk-Anfrage, warum die FIFA die teils offensichtlich falschen Daten benutzt hat, ließ der Verband unbeantwortet. Genauso wie die Frage, ob die WM 2030 in kühlere Monate verschoben werden könnte.

Austragungszeitpunkt für die WM 2034 ein „mittleres Risiko“

Für die WM 2034 haben sowohl Gastgeber Saudi-Arabien als auch die FIFA diese Option zumindest indirekt ins Spiel gebracht. Denn in der Hauptstadt Riad sind im Sommer Temperaturen von mehr als 40 Grad normal. Das sind Temperaturen, die selbst die FIFA nicht ignorieren kann. Die Kategorie „Austragungszeitpunkt“ ist einer der wenigen Punkte, die im Evaluationsbericht mit einem „mittleren Risiko“ klassifiziert sind:
„Angesichts der lokalen klimatischen Bedingungen, des lokalen Sportkalenders und kulturellen Ereignissen im Jahr 2034 ist die Aufgabe, einen optimalen Zeitraum für den Wettbewerb zu finden, etwas kompliziert.“

Sportökologe Ross: WM im saudi-arabischen Sommer wäre gefährlich

Denn Saudi-Arabien ist 2034 auch Gastgeber für die Asienspiele. Außerdem muss die FIFA Rücksicht auf den Fastenmonat Ramadan nehmen. Angesichts all dieser Faktoren ist eine Austragung im Januar 2034 am wahrscheinlichsten – direkt vor den Olympischen Winterspielen.
Eine WM im saudi-arabischen Sommer durchzuführen, sei hingegen wegen der Hitze nicht sicher, meint der Sportökologe Walker Ross von der Universität Edinburgh.
„Es gibt natürlich Anpassungsmöglichkeiten, um es sicherer zu machen. Aber ich würde mir Sorgen machen um die Spieler, die Offiziellen, die Fans und die Menschen, die an den Veranstaltungsorten arbeiten, da es ziemlich gefährlich ist, bei diesen Temperaturen draußen zu sein.“

Fanvertreter Evain: Hitze eine große Gefahr für Fans auf dem Weg zum Stadion

Die Stadien ließen sich zwar wie in Katar klimatisieren. Während der Spiele könnten sich die Temperaturen innerhalb der Arenen auf angenehme 21 Grad regulieren lassen. Die größte Gefahr für die Fans sei deswegen der Fußweg zum Stadion, meint Ronan Evain. In Katar hätten die Fans teils zwei Kilometer zurücklegen müssen.
„Die Menschen mussten lange in der Sonne anstehen, die Fanzone war eine große Asphaltfläche mit sehr, sehr wenig Schatten. Ich sehe kein Anzeichen dafür, dass die FIFA in der Lage ist, ein Turnier unter solchen Bedingungen durchzuführen.“

Sportökologe Ross: „Ich hoffe, dass nichts schlimmeres passiert“

Der Fanvertreter vermisst im Weltfußball das Problembewusstsein dafür, wie gefährlich die Hitze sein kann. Angesichts dessen, dass es bereits jetzt schon Fälle gibt, in denen Aktive auf dem Feld wegen der Hitze kollabieren, hofft auch Forscher Walker Ross, dass sich das ändert.
„Ich hoffe, dass nicht irgendwann etwas schlimmeres passiert. Das würde den Wandel beschleunigen. Aber ich hoffe, dass wir das vorher schaffen, weil wir wissen, was auf uns zu kommt. Sobald die Sicherheit und die Marke der WM gefährdet ist, werden wir vielleicht mehr Bewegung sehen, wirklich etwas zu ändern.“