"Wann kommst Du denn?"
"Ich komme gleich runter."
"Nur Glühwein oder auch Punsch?"
"Mach auch Punsch. Ich habe irgendwas im Hinterkopf mit Punsch."
Nina Schomburg und Stefan Enste von der Bielsteinhöhle stecken mitten in den Vorbereitungen für den sogenannten "Winterzauber". Weil Mobiltelefone in Höhlen nicht funktionieren, geht die Kommunikation nur über Walkie-Talkie.
Stefan Enste befindet sich im Wildgehege. Seine Kollegin ist bereits mehrere Hundert Meter unter der Erde. Wer zur Bielsteinhöhle will, muss durch den Tierpark.
"Also, das ist unser normaler Weg", sagt Stefan Enste, der Geschäftsführer der Bielsteinhöhle. Bevor sich das Tor zur Unterwelt öffnet, geht es durch einen märchenhaften Misch- und Nadelwald, über urige Holzbrücken, vorbei an bizarren Felsformationen. Ein Bach fließt durch das Tiergehege. Bis er sich auf geheimnisvolle Weise in Luft auflöst. "Hier an dieser Stelle verschwindet der Bach unter der Erde. Man sieht hier viele Felsspalten und Höhlen. Wir haben eine untere Höhlenetage, was vom Wasser, das hier verschwindet, durchströmt wird", erzählt Stefan Enste.
Winterzauberführungen - mit Glühwein, Punsch und Lebkuchen - gibt es von November bis Februar in der Bielsteinhöhle. Immer nach Einbruch der Dunkelheit. Wer teilnehmen will, muss sich anmelden.
"So, was brauchen wir den jetzt noch. Ersatzkerzen habe ich jetzt auch noch eingepackt.“
"Wieviele Tassen hast Du?"
"Wieviele Tassen hast Du?"
"Das sind 30."
Während in der Bielsteinhöle bei Warstein die Vorbereitungen für den Winterzauber noch im vollem Gange sind, warten vor der rund 60 Kilometer entfernten Dechenhöhle die Besucher schon auf den Beginn der Höhlenweihnacht.
Durchsage Dechenhöhle: "Die Gruppe A zur Führung. Die Gruppe A bitte."
Höhlenweihnacht in der Dechenhöhle
In der Iserlohner Dechenhöhle werden die Besucher alle zehn bis 20 Minuten zu einer Führung aufgerufen. Die Höhlenweihnacht ist eine von vielen Sonderaktionen, die in der Dechenhöhle stattfinden. Vor rund 30 Jahren hatte der Höhlenforscher Elmar Hammerschmidt die Idee, sogar Heiligabend im Untergrund zu feiern:
"Ich habe von befreundeten Höhlenforschern gehört, das in Südeuropa, vor allem in katholischen Ländern Weihnachten in den Höhlen gefeiert wird. Und da kam ich auf die Idee, warum nicht auch in der Dechenhöhle."
Inzwischen sind die Iserlohner Unterwelt-Events weltweit bekannt. "Very good. We don’t get that at home very often. I like it a lot", sagt eine amerikanische Besucherin.
"Hört mal Kinder. Ich kam da eben am Eingang der Höhle vorbei. Und da habe ich jemanden ganz laut nach mir rufen hören. Wisst Ihr, wer das war?", fragt der Nikolaus-Schauspieler in der Dechenhöhle.
"Ja, wir!"
"Ihr wart das?"
"Ja."
"Wir können ja ein Stück des Weges gemeinsam gehen. Sollen wir das machen?"
"Ja."
Der Nikolaus übernimmt die Führung in der Iserlohner Dechenhöhle. Währenddessen werden vor der Bielsteinhöhle bei Warstein historische Öllampen an die Besucher verteilt. "Die Laternen sind nicht nur Folklore. Die brauchen wir wirklich. Im Tal ist es dunkel", sagt Stefan Enste.
Obwohl es schon Abend ist, geht es jetzt erst einmal durch den Wildpark. Rechts und links vom Weg ist es völlig dunkel. Kein Laut ist zu hören. Doch sobald der Höhlenführer Stefan Enste mit der Taschenlampe in den Wald leuchtet, blicken unzählige erstaunte Tieraugen in Richtung der Besuchergruppe.
