Archiv


"Scala Santa"

Als Jesus in Jerusalem zu seinem römischen Richter Pontius Pilatus geführt wurde, soll er über eine Treppe gegangen sein, die heute als Heilige Treppe bekannt ist: 28 Marmorstufen, inzwischen mit Holz verkleidet. Die Reliquie befindet sich in Rom, in einem eigenen Gebäude neben der Lateransbasilika und ist ein Objekt, das vor allem von Pilgern begangen wird, und zwar auf den Knien.

Von Thomas Migge |
    Viele Romtouristen, die nicht als Pilger anreisen, lassen sie links liegen, wenn sie aus dem historischen Zentrum kommen, um die gewaltige Johannesbasilika zu besuchen. Die "Scala Santa", die sogenannte heilige Treppe, ist neben der Kirche des Bischofs von Rom, des Papstes, in einem gesonderten Gebäude untergebracht, das 1589 von dem Baumeister Domenico Fontana im Stil der späten Renaissance errichtet wurde. Die Treppe in dem eleganten Palazzo hat längst den Status einer Reliquie weiß Lidia Giannaccheri, Kunsthistorikerin der vatikanischen Museen:

    "An manchen Tagen besuchen so viele Pilger die heilige Treppe, dass wir zeitweise die Pforten schließen müssen. Sie alle wollen jene Treppe sehen, die die Mutter von Kaiser Konstantin dem Großen, die heilige Helena, 326 aus Jerusalem nach Rom bringen ließ und über die Jesus Christus geschritten sein soll, um von Pontius Pilatus verhört zu werden. In manchen Wochen besuchen 20.000 bis 23.000 Menschen die Treppe und das Gebäude."

    Die Räumlichkeiten, die zur Scala Santa gehören, sind seit ihrer Errichtung im Mittelalter und später im 16. Jahrhundert nie restauriert worden. Zum ersten Mal überhaupt wurde jetzt ein großer Teil der Wandmalereien und Mosaiken gereinigt - eine Herkulesaufgabe, denn auf vielen Darstellungen befanden sich, millimeterdick, Schmutz und der Ruß von unzähligen von Kerzen.

    Das Gebäude der Scala Santa enthält nicht nur die Treppen-Reliquie, sondern auch eine Vielzahl bedeutender Kunstwerke - vor allem in jenem großen Saal im ersten Stockwerk, wohin die Treppe führt und der Sancta Sanctorum genannt wird. Es handelt sich um die ehemalige Privatkapelle der Päpste. In dieser Kapelle wie in den sie umgebenden Räumlichkeiten schmückten einige der wichtigsten Künstler des 16. bis 17. Jahrhunderts die Wände mit Fresken.

    Rund 400 Jahre lang waren sie von einer dicken Schmutzschicht überzogen; nun sind sie,. nach monatelangen Reinigungsarbeiten, wieder im Original zu sehen. Dazu Claudio Strinati, Kunsthistoriker und der oberste Kunsthüter Roms:

    "Man hat nun wieder einen Eindruck von der Farben- und Figurenpracht dieser Freskenbilder, die Geschichten aus dem alten Testament darstellen. Diese großflächigen Wandbildern, die zu den schönsten Roms gehören, wurden von so bedeutenden Malern wie Paul Brill und Giovanni Baglione geschaffen. Man hat diese Fresken soweit restauriert, wie das möglich war."

    Vor allem die Darstellungen, die von dem damals noch jungen flämischen Künstler Brill geschaffen wurden, faszinieren: sie zeigen die biblischen Themen in der Rom umgebenden Landschaft der sogenannten Campagna Romana, mit Hirten, Feldern und antiken Ruinen.
    Besonders aufwendig waren die Restaurierungsarbeiten auch in der Kapelle Sancta Sanctorum: hier schufen im Auftrag von Papst Sixtus V. in den späten 80er Jahren des 16. Jahrhunderts Cesare Nebbia und Giovanni Guerra die Malereien an den Wänden und an der Decke. Giannicola di Paolo bemalte einige Jahre zuvor den Raum oberhalb der Fenster mit den Darstellungen der Evangelisten. Vom Ruß der Kerzen war auch ein großes Mosaik in der Sancta Sanctorum bedeckt, dass Cristus Pantocrator zeigt und aus dem 13. Jahrhundert stammt.

    Oberhalb des Altars wird hinter einem Gitter und durch eine Alarmanlage gesichert das unter religiösen Gesichtspunkten sicherlich wichtigste Kunstwerk im Gebäude der Heiligen Treppe aufbewahrt. Claudio Strinati:

    "Dieses Gemälde wurde bereits in der Vergangenheit restauriert, denn es hat für die Kirche eine besondere Bedeutung. Es soll sich um eine Darstellung Christi handeln, die nicht von Menschenhand gemalt worden sein soll. Sicher ist, dass dieses Tafelbild im 5. oder 6. Jhdt. geschaffen und zum Teil stark übermalt wurde, um es auf diese Weise vor dem Verfall zu retten."

    Die Restaurierungsarbeiten in der Scala Santa wurden fast ausschließlich von Sponsoren finanziert. Die Gesamtkosten belaufen sich auf mehr als 500.000 Euro. Die katholische Kirche kann dieses Geld nicht aufbringen, weshalb sie die Restaurierung des Bauwerks immer wieder verschieben musste. Eine für viele kunsthistorisch wichtige Sakralgebäude in Italien typische Realität: Sie gehören der Kirche, aber die hat nicht die Finanzmittel, um für die Restaurierungsarbeiten aufzukommen. Der Staat kann, weil es sich nicht um staatliche Monumente handelt, nur Geld zuschießen. So sucht die italienische Bischofskonferenz immer wieder händeringend nach Sponsoren, die allerdings nur dann Geld locker machen, wenn, wie im Fall der Scala Santa, ein besonders wichtiger und viel besuchter Ort restauriert werden soll - denn nur dort werden die nach Abschluss der Arbeiten angebrachten Hinweisschilder auf die großzügigen Spender auch von vielen Menschen gesehen.