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Saudischer Blogger Raif Badawi
Wenn auf Worte Schläge folgen

Vor einem Jahr wurde der saudische Blogger Raif Badawi zu 1000 Stockschlägen, zehn Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt - weil er im Internet seine Meinung geschrieben hat. Seine Frau ist mit den drei Kindern nach Kanada geflohen. Von dort aus kämpft sie für seine Freilassung.

Von Sabine Rossi |
    Eine Aktivistin von Amnesty International hält ein Plakat mit Raif Badawi hoch und fordert dessen Freilassung bzw. das Ende der Prügelstrafe vor der saudi-arabischen Botschaft in Deutschland am 29. Januar 2015.
    Der Blogger Badawi hat sich gegen die Übermacht religiöser Autoritäten und für die Trennung von Religion und Staat ausgesprochen. (AFP / Tobias Schwarz)
    Jeden Donnerstag steigt die Angst stärker als an anderen Wochentagen in Ensaf Haidar auf, denn am Freitag könnte es wieder so weit sein. Dann könnte ihr Mann, Raif Badawi, wieder öffentlich ausgepeitscht werden. Vor einem Jahr hat ihn ein Gericht zu 1000 Stockschlägen, zehn Jahren Gefängnis und einer hohen Geldstrafe verurteilt. Weil er im Internet seine Meinung geschrieben hatte, weil er den Blog "Saudische Liberale" gegründet hatte.
    Im Januar bekam Raif Badawi die ersten 50 Schläge. Im Internet kursiert ein verwackeltes Video: Aufrecht steht Raif Badawi vor einer Moschee in der saudischen Stadt Jeddah. Die Menschenmasse klatscht und jubelt, bei jedem Schlag, der ihn trifft. Seitdem wurde die Strafe ausgesetzt – aus gesundheitlichen Gründen, wie es offiziell heißt. Ensaf Haidar ist die Einzige, die relativ regelmäßig Kontakt zu ihrem Mann ins Gefängnis hat.
    "Raif spricht nicht über seine Gesundheit, über den Alltag im Gefängnis. Vielleicht, weil er nicht will, dass ich das weiß. An seiner Stimme höre ich, dass es ihm nicht gut geht, dass er erschöpft ist. Er leidet, weil er seine Kinder so lange nicht gesehen hat. Es gibt nichts, das ihm Hoffnung gibt. ) Außer der Zuspruch aus aller Welt."
    Ensaf Haidar sucht die Öffentlichkeit
    Dafür arbeitet Ensaf Haidar und davon erzählt sie ihrem Mann. Ihre Telefonate dauern oft nur wenige Minuten, mehr ist nicht erlaubt. Ensaf Haidar sucht die Öffentlichkeit: Sie gibt Interviews, nimmt an Mahnwachen teil, hält Vorträge. Erst kürzlich erschien ein Buch mit Texten, die Raif Badawi auf seinem inzwischen verbotenen Blog veröffentlicht hatte. Ensaf Haidar ist überzeugt, dass die Öffentlichkeit Raif Badawi schützt, dass dadurch der Druck auf das saudische Königshaus erhöht wird. Bislang hat das Königshaus, das eng mit dem Klerus im Land verbunden ist, nicht eingelenkt. Wer, wie Raif Badawi, in Saudi-Arabien liberale oder säkulare Werte fordert, wer sich dafür einsetzt, dass jeder seinem eigenen Glauben nachgehen kann, der gilt schnell selbst als Ungläubiger oder sogar als Ketzer.
    Ensaf Haidar, die islamische Theologie studiert hat, ist sich sicher, dass die Texte ihres Mannes nicht den Islam beleidigen – auch wenn ihm das zur Last gelegt wird.
    "Wer die Texte aufmerksam liest und so versteht, wie Raif sie gemeint hat, wird darin nichts Falsches finden können. Seine Artikel waren nicht gegen eine bestimmte Sache, nicht gegen die Religion, gegen das Land oder gegen eine konkrete Person."
    Raif Badawi setzt sich für eine moderne Lesart des Koran ein
    Protest in Den Haag für die Freilassung von Raif Badawi
    Den Haag: Aktivisten von Amnesty International demonstrierten am 15.01.2015 vor der Botschaft von Saudi-Arabien für die Freilassung des Bloggers Raif Badawi. (AFP / Foto: Martijn Beekman )
    Das Königshaus und der Klerus fühlen sich angegriffen. Denn Raif Badawi setzt sich für eine moderne Lesart des Koran ein; er spricht sich gegen die strikte Trennung von Mann und Frau in der Gesellschaft aus und fordert, den Einfluss der Religionsvertreter und ihrer Polizei zurückzudrängen.
    In Saudi-Arabien trifft er mit diesen Ideen auf wenig Zustimmung, auch nicht bei Gleichaltrigen. Schätzungen zufolge sind etwa zwei Drittel der Einwohner Saudi-Arabiens jünger als 30 Jahre. Sie nutzen die modernste Technik und schreiben ihre oft konservativen Ansichten in den Sozialen Medien. Auf Twitter kommentieren sie jede Neuigkeit und jede Protestaktion, die Ensaf Haidar veröffentlicht.
    "Alles, was ich auf Twitter schreibe, ruft negative Reaktionen hervor. Die Leute antworten 'Er hat es verdient' oder Er hätte eigentlich noch mehr bekommen müssen. Wer hat ihm überhaupt erlaubt, so einen Blog zu schreiben."
    Doch das schüchtert Ensaf Haidar nicht ein. Raif gehe es im Gefängnis schließlich noch schlechter.
    "Das ist es wert, damit Raif zu uns kommen kann, damit das Warten ein Ende hat. Denn das Warten ist sehr schwer."