Frau: "Boh. Echt Klasse, jetzt sind wir doch dicht dran. Oh, ich gucke ihm in die Augen".
Mann: "Huch, jetzt habe ich Bäume fotografiert."
Frau: "Das ist schon toll, wie nah man doch ran kommt."
Neugierige Wildschweine und eine Gruppe Sikahirsche stehen direkt am Zaun. Der kleine Sikahirsch stammt ursprünglich aus Asien. Doch auch im Sauerland fühlt er sich ausgesprochen wohl.
"Das ist eine verrückte Geschichte. Es gab vor 120 hier einen Bankier aus Hamburg. Und der hat eine große Fläche als privaten Wildpark eingezäunt. Und das war ein persönlicher Freund von Karl Hagenbeck, vom Hamburger Tierpark Hagenbeck. Und dann haben die beiden experimentiert, welche Tierart kann man hier im Wald halten", erzählt Stefan Enste.
"Der guckt genau hier rüber“, freut sich eine Besucherin. Stefan Enste: "So muss das sein. Das gibt morgen ne Extraration. Und er ist der Chef. Und der hat ziemlich viele Enden an seinem Geweih. Vielmehr als laut Fachliteratur möglich ist. Das deutet daraufhin, dass einer seiner Vorfahren mal mit Rotwild fremdgegangen sein muss."
Während die Besucher der Bielsteinhöhle noch durch den Wildpark schlendern, sind die Gäste der Dechenhöle auf dem Weg zur großen Kapelle. Überall in der Höhle stehen Musiker und spielen Weihnachtslieder. Vorbei geht es am Nixenteich, der Orgelgrotte und der Kaiserhalle.
Der Geologe Stefan Niggemann hat schon mit 15 Jahren seine erste Führung durch die Dechenhöhle gemacht. Und trotzdem:
"Man kann nie sagen, man kennt alles. Sie sehen Dinge, die Sie draußen niemals sehen. Es gibt so einige Bereiche, wenn sie da mal länger stehen, das ist einfach eine Märchenwelt. Das ist völlig entrückt. Sie sitzen dann da in der Höhle und sehen Dinge, die Sie sonst nirgendwo draußen sehen können. Wenn Sie in einer Jahreszeit, wo es vermehrt tropft, so Januar, Februar, März in der Höhle sitzen, vielleicht an einem dieser Kristallbecken, und dann eine viertel Stunde da sitzen und die Augen zu machen, dann brauchen sie nicht mehr zu meditieren. Das ist Entspannung pur."
Deutschlands größtes Höhlenmuseum
Direkt über dem Eingang zur Iserlohner Dechenhöhle liegt Deutschlands größtes Höhlenmuseum. Hier wird die unterirdische Atmosphäre naturgetreu nachgebildet. Das Topfen. Die Stille. Die Dunkelheit.
Viele glauben an die heilenden Kräfte der Sauerländer Höhlen.
Zwischen Warstein und Iserlohn liegt Balve. Hier gibt es gleich zwei Schauhöhlen. Eine davon: die Reckenhöhle. Allergiker und Asthmatiker kommen regelmäßig hierher. Auch der neunjährige Dominik. Seine Großmutter hat Asthma. Sie schwört auf die Höhlenluft. Genau wie Dominik.
Dominik: "Wenn ich krank bin und Husten habe, gehe ich hierhin und dann geht es mir besser."
Großmutter: "Ich habe das Empfinden, wenn ich hier gewesen bin, dass es dann immer wesentlich besser geht."
Johann Gorzelski: "Deshalb heißt unsere Höhle ja auch die Urgsunde. Die Leute setzten sich eine halbe Stunde hin und wollen die Höhle gar nicht sehen. Die setzten sich einfach nur hin und atmen die gesunde Luft für sich ein."
Johann Gorzelski führt die Besucher seit neun Jahren durch die Reckenhöhle. Benannt wurde sie nach ihrem Entdecker: Franz Recke. Im Jahr 1888 folgte der Gastwirt einem Fuchs in dessen Bau und fand die märchenhafte Tropfsteinwelt. Auf seinem eigenen Grundstück. Quasi direkt unter seinem Wohnhaus.
Johann Gorzelski: "Wir haben Heiligabend hier immer Glühweintrinken. Wir haben den Stand da. Dann wird Feuer gemacht. Dann kommen die Leute aus der ganzen Umgebung. Dann werden auch Weckmänner verteilt. Wir haben bis 14 Uhr geöffnet. Auch die Höhle ist geöffnet. Dann machen wir Höhlenführungen. Es ist beleuchtet und dann die Weihnachtsmusik und die Heilige Familie an der Höhlenwand. Das sieht unwahrscheinlich herrlich aus.“
Stefan Enste und Nina Schomburg über Walkie-Talkie:
Stefan Enste: "Ja?"
Nina Schomburg: "Wo seid ihr denn jetzt?"
Stefan Enste: "Wir sind gleich da."
In Warstein haben die Besucher den Tierpark inzwischen verlassen und stehen vor dem Eingang der Bielsteinhöhle. An dieser Stelle sind vor einigen Jahren auffällig viele Schädelknochen gefunden worden. Und schon titelte die bunte Presse: "Kannibalen in Westfalen".
Genau diesen Platz haben sich inzwischen einige Feuersalamander als Rückzugsgebiet ausgesucht. Bei Frost sind sie allerdings eher zurückhaltend. Und man muss schon genau hinschauen, um sie zu finden.
Besucherin: "Wie süß."
Stefan Enste: "Die Ersten können weiter gehen. Bis da, wo die Pflanzen von der Decke hängen. Da bitte warten. Diese Höhle hier ist vor 8500 Jahren besiedelt gewesen. Man hat hier bei Ausgrabungen Werkzeuge aus Feuerstein gefunden. Kleine Pfeilspitzen. Das ist ja das Schöne an Menschen. Wenn eine Gruppe Menschen länger als 20 Minuten an einem Ort ist, hinterlässt sie Müll. Deshalb kann man sagen: Hier in der Höhle hat in der Mittelsteinzeit eine Gruppe Menschen sich längere Zeit aufgehalten, längere Zeit gewohnt."
Während die Menschen die Sauerländer Tropfsteinhöhlen erst in der Steinzeit für sich entdeckten, gab es hier bereits in der Eiszeit große Tiere.
Stefan Enste, Geschäftsführer Bielsteinhöhle: "So war das hier auch. Es sind sehr viele Bärenknochen hier gefunden worden. Und aus den vielen Knochen, vieler verschiedener Bären, hat man ein ganzes Skelett zusammen gepusselt. Dieses Skelett ist vor ein paar Jahren noch einmal untersucht worden. Von einem Paläontologen. Und der hatte viel Freud, als er entdeckt hat: Einer der Unterarmknochen ist in Wirklichkeit ein Löwenknochen. Da hat man falsch gepusselt."
So interessant die Höhlenführung ist. Ab einem bestimmten Punkt sind die Besucher abgelenkt. Etwas hat sich verändert.
Besucherin: "Hier riecht es aber gut"
Glühwein und Punsch stehen direkt um die Ecke, auf einem Tisch. Umgeben von gewaltigen Stalagmiten und Stalaktiten. Von der Decke hängt ein Kerzenleuchter. Auf einem Teller liegen Lebkuchen und Spekulatius.
Auch in der Dechenhöhle ist die letzte Station der Höhlenweihnacht inzwischen erreicht. Die große Kapelle ist beleuchtet, wie eine Filmkulisse für ein Wintermärchen.
Kind in der Dechenhöhle: "Was war das Mama?"
"Und mittendrin: Eltern und Kinder auf der Suche nach dem Weihnachtsmann."
Akkordeonspieler: "Wo ich in der dritten Strophe am Singen war, da habe ich was Rotes gesehen. So einen roten Zipfel, so ein kleines Stück Stoff. Wisst Ihr, wo ich das gesehen habe? Am Ende unserer kleinen Bärenhöhle. Ganz hinten links. Wollt ihr mal nachschauen?"
Am Heiligabend wird dieser Satz für die meisten wohl das Stichwort sein. Dann geht es bestimmt ganz schnell nach Hause. Zur Bescherung.